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Bedeutung und Hebel des Einkaufs
Strategische Bedeutung des Einkaufs
Einkauf als Nahtstelle zwischen interner und externer Wertschöpfung
Als Mittler und Drehscheibe zwischen interner und externer Wertschöpfung trägt der Einkauf ganz wesentlich zum Geschäftserfolg bei, wenn es ihm gelingt, neben den Kosten auch den Kundennutzen sowie Aspekte des Zeitwettbewerbs erfolgreich in den Fokus zu nehmen. Dem Einkaufscontrolling kommt die Aufgabe zu, den Einkauf bei der Verfolgung dieser Ziele zu unterstützen und kritisch zu begleiten.
Kostenfokus – Wettbewerbsvorteile durch Kostenführerschaft: Der Einkauf hat die Aufgabe, Kostenvorteile aufzuspüren und konsequent auszuschöpfen. Zunächst sind dies die Kosten zugekaufter Leistungseinheiten. Des Weiteren sind die Kosten des Leistungserstellungsund Bereitstellungsprozesses mit in die Kostenbetrachtung einzubeziehen. Aspekte der Kostendegression über die Dauer und Breite der Nutzungsmöglichkeiten der bereitgestellten Ressourcen sollten ebenso berücksichtigt werden.
Zunächst sind damit kostenrechnerische Konzepte wie das TCO und das Life-Cycle-Costing (LCC) angesprochen. Zugleich stellt sich die Frage, wie der Einkauf mittels spezifischer Einkaufsstrategien nachhaltige Kostenvorteile generieren kann. Folgende Kostensenkungsstrategien sind im Blick zu halten:
1. Economies of Scale – Kostenreduzierung durch Mengeneffekte,
2. Economies of Scope – Kostenreduzierung durch Nutzung von Verbundeffekten,
3. Economies of Learning & Quality – Kostenreduzierung durch kontinuierliche Verbesserungsmaßnahmen und Wertstromoptimierungen sowie
4. Economies of Speed – Reduzierung der Entwicklungskosten durch Kompression der Entwicklungszyklen mittels Simultaneous Engineering.
Kundennutzen – Wettbewerbsvorteile durch Alleinstellungsmerkmale: Hier leistet der Einkauf – meist in cross-funktionaler und unternehmensübergreifender Zusammenarbeit – einen Beitrag zur Erarbeitung einzigartiger vermarktungsfähiger Leistungen durch bestmögliche Nutzung des Wertschöpfungsnetzwerkes. Dies setzt eine klare Kommunikation nach außen hinsichtlich des zu befriedigenden Bedarfs und nach innen hinsichtlich des Leistungsvermögens von Lieferanten voraus. Nur so gelingt es, einerseits mit Lieferanten und internen Kunden spezifische Problemlösungen zu erarbeiten und andererseits die Technologie- und Ideenpotenziale des Beschaffungsmarktes effektiv auszuschöpfen.
Zeitwettbewerb – Wettbewerbsvorteile durch Geschwindigkeit und kurzfristige Anpassungsfähigkeit: Im Sinne einer kurzen Time-to-Market (TTM) sind Entwicklungsprojekte und -prozesse so zu beherrschen, dass man mit Innovationen möglichst schneller am Markt ist als die Wettbewerber. Zudem muss der Einkauf seinen Beitrag dazu leisten, dass im Markt eingeführte Produkte dem Kunden mit einer marktadäquaten Lieferperformance bereitstehen und gleichzeitig flexibel auf variierende Kundenwünsche eingegangen wird.
Dem Einkäufer als Dienstleister und Schnittstellen-Manager zwischen interner und externer Wertschöpfung kommt zudem eine Scout-Funktion zu. Er leitet aktuelle Beschaffungsmarktinformationen – beispielsweise hinsichtlich neuer Technologien und kreativer Problemlösungen innovativer Lieferanten – seinen internen Kunden umgehend zu und sichert dem Unternehmen so frühzeitig Wettbewerbsvorteile, bevor Wettbewerber auf diese zugreifen können. Nimmt der Einkauf seine Funktion als Dienstleister seiner internen Kunden richtig wahr, leistet er einen erheblichen Beitrag zur Optimierung der Marktversorgung der Kunden des Unternehmens mit Produkten und Dienstleistungen und damit zur Steigerung der Marge (vergleiche Porter 1985).
Einfluss des Einkaufs auf die Triebkräfte des Wettbewerbs
Die strategische Mitverantwortung des Einkaufs ist um zusätzliche controllingrelevante Dimensionen zu erweitern: das kontinuierliche Chancen- und Risikomanagement, insbesondere unter dem Aspekt der Markt- und Wettbewerbsdynamik.
Der moderne Einkauf unterstützt Management und Controlling bei der Beantwortung folgender strategisch bedeutsamer Fragen: Wie sichern wir den Bezug erfolgskritischer Engpassteile? Wie schöpfen wir zielsicher Potenziale des Beschaffungsmarkts aus? Wie verhalten wir uns bei entstehenden Abhängigkeiten von Lieferanten? Wie werden Local Content Vorschriften zur Unterstützung der Verkaufsaktivitäten in attraktiven Exportmärkten durch den Einkauf unterstützt? Welche Rolle spielt der Einkauf beim Aufbau eines Lieferantennetzwerkes für Produktionsstandorte in attraktiven Export- beziehungsweise Produktionsmärkten? Auf welche attraktiven Best Cost Countries setzen wir beim Global Sourcing? Und wie bewältigen wir diese Aufgaben mit limitierten personellen Ressourcen des Einkaufs?
