In der deutschen Rechnungslegung sind in § 293 HGB Größenkriterien festgelegt, die eine Befreiung von der Konzernrechnungslegungspflicht bewirken. Der § 293 HGB-E sieht vor, die Größenmerkmale zur Konzernrechnungslegungspflicht anzuheben. In den §§ 291 und 292 HGB-E sind weitere Befreiungsvorschriften enthalten, welche die Aufstellung eines befreienden Konzernabschlusses durch ein übergeordnetes Mutterunternehmen innerhalb und außerhalb der Europäischen Union bzw. innerhalb und außerhalb des Geltungsbereichs des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum regeln.[206]
Betrachtet man den ED-SME, so ist festzustellen, dass gemäß ED-SME 9.1 grundsätzlich jedes Mutterunternehmen verpflichtet ist einen Konzernabschluss aufzustellen, es sei denn, dass Mutterunternehmen ist gemäß ED-SME 9.2 selbst Tochterunternehmen und das übergeordnete Mutterunternehmen erstellt einen Konzernabschluss nach IFRS oder ED-SME. ED-SME 9 enthält keine Befreiungsvorschriften für Unternehmen, welche gewisse Größenmerkmale unterschreiten.[207]
Somit ist festzustellen, dass sich hinsichtlich der Aufstellungspflicht zwischen dem RegE BilMoG und dem ED-SME Disparitäten ergeben. Aus Wirtschaftlichkeits- und Wesentlichkeitsgesichtspunkten ist für KMU die deutsche Rechnungslegung vorzuziehen.
Bei der Bestimmung des Konsolidierungskreises ergeben ich keine wesentlichen Änderungen zwischen dem RefE BilMoG und dem RegE BilMoG, jedoch Änderungen zur derzeitigen handelsrechtlichen Konzerrechnungslegung. Hinsichtlich der Konsolidierungspflicht gibt es in der deutschen Rechnungslegung bisher zwei nebeneinander existierende Konzepte, welche zur Aufstellung eines Konzernabschlusses führen. Es wird zwischen dem Konzept der einheitlichen Leitung und dem Control-Konzept unterschieden. Das Konzept der einheitlichen Leitung wird dahingehend fortentwickelt, dass das nach der derzeitigen deutschen Rechnungslegung geforderte Beteiligungskriterium gemäß § 271 Abs. 1 HGB entfällt.[208] Durch die Aufgabe des Beteiligungskriteriums rückt die wirtschaftliche Betrachtung der Beherrschung in den Vordergrund, was eine Annäherung an die internationalen Rechnungslegungsstandards zur Folge hat.[209]
Die eben beschriebenen Änderungen werden in besonderem Maße die Zweckgesellschaften betreffen, worauf im folgenden Kapitel eingegangen wird.
5.2.1.1 Exkurs Zweckgesellschaften nach dem RegE BilMoG
Zweckgesellschaften sind Unternehmen mit einem beschränkten, genau definierten Ziel der Unternehmenstätigkeit. Die Gründung von Zweckgesellschaften dient häufig der außerbilanziellen Durchführung bestimmter Sachverhalte.[210] Der Gründer bzw. der Initiator einer Zweckgesellschaft beabsichtigt mit deren Gründung bestimmte Vermögensgegenstände aus dem Einzelabschluss in eine Zweckgesellschaft zu transferieren. Das Ergebnis ist eine Gewinnrealisierung im Einzelabschluss. Größere Bedeutung kommt jedoch dem Transfer von Schulden in eine Zweckgesellschaft zu. Die Folge eines Schuldentransfers in eine Zweckgesellschaft ist meist ein besseres Rating und folglich bessere Finanzierungskonditionen. In der Praxis werden meist Leasing-Objektgesellschaften oder Zweckgesellschaften für Verbriefungstransaktionen, bspw. Asset-Backed-Securities-Transaktionen,[211] gegründet. Für die KMU kommen eher Objektgesellschaften für den Ankauf und das Halten von Vorratsvermögen in Frage.[212]
Die Konsolidierung der Zweckgesellschaften scheiterte in der Vergangenheit aufgrund von bewussten Vertragsgestaltungen und nicht selten an den formaltypischen Rechtspositionen des Control-Konzepts gemäß § 290 Abs. 2 HGB. Häufig wurden Zweckgesellschaften mit einer asymmetrischen Kapital- und Stimmrechtsverteilung so ausgestaltet, dass eine Konsolidierung nach § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB, aufgrund der Stimmrechtsmehrheit, meist nicht möglich war. Als Beispiel wird eine zweigliedrige Gesellschaft betrachtet.[213] Gesellschafter A
(Initiator) ist nahezu allein am Vermögen und am Unternehmensergebnis beteiligt. Somit trägt Gesellschafter A annähernd alle wirtschaftlichen Chancen und Risiken. Hat nun Gesellschafter B (Investor) die Mehrheit der Stimmrechte und Gesellschafter A ist gemäß Gesellschaftsvertrag von der Geschäftsführung und/oder der Vertretung des Unternehmens ausgeschlossen, so bleibt im Ergebnis fraglich, welcher Gesellschafter die Gesellschaft zu konsolidieren hat.[214]
