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Austausch impliziten Erfahrungswissens

Neue Perspektiven für das Wissensmanagement

AutorStephanie Porschen
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl282 Seiten
ISBN9783531908830
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis36,99 EUR
In der aktuellen Debatte um Wissensmanagement in Unternehmen wird das handlungsorientierte Erfahrungswissen der Beschäftigten nach wie vor unterschätzt. Anhand empirischer Untersuchungen in Großunternehmen der Automobil- und der Chemischen Industrie zeigt Stephanie Porschen, welche Bedeutung gerade diesem nicht-explizierbaren und nicht-objektivierbaren Wissen zukommt. Sie zeigt darüber hinaus praktisch erprobte Wege auf, wie dieses Wissen durch kooperativen Erfahrungstransfer ausgetauscht und weitergegeben werden kann.



Dr. Stephanie Porschen ist als Arbeits- und Organisationssoziologin am ISF München - Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung tätig.

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Leseprobe
I Funktionswandel von Arbeit und neue Arbeitsformen (S. 141-142)

Der Funktionswandel von Arbeit ist ein komplexer Prozess, der durch Individualisierung, Globalisierung, Dezentralisierung, unternehmensübergreifende und unternehmensinterne Netzwerkbildung, Informatisierung und Tertiarisierung beeinflusst wird.96 Näher beschreiben lässt sich der Funktionswandel der Arbeit mithilfe der durch ihn forcierten Arbeitsformen als „Entgrenzte Arbeit" (Kratzer u.a. 2004, Sauer 2005), „Interkulturelle Arbeit" (von Behr, Knoblach 2002), „Verteilte Arbeit" (Meil, Heidling 2005), „Informatisierte Arbeit" (Boes, Pfeiffer 2005) und „Interaktive Arbeit" (Dunkel, Rieder 2004, Porschen, Bolte 2005). Dabei gewinnt insbesondere die interaktive Arbeit für den Großteil der Beschäftigten in Unternehmen immer mehr an Bedeutung (Böhle, Rose 1992, Knoblauch 1996, Rammert 1999). Sie steht für den gesteigerten Bedarf an zu mobilisierendem Wissen in Unternehmen (vgl. Wilkesmann 2005, S. 57 ff.).

1 Funktionswandel von Arbeit und der neue Stellenwert interaktiver Arbeit Mit dem Abbau tayloristischer Bürokratien und den seit einigen Jahren permanent stattfindenden Reorganisationsprozessen, die als Antwort auf den gestiegenen Druck seitens des Marktes erfolgen (Fürstenberg 2005, S. 61 ff.), verändert sich auch das Anforderungsprofil an die Mitarbeiter. Interaktive Arbeit und damit kooperative und kommunikative Fähigkeiten werden gegenüber operativen und instrumentellen Aspekten der Arbeit in den verschiedensten Beschäftigtenbereichen immer wesentlicher. Der Grad der Subjektivität und die Einzigartigkeit der Tätigkeiten steigen (Derboven u.a. 2002, S. 7).

Dahinter steht eine veränderte Auffassung der Planbarkeit von Prozessen und der Rollen der betrieblichen Akteure. Heute geht man auch in der Produktion nicht mehr von der ausführenden, von der Planung getrennten Tätigkeit aus, die an die Metapher der Maschine geknüpft war (ist sie einmal konstruiert und gebaut, sind nur noch identische Arbeitsschritte viele Male auszuführen). Vielmehr wird angenommen, dass alle Tätigkeiten ein gewisses Maß an schöpferischer Kraft benötigen und damit keine rein mechanischen Vorgänge darstellen. Denn durch die sich zunehmend am Markt orientierenden Organisationsstrukturen ergibt sich eine Dynamik, die sich für die Mitarbeiter als „Bewältigung des Unplanbaren" (Böhle u.a. 2004, Böhle, Sevsay-Tegethoff 2005) bemerkbar macht. Mitarbeiter müssen ihr Wissen in neuen oder erweiterten Aufgabengebieten anwenden und können dabei nicht immer auf vorhandenes Wissen zurückgreifen. Die Mitarbeiter sind deshalb immer mehr darauf angewiesen, situativ neues Wissen zu entwickeln.

