Natürliche Bewegung unterstützen
Babys wollen von Anfang an aktiv sein. Wenn wir sie nicht einfach bewegen, sondern ihnen helfen, selbst aktiv zu werden, sind sie entspannter, gelöster, ruhiger und zufriedener.
Hilf mir, mich selbst zu bewegen
Wir Erwachsenen bewegen die Kleinen häufig so, wie wir es selbst tun. Das ist nicht immer gut für ein Kind.
Beobachten wir unser Baby zum Beispiel in Rücken- oder Bauchlage: Es sucht zunächst einen Platz, an dem es seine Körperspannung, die Muskelspannung so regulieren kann, dass es ihm möglich wird, zur Ruhe zu kommen. Das ist die Voraussetzung dafür, dass es etwas anderes aufnehmen oder tun kann.
Das Baby möchte mitmachen
Sehen Sie sich einmal aufmerksam selbst dabei zu, wie Sie bei ganz alltäglichen Tätigkeiten mit Ihrem Kind umgehen – etwa, wenn Sie es heben, ins Bettchen legen oder wickeln.
Heben oder bewegen?
Nehmen wir ein Kind aus seinem Bettchen oder aus dem Autositz, so fassen wir es häufig seitlich am Brustkorb unter den Achselhöhlen und heben es hoch.
Dabei erfährt das Kind eine Bewegung, die es auch später selbst nie ausführen kann. In der Schwerkraft ist diese Haltung auf den Körper bezogen verwirrend: Einerseits hängen Becken und Beine des Kindes ungestützt nach unten, gleichzeitig ziehen die Hände des Betreuenden Kopf und Brustkorb nach oben. Darauf kann das Kind nur mit erhöhter Spannung reagieren. Es zieht nicht nur sichtbar die Beine an, sondern reagiert mit seinem gesamten Muskelspannungsnetz. Das ist zwar eine Fähigkeit der Anpassung, hilft dem Kind aber nicht zu verstehen, wie es sich gut in der Schwerkraft organisieren kann.
Wir sprechen von selbstkontrollierten Bewegungen, wenn ein Kind sich so bewegen kann, wie es das selbst tun würde, wenn es das bereits könnte. Wenn wir es auf den Arm nehmen oder zu einem Partner geben oder in den Kinderwagen legen, achten wir darauf, dass wir der Anatomie des Kindes folgen und es so bewegen, dass es immer in Kontakt mit der Unterstützungsfläche ist und zuletzt mit den Füßchen den Untergrund verlässt (Bilder 1,2,3).
Dabei eignen sich Brustkorb und Becken des
Kindes perfekt für unseren Kontakt mit dem Kind. Das Kind bekommt in der Aktion eine Unterstützung, sodass nicht wir Erwachsenen allein mit ihm etwas tun, sondern dass es ihm ermöglicht wird, sich aus sich heraus zu bewegen. Es kann seine Spannung selbst regulieren, vielleicht kann es die Aktion sogar beeinflussen. Es entsteht ein Prozess von Führen und Folgen.
ENTSPANNT SIND WIR SENSIBLER
Wissenschaftliche Versuche haben bewiesen, dass wir Reize besser aufnehmen, wenn der Körper in einem entspannten Zustand ist.
Haben wir bereits eine hohe Spannung (durch Anstrengung, Zeitdruck, Leistungsdruck, Aufregung), sind wir weniger sensibel für die Informationen von außen. Es dauert länger, bis wir Signale aufnehmen, verstehen und darauf reagieren können.
Was kann Weinen bedeuten?
Manchmal reagieren Kinder insbesondere auf ein Zuviel an Reizen mit Weinen. Darin lassen sie sich dann nur schwer beruhigen. Die Spannung steigt bei Kind und Betreuungsperson. Wahrscheinlich sind Faktoren zusammengetroffen, die die Kleinen nicht mehr anders regulieren können als mit Weinen. Vielfältig sind die Ursachen, die wir auf den ersten Blick nicht immer verstehen. Oft sind es einfache Gründe wie Überwärmung durch zu warme Kleidung, andere häufige Gründe finden Sie auf den folgenden Seiten.
Schreien ist ein gesundes Signal dafür, dass etwas nicht richtig ist.
Wie reagieren auf Weinen und Schreien?
Nehmen wir das Kind zu uns und sprechen ruhig mit ihm, so kann das bereits ausgleichend wirken. Wenn wir uns nicht ebenfalls anspannen, wenn wir uns nicht aufregen, nimmt es die ruhigen Signale wahr und spürt: »Es ist alles in Ordnung.« Es kann aber auch sein, dass sich ein Kind schon so in Rage geschrien hat, dass ein einfaches Aufnehmen nicht reicht. Wahrscheinlich verwirren die vielen Informationen so sehr, dass das Baby sich nicht mehr ausreichend spürt. Man kann wirklich sagen: »Das Kind ist außer sich.«
Nehmen Sie Ihr Kind zärtlich zu sich, summen Sie, flüstern Sie ihm etwas zu und versuchen Sie es mit gemeinsamen tanzenden Bewegungen.
