2 Wie Hypnose funktioniert
Hypnose ist bei den meisten Menschen mit ziemlich wilden, manchmal magischen und manchmal sogar angsteinflößenden Vorstellungen verknüpft.
Selbst bei medizinischem Fachpersonal erlebe ich immer wieder, dass Hypnose als Scharlatanerie abgetan wird. Da heißt es dann: Bitte setzen Sie Ihren Turban wieder ab, hier ist kein Jahrmarkt. Dass ich gar keinen Turban habe, ist dann auch egal, die Vorurteile sind felsenfest. Dabei ist Hypnose in der wissenschaftlichen Welt eine anerkannte Methode zur Behandlung verschiedener Krankheiten wie Depressionen, Suchterkrankungen oder Schmerzen, aber auch im Bereich der psychologischen Beratung zu Stressbewältigung oder Aufbau des Selbstbewusstseins.
2.1 Ressourcen nutzbar machen
Wer heute professionell mit Hypnose arbeitet, wird häufig ganz oder teilweise auf die Methoden des US-amerikanischen Psychiaters und Psychotherapeuten Milton Erickson zurückgreifen. Ericksons Methode ist individuell und ermöglicht es einem, seine ganz eigenen Ressourcen nutzbar zu machen. Es gibt keinen Turban und keine in Ohnmacht fallenden Jungfrauen – aber manchmal vielleicht tatsächlich ein Pendel. Denn: Das wichtigste Prinzip von Hypnose und mit der Hypnose arbeitenden Techniken wie Autogenem Training oder Neurolinguistischer Programmierung ist Aufmerksamkeitsverschiebung. Wenn Sie Ihre Augen stark anstrengen müssen, beispielsweise um einen pendelnden Gegenstand im Fokus zu behalten, eignet sich diese Augenermüdung hervorragend, um eine hypnotische Trance einzuleiten. Ein Pendel brauchen Sie natürlich nicht unbedingt, es sieht nur ganz nett aus. Es reicht auch mit den Augen einen Punkt zu fixieren. Viele Techniken, die auf den ersten Blick esoterisch erscheinen, beruhen auf einleuchtenden, psychischen und physischen Mechanismen.
2.1.1 Placebo-Effekt
Sie haben sicherlich schon mal etwas vom Placebo-Effekt gehört. Der ist völlig zu Unrecht als wirkungslos verschrien, denn er ist im Gegenteil geradezu genial. Durch eine gut nachgewiesene, aber in Ihren Mechanismen noch nicht im einzelnen verstandene Geist-Körper-Connection können wirkstofffreie Substanzen oder Eingriffe, sogenannte Placebos, einen ähnlichen Effekt erzielen, wie Ihre kleinen bunten Kollegen der Pharmaindustrie. Großartig, oder? Und einzig ein Schwachkopf würde behaupten, dass, nur weil keine pharmakologische Wirkung vorliegt, gar keine Wirkung vorliegt. Häufig werden die Teilnehmer von Medikamentenstudien in zwei Gruppen eingeteilt: die Placebogruppe und die Gruppe, die das eigentliche Medikament bekommt. Wollte man testen, wie die unbehandelte Krankheit verläuft, könnte man sich diesen Aufwand sparen und einfach unbehandelte Patienten untersuchen. Aber das genügt eben nicht, denn der Placeboeffekt kuriert eben auch Menschen ohne die Anwesenheit arzneilichen Wirkstoffs. Hier wird also nur die Differenz untersucht, die das Medikament erreicht. Studien zu Akupunktur belegen beispielsweise, dass es sich dabei um eine wirksame Methode handelt – nur ist es für den Heilungserfolg gar nicht besonders wichtig, wo man die Nadeln einsticht (solange man niemanden damit verletzt).
2.1.1.1 Innere Bilder
Hypnose arbeitet mit genau diesem Effekt: Sie stellen sich – in Hypnose noch wirkungsvoller, weil das Unbewusste beteiligt ist – einfach innere Bilder des Zustandes vor, den Sie erreichen möchten und Ihr Körper folgt mit chemischen Signalen, um diesen Zustand zu erreichen.
Der böse Bruder des Placebos, der Nocebo, ist übrigens auch nicht von schlechten Eltern: Es gibt nachgewiesene Todesopfer von Voodoo-Flüchen. Die armen Leute sind natürlich nicht wegen der Zauberei gestorben, sondern, weil sie an Voodoo glaubten und ihr Körper ihrer innersten Überzeugung nach reagierte – ziemlich konsequent. Sie sehen also, wie wichtig es ist, dass Sie selbst immer wieder positive innere Bilder schaffen, sich umsorgen lasen, sich wohlfühlen, um Ihrem Körper zu erlauben, die inneren Prozesse zur Gesunderhaltung und Selbstheilung zu aktivieren, die in ihm schlummern. Magisch!