Diese „Wissensarbeit" ist als interaktive Tätigkeit näher zu fassen. In der interaktiven Arbeit wird über Kooperation und Kommunikation ein praktisches, aktuelles und situationsbezogenes Wissen entwickelt bzw. von den Mitarbeitern gemeinsam konstruiert (vgl. Teile A, C).98 Damit gehen aber auch neue Anforderungen an Kooperation und Kommunikation einher (Endres, Wehner 1993, Porschen, Bolte 2004). Aufgrund neuer Organisationsprinzipien, die eine flexible bereichsübergreifende Wissensmobilisierung bedingen, werden vor allem verstärkte Anforderungen an die bereichsübergreifende Kooperation und Kommunikation gestellt.

Die Verbesserung der – auch bereichsübergreifenden – Kooperation und Kommunikation wird in wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Publikationen, Ratgebern und in der Presse dementsprechend als eine wesentliche Voraussetzung für den Unternehmenserfolg propagiert (Böhle, Bolte 2002, S. 11 ff.). Das kann exemplarisch anhand der Diskussion um neue Anforderungen an Kooperation und Kommunikation etwa bei industriellen Fachkräften, die insbesondere für Ingenieure untersucht wurden (Porschen 2002), verdeutlicht werden. Ingenieure eignen sich deshalb besonders gut zur Darstellung des Wandels, weil hier lange Zeit nur traditionelle, vor allem technisch-funktionale Fähigkeiten gefordert (und ausgebildet) wurden. Zunächst werden Hinweise auf veränderte Organisationsprinzipien als Ursache für die neuen Anforderungen an interaktive Arbeit aufgezeigt.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
Vorwort und Dank10
Einleitung. Wissensgesellschaft, Verwissenschaftlichung und die Wiederentdeckung praktischen Wissens13
1 Einleitung14
2 Inhalt und Thesen22
Teil A. Praktisches Wissen – unerschöpfliche Ressource, Konstruktion, Artenvielfalt, Erfahrung26
I Konventionelle Interpretation von Wissen im Wissensmanagement31
1 Wissen als Ressource31
2 Daten – Information – Wissen (auf, in und aus Medien)37
II Konstruktivistische Sicht auf Wissen41
1 Wissenssoziologische Denktradition42
2 Radikaler Konstruktivismus44
3 Fünf Wissensarten aus der konstruktivistischen Organisationsperspektive47
4 Dominanz der diskursiven Kommunikation und Ausblendung des erfahrungsgeleiteten Vorgehens51
III Implizites Wissen als vertikale Betrachtung von Wissen58
1 Die Grundlagen – Polanyis Konzept des impliziten Wissens59
2 Die Wissensspirale als Organisationsperspektive impliziten Wissens61
3 Wissensumwandlung in der Wissensspirale – wirklich ein Fortschritt?65
4 Implizites Wissen als herausragendes Thema in der Diskussion um Wissensmanagement68
IV Erfahrungswissen als individuelles und kollektives organisationsrelevantes Wissen73
1 Hintergründe zum Erfahrungswissen73
2 Konservativer „Erfahrungsschatz“ oder progressives „ Erfahrung- Machen“?75
3 Erfahrungswissen im Modus objektivierenden und subjektivierenden Arbeitshandelns75
4 Erfahrungswissen und subjektivierendes Arbeitshandeln: Erscheinungsformen80
5 Die Bedeutung des subjektivierenden Arbeitshandelns im Wissensmanagement85
Teil B. Wissensmanagement – das Planbare und das Unplanbare managen89
I Die Diskussion um Wissensmanagement93
1 Tragweite von Wissensmanagement93
2 Historie und Aktualität94
3 Wissensmanagement – Wissen als zu managende Ressource?97
4 Intention und verschiedene Auffassungen von Wissensmanagement97
