2 Fit for Work
Abteilungsleiter, 48, verheiratet, Student
Thesen
Viele ältere Mitarbeiter fürchten sich vor Weiterbildung. Es gehört zu den Aufgaben von HR, ihnen die Angst zu nehmen.
Zu einer akademischen Weiterbildung motivieren lässt sich nur durch das Aufzeigen konkreter, beruflicher Perspektiven.
Jenseits der 40 ist ein kompletter beruflicher Neustart schwierig. Aber er ist nicht unmöglich.
„Ich wäre gern nochmal Anfang 20, aber mit dem Wissen und der Erfahrung von heute.“ Wer hat diesen Satz noch nie von Mitarbeitern oder Kollegen jenseits der schwäbischen Weisheitsgrenze von 40 Jahren gehört. Nicht im offiziellen Gespräch natürlich, aber gern abends nach einem Seminar an der Bar oder bei halbprivaten Gesprächen auf Firmenveranstaltungen.
Dahinter steckt oft das Gefühl, etwas versäumt, nicht genug erreicht oder das Falsche gemacht zu haben. Oder die diffuse Resignation, dass längst alle Weichen gestellt, alle Fixpunkte gesetzt, alle erreichbaren Ziele erreicht sind. „Was soll jetzt noch groß kommen?“, fragt man sich rhetorisch, denn an der Antwort lässt sich nicht rütteln. Ich habe meinen Beruf. Meine Entwicklungsmöglichkeiten sind absehbar. Karriere? Ach Gott, was ist schon Karriere. Viel kommt da nicht mehr.
Doch im grellen Licht der Arbeitswelt betrachtet haben Akademiker mit Anfang 40 noch den größeren Teil ihres aktiven Arbeitslebens vor sich. Denn die meisten sind erst mit Mitte, Ende 20 in den Beruf eingestiegen und können erst mit 67 Jahren der staatlichen Pension entgegensehen – wer weiß, vielleicht sogar noch später. Das aber bedeutet: Mit Anfang, Mitte, Ende 40 zu resignieren, ist fahrlässig. Zwar wird sich kaum jemand in diesem Alter noch einmal komplett neu erfinden und beruflich ganz andere Wege gehen (wenngleich es auch solche Fälle gibt, und sie sind gar nicht mal so selten). Doch wer als Arbeitnehmer oder sogar als Selbstständiger auf dem Arbeitsmarkt attraktiv bleiben möchte, tut gut daran, genau jetzt noch einmal zu prüfen, welche Möglichkeiten für ihn persönlich bestehen, sich und seine berufliche Qualifikation weiterzuentwickeln.
„Für einen Neustart ist 40 ein gutes Alter.“
Eigentlich wäre für viele Menschen Anfang bis Mitte 40 ein optimaler Zeitpunkt, um die beruflichen Weichen für die nächsten Jahre zu stellen oder neu zu justieren. Die Kinder sind zwar vielleicht noch nicht aus dem Haus, aber aus dem Gröbsten raus. Die eigenen Eltern sind zwar meist schon verrentet, aber in der Mehrzahl der Fälle körperlich, geistig und finanziell fit genug, um für sich selbst zu sorgen. Gründe für eine Neubesinnung gäbe es genug. Möglichkeiten – wenn man denn danach sucht – auch.
Oft ist das größte Hindernis die fehlende Motivation. Wenn dann der sich genüsslich in seinen gewohnten Bahnen räkelnde innere Schweinehund auch noch mit vermeintlich vernünftigen Argumenten gefüttert wird, ist der Zug eigentlich schon abgefahren.
Wer zwischen 40 und 50 ist, hat viel gelernt und geleistet und auch schon einiges erreicht – und ist sich dessen auch bewusst. Jetzt noch einmal zu studieren, passt für viele nicht ins Bild. Im besten Fall hat sich zu einer fundierten Ausbildung oder einem erfolgreich abgeschlossenen Studium eine ganze Reihe an Jahren der Berufserfahrung gesellt. Wenn die Karriere bislang gut gelaufen ist, man sich mittendrin fühlt und die konkrete Veranlassung zur Rückkehr auf die Schulbank fehlt – ja, was soll’s dann? Steht einem der Platz, auf dem man jetzt steht, nicht etwa zu? Würde man im Gegenteil mit einer Weiterbildung nicht den Kollegen und Vorgesetzten beweisen, dass man sich für schlecht gerüstet hält, um die nächste Reorganisation zu überstehen? Und wenn man sich selbst für einen Abstiegskandidaten hält – warum sollten die anderen das nicht auch glauben?
Das Problem bei der Selbsteinschätzung als weiterhin aufstiegsfähiger Mitarbeiter ist die moderne Definition des Leistungspotentials als Summe von fachlichen, methodischen und persönlichen Skills plus Erfahrung. Während das Fachwissen in atemberaubender Geschwindigkeit zu veralten beginnt, in der Regel bereits wenige Jahre nach Abschluss einer Ausbildung, gewinnen einschlägig beschäftigte Arbeitnehmer mit jedem Lebensjahr an beruflicher Erfahrung hinzu. Wer länger auf dem gleichen Gebiet tätig ist, kann also nach seinem Empfinden zumindest beim letzten Teil der Definition punkten.
In diesem Sinne selten offen zugegeben, aber weit verbreitet ist die Überzeugung, der Zugewinn an beruflicher Erfahrung („die Jahre“) kompensiere in den Augen der Arbeitgeber den Verlust an zeitgemäßem Fachwissen („das Know-how“). Mit steigendem Lebensalter wächst der Stolz, es „so weit“ gebracht zu haben, und übertönt die Furcht, in fachlicher Hinsicht nicht mehr mit dem Nachwuchs mithalten zu können. Angesichts der rasanten Veränderungen auf nahezu jedem wissenschaftlichen Gebiet ist diese Sorge jedoch vollkommen berechtigt. Das Wissen eines Akademikers, der vor fünf Jahren sein Examen abgelegt hat, entspricht dem eines fortgeschrittenen Studenten.