2.2 Alltagstrancen: Sie können Hypnose schon längst
Hypnose – das klingt ja wirklich gut. Sich in eine leichte Trance versetzen, die Aufmerksamkeit mit der für Sie passenden Technik entsprechend verschieben und ganz einfach Ressourcen und Gefühle anzapfen, die uns in einer normalen Gehirnwellenfrequenz verschlossen bleiben. Und was, wenn Hypnose nun ausgerechnet bei Ihnen nicht funktioniert? Wenn nun ausgerechnet Ihr Gehirn irgendwie nicht auf dieses Hypnoseding geeicht werden kann? Da brauchen Sie sich überhaupt keine Sorgen zu machen, denn falls Sie diesem Text hier folgen können, ihn vielleicht sogar selbständig lesen, besteht nicht der Hauch einer Chance, dass Sie sich nicht in Hypnose begeben können. Es gibt zwar tatsächlich Menschen, bei denen Hypnose nicht funktioniert, aber das sind Erwachsene mit sehr, sehr starken intellektuellen Beeinträchtigungen und auch ganz kleine Kinder. Also Menschen, die von der Konzentration und auch vom Inhalt her der Leitung des Hypnotiseurs nicht folgen können. Übrigens, diese Menschen können trotzdem Trancezustände erreichen, nur eben spontan und nicht geführt. Trancen sind ein normaler Zustand des menschlichen Lebens.
Wann Sie Hypnose nicht anwenden sollten
Es gibt eine Reihe medizinischer Befunde, bei denen manche Ärzte Ihnen von Hypnosesitzungen abraten würden. Epilepsie z. B. oder Störungen aus dem schizophrenen Spektrum. Es kann also nie schaden, wenn Sie sich noch das Okay Ihres Arztes geben lassen, falls Sie wegen irgendeiner Krankheit in Behandlung sind oder waren, besonders wegen einer psychischen Erkrankung. Diese Vorsichtsmaßnahmen haben allerdings nichts damit zu tun, dass Hypnose beispielsweise bei Epileptikern nicht funktionieren würde, sondern dass es eben unter Umständen zu einem Anfall oder anderen negativen Folgen kommen könnte. Vorsicht auch bei schwachem Kreislauf.
2.2.1 Jeder war schon mal in Trance
Aber wie wissen Sie denn nun, dass Hypnose bei Ihnen selbst tatsächlich geht? Ganz einfach: Sie waren in Ihrem bisherigen Leben schon viele, viele Male in einem hypnotischen Trancezustand – wahrscheinlich ohne es zu wissen. Die meisten Erwachsenen haben heute einen Führerschein. Sie auch? Dann kennen Sie vielleicht das Phänomen: Jeden Tag fahren Sie eine bestimmte Strecke. Sagen wir, ins Büro. An einem Morgen allerdings haben Sie sich freigenommen und wollen stattdessen Ihr Auto in die Werkstatt bringen. Sie fahren los und stehen wenig später – vorm Büro. Huch. Das ist die sogenannte Autofahrer-Trance.
Autofahrer-Trance: Sobald Sie sich ins Auto setzen, findet eine Aufmerksamkeitsverschiebung statt. Sie hängen Ihren Gedanken nach, während Ihr Körper auf einer bekannten, wenig aufregenden Strecke sehr zuverlässig das Auto für Sie lenkt. Sie können sich zwar nicht mehr genau daran erinnern, wie Sie zum Büro gekommen sind, aber da Sie die Strecke ja wie Ihre Westentasche kennen, wird Ihnen diese Erinnerungslücke kaum bewusst. Und was, glauben Sie, was wäre gewesen, wenn Ihr Vordermann stark gebremst hätte oder Ihnen ein Reh vors Auto gesprungen wäre, hätten Sie dann rechtzeitig gebremst? Ja, natürlich, genauso wie Sie den Blinker gesetzt haben und nicht in den Graben gefahren sind, denn ein bestimmter Teil Ihres Bewusstseins war ja die ganze Zeit anwesend. Den anderen Teil, den, der ganz entspannt gerade darüber nachgedacht hat, ob Sie der letzte Mensch auf dem Planeten sind, der noch nie mit Chia-Samen gekocht hat, diesen Teil hätte sich Ihr Autofahrerbewusstsein im Bedarfsfall blitzschnell wieder dazu organisiert. Nur Mut – Sie eignen sich ideal für Hypnose! Legen Sie einfach los!
2.3 Sprachmagie anwenden – mit Wörtern heilen
Neue Wörter für neue Konzepte! Alter Wein in neuen Schläuchen? Denn ist es nicht egal, wie wir etwas nennen? Das macht in der Sache ja keinen Unterschied. Doch. Das tut es. Und zwar ganz gewaltig. Denken Sie nur mal an eines der meistgebrauchten Wörter im Zusammenhang mit Geburt: die Wehe. Durch unsere bisherige Lebenserfahrung verbinden wir Geburt in der Regel mit Schmerzen. Ob Film, Buch oder persönliche Geschichten: Überall tut Geburt schrecklich »weh«. Benutzen wir nun das Wort »Wehe«, verstärken wir unwillkürlich unsere Schmerzerwartung. Die Schmerzerwartung ist aber einer der wichtigsten Teile in der Entstehung von Schmerz. Denken sie an die Voodoo-Opfer … Und es gibt Experimente, in denen den armen Teilnehmern glaubhaft versichert wurde, ihre Hand werde nun für einige Sekunden in kochendes Wasser gesteckt, das in Wahrheit Zimmertemperatur betrug. Ergebnis: Alle berichteten von starken Schmerzreizen, bei vielen war die Hand stark gerötet, einige wiesen sogar Brandblasen auf....