Kapitel 1
Was Sie vor der Realisierung eines Bauprojekts bedenken sollten
In diesem Kapitel geht es darum, sich intensiv mit gewissen Fragen zu beschäftigen, zum Beispiel: Was kann ich mir realistisch und locker leisten? Was (hinsichtlich Größe und Flächen) brauche ich wirklich? Wie finanziere ich mein Vorhaben? Wo liegen die größten Fallen für ein Scheitern?
Lassen Sie mich mit einem modernen Märchen beginnen: Es war einmal eine Familie mit fünf Kindern. Der Vater ging als Angestellter im öffentlichen Dienst einer einfachen Arbeit nach, die Mutter kümmerte sich um den Nachwuchs. Kurz nach der Geburt des fünften Kindes gingen die Eltern wieder schwanger – diesmal mit dem Gedanken an ein eigenes Haus.
Man rechnete und rechnete, bezog die Arbeitsleistung des noch jungen Opas als Eigenleistung mit ein, addierte das Kindergeld und Förderungen des Staates für kinderreiche Familien hinzu, wusste in etwa, was das Haus inklusive Bauland kosten sollte – und schon war die Realisierung in greifbare Nähe gerückt. Die sensationell niedrigen Zinsen befeuerten den Traum zusätzlich.
Gespräche mit Banken, der Verkäuferin eines Bauträgers, der das Fertigteilhaus auf einen konventionell zu errichtenden Keller stellen wollte, und einer Architektin folgten, dann die Berechnung aller Zahlen – und – Strahlen. Die Familie war im siebten Himmel, endlich sollte es für alle eine schöne Bleibe mit Garten drum herum geben, himmlisch.
Vielleicht lag es am Lärm der Kinder, vielleicht auch an zu viel Träumerei – die warnenden Rufe wurden nicht gehört: Und was ist, wenn Opa ausfällt? Wenn sich die Architektin verrechnet hat? Wenn mit dem Baugrund etwas nicht stimmt? Ach, immer diese Wenns. Irgendwie wollte man an dem Traum festhalten, wollte keine Details wissen, die das Vorhaben möglicherweise infrage stellen könnten.
Und dann nahm das Schicksal seinen Lauf: Opa starb an einem Dienstag. Er fühlte sich in der Arbeit nicht wohl, wollte zum Arzt – ist aber nie dort angekommen.
Die Architektin hatte sich verrechnet. War von idealen Annahmen und einem normalen Baugrund ausgegangen, obwohl die gewählte Gegend bekanntermaßen meist felsig war. Bewusst? Fahrlässig? Genau wollte das zu diesem Zeitpunkt noch niemand wissen, schon gar nicht der Bauträger. Wer wollte schon erkennen, welche Gründe dahintersteckten? Ein Fehler kann ja jedem passieren.
So ging es weiter: Der Baugrund war also felsig und wasserundurchlässig. Diesen zu entfernen – besonders wenn das Kellergeschoss in Hanglage tief eingebunden werden muss –, kostet Geld, viel Geld. Und wohin mit dem Wasser aus dem Baugrund? In den öffentlichen Kanal? Ging nicht, war nicht zulässig. Der Bauträger schlug vor, den Keller in Art einer Weißen Wanne zu bauen, also wasserundurchlässig. Zudem sollte der Keller nicht mehr so tief in den Baugrund gesetzt werden, das würde Aushub sparen. Diese Idee war nicht schlecht, nur mussten zusätzliche 15.000 € für die Weiße Wanne aufgebracht werden. Woher nehmen?
Dahin war die schöne Kalkulation. Doch die Hoffnung blieb, dass sich schon eine Lösung finden lassen würde, wenn erst einmal der Keller gebaut wäre. Der steht mittlerweile schon seit zwei Jahren, setzt Moos an, die außenseitige Dämmung fällt ab, Gras wächst darüber.
Sie ahnen es schon, es hatte keine Lösung gegeben, die Verzweiflung war sogar noch gewachsen: Die Bank hatte Wind von der Finanzierungslücke bekommen und die Auszahlung des Kredits gestoppt. Eine Nachfinanzierung war ebenfalls nicht möglich gewesen – aus der Traum.
Leider hatte dieses Märchen kein Happyend. Doch können wir daraus eine ganze Menge lernen.
1.1 Ermittlung der Kosten
Vergessen Sie die Rente der Oma oder den Einsatz des Vaters als Eigenleistung oder die in Aussicht gestellte Gehaltserhöhung. Kann ja alles gutgehen, aber was ist, wenn die Oma stirbt, der Vater krank wird und damit ausfällt? Solche Ich-will-unbedingt-bauen-Finanzierungen bergen ein erhebliches Risiko. Alles ist darauf ausgerichtet, dass ja nichts schiefgeht, doch leider gibt es da noch das Schicksal mit seinen Irrungen und Wirrungen.
Tipp
Für Bauprojekte gilt: Finanzieren Sie solide und rechnen Sie immer mit dem Worst-Case-Szenario.
Aktuell werden irre niedrige Bauzinsen angeboten, das vernebelt schon dem einen oder anderen die Sinne – und lässt vergessen, dass die Zinsen irgendwann wieder steigen werden. Doch auch bei einem höheren Zinssatz muss die Finanzierung noch stehen: Die Kinder brauchen etwas zu essen, sollen gute Kleidung erhalten und auch ein Urlaub sollte noch drin sein.