Gemäß § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB wäre der Gesellschafter B aufgrund der Stimmrechtsmehrheit konsolidierungspflichtig. Gesellschafter B fehlt jedoch aufgrund des Mangels einer Beteiligung am Vermögen und am Unternehmensergebnis der Gesellschaft ein eigenes wirtschaft-liches Interesse an der Gesellschaft. Gesellschafter B handelt aufgrund des Mangels des eigenen wirtschaftlichen Interesses nahezu allein im wirtschaftlichen Interesse des Gesellschafters A. Gesellschafter B handelt auch bei Ausübung seiner Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung im Vermögensinteresse des Gesellschafters A. Aufgrund dieser Konstruktion sollten die Stimmrechte des Gesellschafters B gemäß § 290 Abs. 3 Satz 1 HGB dem Gesellschafter A zugerechnet werden.[215]
In der Literatur ist bisher umstritten, ab wann der Investor, in diesem Beispiel Gesellschafter B, ein hinreichendes wirtschaftliches Eigeninteresse an der Zweckgesellschaft begründet, was eine Zurechnung an den Initiator, hier Gesellschafter A, hinfällig macht. Ein hinreichendes Eigeninteresse des Investors kann angenommen werden, wenn er nicht nur marginal an den Jahresergebnissen und dem Liquidationsüberschuss beteiligt wird. Hierbei werden Schwellenwerte für eine Beteiligungshöhe zwischen „fünf Prozent“[216] und „zehn Prozent“[217] genannt.
Diesem doch recht unbefriedigenden Rechtszustand nahm sich der Gesetzgeber in seinem RegE BilMoG an. Gemäß dem RegE BilMoG bleibt das Control-Konzept in seiner bisherigen Form erhalten, jedoch wird das Konzept der einheitlichen Leitung gemäß § 290 Abs. 1 HGB?E geändert, indem auf das Vorliegen einer Beteiligung gemäß § 271 Abs. 1 HGB verzichtet wird. Bedauerlicherweise führt die Änderung des § 290 Abs. 1 HGB-E gegenüber dem derzeit geltenden Recht nicht unbedingt zu einem abweichenden Ergebnis. Der Grund ist, dass meist die Qualifizierung einer Zweckgesellschaft als Tochtergesellschaft nach dem Konzept der einheitlichen Leitung nicht am Fehlen einer Beteiligung des Initiators scheitert, sondern an einem Nachweis der tatsächlich ausgeübten einheitlichen Leitung.[218]
Festzuhalten bleibt daher, dass Zweckgesellschaften auch nach dem RegE BilMoG zukünftig nur in ganz seltenen Ausnahmefällen nach § 290 HGB-E als Tochterunternehmen des Initiators zu qualifizieren sind. Eine Erweiterung des Konsolidierungskreises insbesondere um Zweckgesellschaften, was durch den Gesetzgeber bezweckt werden sollte, wird durch die Gesetzesänderung nur im begrenzten Maße erreicht.[219]
Das Problem hätte unter Umständen dadurch gelöst werden können, dass sich der Gesetzgeber in seinem RegE BilMoG an der internationalen Vorgehensweise nach IAS 27 und SIC 12 orientiert hätte. SIC 12 orientiert sich nicht am gesellschaftlich orientierten Control-Konzept, sondern an der Verteilung von Risiken und Chancen.[220] Es gibt jedoch auch nach SIC 12 in der Praxis Gestaltungen wonach es nicht zur Einbeziehung einer Zweckgesellschaft kommt. Somit bleibt die Konsolidierung der Zweckgesellschaften nach nationalem und internationalem Recht eine Herausforderung.[221]
Gemäß ED-SME 9.1 sind in den ED-SME Konzernabschluss, neben der Muttergesellschaft selbst, sämtliche in- und ausländischen Tochterunternehmen einzubeziehen. Mutter- und Tochterunternehmen bilden somit den Konsolidierungskreis. Tochterunternehmen sind gemäß ED-SME 9.3 Satz 1 Unternehmen, die von einem Mutterunternehmen beherrscht werden. Beherrschung ist in ED-SME 9.3 Satz 2 als die Möglichkeit definiert, die Finanz- und Geschäftspolitik eines Unternehmens zu bestimmen, um aus dessen Tätigkeit Nutzen zu ziehen. Explizit werden im ED-SME 9.3 die Zweckgesellschaften erwähnt, welche grundsätzlich
ebenfalls zu konsolidieren sind. Ergänzende und erläuternde Hinweise, welche in der IFRS Rechnungslegung in SIC 12 zu finden sind, fehlen im ED-SME.[222]
Einbeziehungswahlrechte oder Einbeziehungsverbote werden nicht im ED-SME genannt. Ein Einbeziehungswahlrecht könnte sich gegebenenfalls aus dem Grundsatz der Wesentlichkeit gemäß ED-SME 2.4 ableiten lassen.[223]
Der Konsolidierungskreis kann um Gemeinschaftsunternehmen und assoziierte Unternehmen erweitert...