Zusammenfassend kann man konstatieren, dass der Einkauf die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens (vergleiche Porter 1985) maßgeblich beeinflusst (vergleiche Abbildung 2). Dabei muss sichergestellt sein, dass der Einkauf die Informationen erhält, die notwendig sind, um seine soeben beschriebene Rolle auch wahrzunehmen.
Abbildung 2: Beeinflussung der Triebkräfte der Wettbewerbsfähigkeit durch den Einkauf (in Anlehnung an Porter 1985, S. 6)
Um den Einkauf als strategischen Hebel zur Umsetzung der Unternehmensstrategie zu nutzen, bedarf es zweierlei: erstens einer klaren und konsistenten, aus der Unternehmensstrategie abgeleiteten Einkaufsstrategie und zweitens einer konsequenten Umsetzung der gewählten Einkaufsstrategie mit dem stets notwendigen strategischen Feedback. Diesen Prozess der Strategiefindung und -umsetzung kritisch zu begleiten, ist eine der wesentlichen Kernaufgaben des strategischen Einkaufscontrollings.
Strategiefokussierter Einkauf – schlüssige Ableitung der Einkaufsstrategie
Wenn Unternehmensziele und deren planmäßige Umsetzung im Mittelpunkt der Controllingaktivitäten stehen, stellt sich die Frage nach den spezifischen strategischen Einkaufszielen. Aufgrund seiner herausragenden Stellung im Wertschöpfungsprozess muss man vom Einkauf einen erheblichen Beitrag zum Wertschöpfungsmanagement erwarten und einfordern. Von einem modernen,strategiefokussierten Einkauf wird daher erwartet, dass er sich die in Abbildung 3 formulierten strategischen Positionen und Optionen zu eigen macht.
Abbildung 3: Strategische Einkaufspositionen
Strategisches Einkaufscontrolling muss konsequenterweise an diesen Positionen und Optionen anknüpfen und sicherstellen, dass sie mit der Unternehmensstrategie rückgekoppelt werden, um dann konsequent in Einkaufsstrategien und -ziele transformiert zu werden. Dazu ist es erforderlich, dass sich Einkaufsmanagement und Einkaufscontrolling intensiv mit der Unternehmensstrategie auseinandersetzen.
Was bedeutet dies für das Einkaufscontrolling? Einkaufscontroller müssen das Management darin unterstützen, die Unternehmensstrategie so aufzubereiten, dass die handelnden Akteure im Einkaufssystem diese verstehen und strategiekonform in konkrete Einkaufsaktivitäten umsetzen können. Zugleich müssen Einkaufscontroller in der Lage sein, kompetent zu kommunizieren, welchen Beitrag der Einkauf leisten kann, um diese Strategie erfolgreich zu unterstützen.
Einkaufscontroller müssen es verstehen, strategierelevante Einkaufs-Performance-Kennzahlen zu identifizieren und messbar zu machen, um so die Voraussetzungen für entsprechend widerspruchsfreie Anreizsysteme für den Einkauf zu schaffen. Indem sie einen strategischen Bezugsrahmen herstellen, leisten sie auch einen Beitrag dazu, dass sich die Einkaufsakteure intensiv mit strategischen Einkaufsthemen befassen. Schließlich haben Einkaufscontroller die Aufgabe, zu prüfen, ob und wie Budgets und verfügbare Ressourcen des Einkaufs auf die operativen und strategischen Aufgabenstellungen zugeschnitten sind.
Dass diese Voraussetzungen der Strategieableitung in vielen Unternehmen nicht immer gegeben sind, belegen zahlreiche Studien zur Umsetzung von Strategien (vergleiche Niven 2002). Erst wenn der Einkauf Vision und Mission des Unternehmens, die Markt- und Kundenerwartungen, die Wettbewerbssituation und das daraus abgeleitete Produktund Service-Portfolio mit allen Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken kennt, wird er in der Lage sein, eine schlüssige und konsistente Einkaufsstrategie abzuleiten (vergleiche Abbildung 4) und konsequent Stück für Stück umzusetzen (vergleiche Wagner 2004).
Abbildung 4: Von der Unternehmensstrategie zur Einkaufsstrategie (nach Wagner 2004, S.108 f.)
Zur Kommunikation der Einkaufsstrategie ist es sinnvoll, eine die Unternehmensstrategie unterstützende Einkaufsvision und -mission zu formulieren. Auf dieser Basis lassen sich die Erwartungen der internen Kunden an den Einkauf konkretisieren, um diese dann mit der aktuellen Ausgangssituation im Einkauf abzugleichen. So erhält man ein konkretes Bild der Stärken und Schwächen der Einkaufsorganisation sowie der potenziellen Chancen und Risiken des Beschaffungsmarktes. Erst jetzt ist man in der Lage, eine schlüssige Einkaufsstrategie zur Hebung externer und...