II Der Übergang von der ersten zur (mindestens) zweiten Phase des Wissensmanagements102
1 Erste Phase des Wissensmanagements – Schwerpunkt: Kodifizierungsstrategien102
2 Zweite Phase des Wissensmanagements – Einzug der Personalisierungsstrategien105
3 Dritte Phase des Wissensmanagements oder die Bestätigung des Umbruchs112
III Systematik praxisbezogener und wissenschaftlicher Ansätze des Wissensmanagements114
1 Klassifizierung von Wissensmanagementmodellen114
2 Wissensmanagement und organisationales Lernen115
3 Heuristisches Schema zum Vergleich von Wissensmanagementansätzen119
4 Exkurs: Grenzen ganzheitlicher Wissensmanagementansätze130
5 Die Wissensmanagementansätze und ihr fehlender Bezug zu Arbeit133
Teil C. Kooperation und Kommunikation – Grundlagen von Arbeit und Wissensmanagement138
I Funktionswandel von Arbeit und neue Arbeitsformen142
1 Funktionswandel von Arbeit und der neue Stellenwert interaktiver Arbeit142
2 Reorganisationsdynamik und interaktive Arbeit144
3 Kommunikation und Kooperation als Arbeitsanforderung145
4 Interaktive Arbeit und die Vernachlässigung kommunikativen und kooperativen Arbeitshandelns147
II Wissensorientierte Kooperation152
1 Das Modell der Wissenskooperation152
2 Das Instrument des Erfahrungs- und Wissenszirkels157
III Narratives Wissensmanagement für die organisationale Wissenskommunikation161
1 Geschichten und Eigenheiten des Erzählens161
2 Story Telling – Einsatzgebiete und Beispiele der Anwendung162
3 Kommunizierendes Lernen für den Wissensfluss167
IV Communities of Practice – Auf dem Weg zur informellen Kooperation in der Arbeit170
1 Hintergründe zu den Praktiker-Gemeinschaften170
2 Beispiele für Praktiker-Gemeinschaften173
V Resümee: Wissenskooperation und -kommunikation in der Arbeit – aber nicht beim Arbeiten178
1 Wissenskooperation in Zirkeln abseits des Arbeitsgeschehens178
2 Wissenskommunikation im narrativen Wissensmanagement als organisationales Begleitprogramm jenseits des Arbeitshandelns179
3 Praktiker-Gemeinschaften und die Leerstelle des konkreten Austauschs im Arbeitsprozess180
Teil D. Kooperativer Erfahrungstransfer: Konzept, empirische Befunde, Förderung184
I Die Bedeutung informeller Kooperation und Kommunikation für Arbeit und Wissensmanagement188
1 Traditionelles Verständnis des Informellen188
2 Ein neuer Blick auf das Informelle191
3 Der Stellenwert der informellen Kooperation und Kommunikation für das Wissensmanagement193
II Das Konzept der informellen erfahrungsgeleiteten Kooperation und der Austausch von Erfahrungswissen197
1 Das Konzept der informellen erfahrungsgeleiteten Kooperation197
2 Das Konzept des kooperativen Erfahrungstransfers203
III Fallstudien: Kooperativer Erfahrungstransfer in Industrieunternehmen210
1 Zum methodischen Vorgehen210
2 Fallstudie A: Untersuchung in einem Automobilwerk213
3 Fallstudie B: Ein Unternehmen der Chemischen Industrie225
IV Die Förderung des kooperativen Erfahrungstransfers242
1 Arbeitsbezogene personale Netze und Vertrauensbeziehungen ernst nehmen242
2 Das Netzmodell – ein personalpolitisches Modell zur Unterstützung des kooperativen Erfahrungstransfers247
3 Förderung des kooperativen Erfahrungstransfers im Arbeitsalltag256
4 Abschließendes und Weiterführendes zur Förderung des kooperativen Erfahrungstransfers258
Schluss263
Literatur270

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