„Die Jahre“ allein bieten folglich längst keine Garantie mehr, eine Karriere stetig und bis ins hohe Alter fortsetzen zu können. Die Gewichte der Summanden in der Gleichung „Karriere = Fachwissen + Methodenwissen + persönliche Skills + Erfahrung“ haben sich in den vergangenen Jahrzehnten erheblich verschoben. Stand noch etwa vor einer Generation die berufliche Erfahrung im selben Rang wie das Fachwissen, so weisen Unternehmen heute dem taufrischen Hochschulwissen eine weit größere Bedeutung zu. Infolgedessen entscheiden sich Arbeitgeber im Zweifel lieber für den jüngeren Kandidaten mit dem aktuelleren Wissen als für den an Berufserfahrung reichen. Für Vorstandspositionen zum Beispiel präsentieren Personalberater kaum mehr Manager jenseits von fünfzig Jahren. (Managerinnen freilich schon, doch das hat andere Beweggründe.) Auch die Inhaber von mittleren Führungspositionen werden nicht nur dem Gefühl nach immer jünger. Teamleiter von Mitte bis Ende 20 sind heute ebenso an der Tagesordnung wie Abteilungs- und Bereichsleiter von Mitte 30. Hieraus ist die harte, aber wahre Schlussfolgerung zu ziehen: Wer es bis Ende 40 nicht zum Bereichsleiter eines Konzerns oder in die Spitzenriege eines kleineren Unternehmens geschafft hat, wird sich ohne gezielten Wissensneuaufbau schwer tun, seine Karriere im gewohnten Tempo fortzusetzen. Jedenfalls nicht, solange wir an der bestehenden Definition der Karriere festhalten.
„Nur wenige investieren noch einmal in Bildung.“
Aus dem Vorhergegangenen sollte klar geworden sein, dass es für einen Mittvierziger bis zum Ruhestand noch ziemlich lange hin ist. Wer nicht aus schmerzhaften Gründen wie Jobverlust, Umstrukturierungen oder Berufsunfähigkeit zu einer Neupositionierung gedrängt wird, kommt von alleine selten auf die Idee, ausgerechnet in der Blüte seiner Jahre noch einmal Zeit und Geld in die eigene Bildungskarriere zu investieren. Schon gar nicht mit einem Hochschulstudium. Das Thema ist entweder erledigt, viel zu hoch gegriffen oder schlichte Spinnerei. Und bringt doch nichts. Ob man es schafft, steht auch in den Sternen. Aber das flüstert man nur insgeheim in sich hinein.
Ob und wann man vielleicht doch mit dem Gedanken an eine Weiterbildung spielt, hängt von der Persönlichkeit und den individuellen Gegebenheiten ab. Wenn es schlecht gelaufen ist, ist man mit Mitte 40 weit entfernt vom Ziel seiner einstigen beruflichen Träume. Doch damit hat man sich abgefunden. Es geht doch auch so! Bis zum Eintritt ins Rentenalter wird zwar noch einige Zeit ins Land gehen, die wird aber irgendwie auch noch herumgehen. Noch einmal in die eigene Bildung zu investieren, scheint sinnlos. Zu groß scheint die Gefahr, Jahre um Jahre in ein Studium zu investieren, um letztlich doch mit leeren Händen dazustehen. Es lernt sich ja auch viel schwerer, wenn man ein bisschen in die Jahre gekommen ist. Viele trauen sich nicht zu, mit den jungen Leuten mithalten zu können. Lieber bleiben sie – Unzufriedenheit hin, ungestillter Ehrgeiz her – im vertrauten Umfeld mit den vertrauten Aufgaben.
„Stillstand ist Rückschritt.“
Etwa ab dem 55. Geburtstag beginnt dann die Uhr zu ticken, die die Zeit bis zum Rentenalter misst. Viele arbeiten nun lieber an ihrem Golfhandicap oder erkunden die Welt, als dass sie ihr Fach- und Führungswissen noch einmal à jour bringen wollen. Wer auf einer unteren Managementebene hängengeblieben ist und die Hoffnung auf einen weiteren Aufstieg begraben hat, trainiert nun lieber für den New-York-City-Marathon, als sich um den Erhalt und die Weiterentwicklung der eigenen Qualifikation zu bemühen. Warum auch: Das, was man gelernt hat, scheint sicher und bewährt. Die finanzielle Situation gibt keinen Anlass zur Sorge. Man hat sich in seinem Leben eingerichtet. Diese Komfortzone zu verlassen, um neue Methoden, neue Analysewerkzeuge zu lernen, schon gar in einem Studium, scheint abwegig. Wer weiß schließlich auch, ob sich das für die paar Jahre überhaupt noch lohnt. Sollen sich doch die Jüngeren profilieren. Man selbst hat schließlich bewiesen, was man kann, und begnügt sich mit der Ehre, als väterlicher oder mütterlicher Berater dem Nachwuchs die Arbeitswelt zu erklären.
Nun gut, aber man liest immer öfter ähnliches wie: Im Leben zwei oder mehr Berufe nacheinander auszuüben, werde für viele Arbeitnehmer künftig zur Selbstverständlichkeit werden. Für die kommenden Jahre und Jahrzehnte wird ein weiter zunehmender Bedarf an Hochschulabsolventen prognostiziert, der mit...