Lässt Ihr Kind sich dort nicht beruhigen, bieten Sie ihm eine eigene Bewegung an: Wahrscheinlich hat Ihr Kind gerade eine ziemlich hohe Muskelspannung. Wie Sie es bereits beim Aufnehmen erfahren haben, ist eine Hand am Brustkorb und eine am Becken Ihres Kindes. Die Füße Ihres Kindes haben am besten Kontakt zu Ihrem Bein oder einer anderen Fläche. Es ist relativ aufrecht in seiner Haltung.
Nun beginnen Sie sich an die Spannung des Kindes anzupassen und bringen kleine tanzende Bewegungen in sein Becken (>). Dieses bewegt sich damit unabhängig vom Brustkorb. Sie merken jetzt schon, dass Ihr Kind »weicher«, beweglicher wird und ein kleines bisschen nachgibt.
Eine Möglichkeit, ein schreiendes Kind mit hoher Muskelspannung zu beruhigen: Eine Hand stützt den Brustkorb, die andere bringt das Becken in kleine tanzende, entspannende Bewegungen.
TIPP
Oft ist es hilfreich, den Ort zu wechseln, wenn sich Ihr Kind nicht beruhigen lässt.
Nehmen Sie Ihr Kind auf den Arm und wechseln Sie in ein ruhiges Zimmer oder gehen Sie in den Garten mit ihm.
Aufrecht und gut gehalten beruhigt sich manches Baby schneller.
Überstrecken als Ursache für Weinen
Das Steifmachen oder Überstrecken und anschließendes Weinen können unterschiedliche Ursachen haben.
- Bei Kindern ohne Auffälligkeiten passiert es häufig, dass sie sich steif machen und überstrecken, wenn man sie aus der Rückenlage hochnimmt, ohne sie vorher auf die Seite gedreht zu haben.
- Vor allem aber sind es Kinder mit einer auffälligen Entwicklung, die sich oft überstrecken, zum Beispiel Kinder mit einer Verschiebung in den oberen Kopfgelenken (KISS-Kinder). Das Kind hat schlichtweg Schmerzen im Hals-Nacken-Bereich. Es ist kaum möglich, das Kind auf den Bauch zu legen. Hier hilft sehr wirkungsvoll die Osteopathie.
- Auch Frühgeborene überstrecken sich oft. Stundenlang liegen sie im Inkubator oder im Wärmebettchen auf dem Rücken. Bedingt durch die Schwerkraft richten sich die Muskeln zur Unterlage aus, in die Richtung, aus der der Druck kommt. Ihre Muskeln sind bei der Geburt noch nicht vollständig ausgereift. Kinder, die zeitgemäß geboren werden, haben in den letzten Wochen den Druck der Gebärmutter, die dreidimensional auf die Ausbildung der Muskulatur wirkt. Ein Kind, das zu früh auf die Welt kommt, erhält dagegen nur den Druck von unten, von der Unterlage. Dementsprechend erhöht sich die Spannung der Muskeln im Rückenbereich. Das Kind hat keine Muskelbalance zwischen den rückwärtigen und vorderen Muskelgruppen. In den späteren Monaten reagiert das Kind dann häufig mit einer erhöhten Körperspannung im Rückenbereich. Das Tragen von Frühchen im Tuch fördert den dreidimensionalen Druck und bietet einen Ausgleich zu dem entbehrten Druck der Gebärmutter.
Überstreckte Kinder schreien oft und sind mit sich und der Welt nicht im Gleichgewicht. Die Rückenmuskulatur, die Rückenstrecker, weisen eine erhöhte Muskelspannung auf. Die vordere und hintere Rumpfmuskulatur sind nicht ausbalanciert. Die Bauchmuskulatur kommt unter Zug und kann über den Magen-Darm-Trakt auch Bauchschmerzen auslösen.
Durch die Überstreckung auch in der Rückenlage ist kaum Blickkontakt mit dem Kind möglich. Da das Kind noch nicht realisieren kann, dass seine Bezugsperson trotzdem direkt vor ihm steht, hat es das Gefühl, dass es ganz alleine auf dieser Welt ist. Es fängt bitterlich an zu weinen.
Eine Überstreckung des Körpers erschwert die normale Entwicklung. Die fehlende Muskelbalance lässt eine stabile Rücken- wie Bauchlage nicht zu. Das Kind ist ständig bemüht, seine Haltung zu bewahren. Dies erhöht die allgemeine Muskelspannung immer mehr und bringt das Kind aus seinem physischen und emotionalen Gleichgewicht. Das Kind schreit über Stunden, lässt sich sehr schwer beruhigen und entwickelt sich insgesamt zögerlich.
KÄNGURUHEN
Gerade bei Frühchen ist das Känguruhen so wichtig, das auch in den Kliniken heute betrieben wird: Die Winzlinge dürfen in Bauchlage auf dem nackten Oberkörper der Mutter oder des Vaters liegen und können dabei wunderbar entspannen.
Was tun, wenn sich mein Kind überstreckt und weint?
Auch hier nimmt man das Kind am besten auf, wie auf > beschrieben. In dem Zusammenspiel von Spannung und Entspannung lernt es, sich zu steuern, und beginnt sich wieder mehr zu spüren. Es erfährt sich in der Bewegung und findet allmählich zu sich zurück – es ist wieder mit sich in...