1.1.1 Flächenbedarf
Als Erstes gilt es, sich kundig zu machen, was denn das gewünschte Haus kosten würde. Dafür müssen Sie zunächst den Flächenbedarf feststellen.
Träumen Sie ruhig von einem großen Wohnzimmer (35 m2), dem daran angegliederten Esszimmer mit toller Küche (endlich mal mit Freunden bei einem Gläschen Wein kochen, quatschen, wohlfühlen ... 30 m2), einem vorgelagerten Wintergarten mit 15 m2, vom schönen Eingangsbereich mit WC (15 m2). Ergibt für das Erdgeschoss zusammen circa 95 m2.
Um das Geschoss darüber zu planen, lassen Sie die Kinder träumen und ihre Vorstellungen äußern. Sind diese noch in Planung, setzen Sie pro Kind mindestens 15 m2 an. Soll jedes Kinderzimmer über ein eigenes Bad verfügen, kommen weitere 5 bis 8 m2 hinzu. Ich kürze jetzt mal ab: Vermutlich wird das Obergeschoss nur um den Wintergarten kleiner.
Alles in allem ergeben sich daraus circa 180 m2 Nettogrundfläche. Zu dieser Wohnfläche kommen ungefähr 25 ? Konstruktionsfläche (Wände, Treppen usw.) hinzu, die Bruttogrundfläche macht also etwa 225 m2 aus.
1.1.2. Nebenkosten
Mit diesen Vorstellungen gehen Sie beispielsweise zu einem Architekten und fragen ihn zunächst nach den Kosten für eine überschlägige Schätzung der Baukosten. Dies wird oft gratis erfolgen. Der Kollege schaut dann mal „schnell“ in der Fachliteratur nach (hier findet er Auflistungen realisierter Bauten, deren Kennzahlen nur nach der gewünschten Größe umgerechnet werden), fragt nach, ob Ihr Gebäude unterkellert sein soll, und wird Ihnen dann eine Kostenschätzung abgeben. Ich betone: Schätzung! Zudem kann er Ihnen die zu erwartenden Nebenkosten (für Planung, Sonderingenieure, Baugenehmigung usw.) nennen. Bei gewissenhafter Arbeit kennen Sie dann den Kostenrahmen mit einem Spielraum von plus/minus 15 ?.
1.1.3 Grundstück
Fehlt nur noch das Grundstück. Hierfür suchen Sie den Immobilienmakler vor Ort auf, der nennt Ihnen zumindest einen marktüblichen Quadratmeterpreis. Fragen Sie nach, ob dieser Preis „erschließungsbeitragsfrei“ (ebf) oder „erschließungsbeitragspflichtig“ (ebp) ist. Ist er ebp, müssen Sie etwa 30 bis 50 €/m2 für die anteiligen Erschließungskosten hinzurechnen.
Tipp
Die Kontaktdaten von Immobilienmaklern finden Sie in der örtlichen Presse oder beim Immobilienverband Deutschland (IVD), www.ivd.net.
Eine andere Möglichkeit ist der Anruf beim Sachverständigenausschuss der jeweiligen Stadt oder des Landkreises. Hier werden die notariellen Kaufverträge ausgewertet. Auch an dieser Stelle kriegen Sie Auskünfte über die Quadratmeterpreise. Achtung: Diese Angaben hinken der aktuellen Marktlage hinterher, da sie nur alle zwei Jahre ermittelt werden. Und: Schauen Sie auch hier darauf, ob die Werte ebf oder ebp sind! Letzteres erfordert weitere Aufwendungen für die anteiligen Erschließungskosten. Einen Anhaltswert hierzu nennt Ihnen ebenfalls der Sachverständigenausschuss.
Zum Grundstückspreis müssen Sie die Grunderwerbsteuer – sie ist je nach Bundesland verschieden und reicht von 3,5 ? (Bayern) bis 6,5 % (Schleswig-Holstein) – sowie die Notarkosten und Maklergebühren hinzurechnen. In Summe ergibt das etwa plus 10 bis 13 %. Oder Sie suchen einen örtlichen Bauträger auf. Der hat vielleicht gleich ein passendes Grundstück im Angebot. Auch hier sind die vorgenannten Kosten zu berücksichtigen.
Und fertig ist der in etwa zu erwartende Kostenrahmen. Die finanziellen Belastungen, die damit verbunden sind, gilt es zu bewältigen, und zwar ohne Klimmzüge machen zu müssen! Ruhig schlafen, ausgehen, ein Gläschen Wein trinken, sich einen Urlaub, den Kindern gewisse Extras gönnen, die Autoreparatur bezahlen, an die man gar nicht gedacht hat, oder sogar ein neues Auto kaufen – all das muss dann noch locker möglich sein.
1.2. Die Finanzierung Ihres Vorhabens
Damit Sie sich nicht ständig zu sorgen brauchen, benötigen Sie einen beruhigenden Eigenkapitalanteil (nicht nur die 20 ?, die viele Banken fordern) und ein dauerhaft erzielbares Haushaltseinkommen, ohne auf eine Gehaltserhöhung zu hoffen und ohne Sonstiges mit einzurechnen. Ich würde nicht unter 35 ? Eigenkapital starten. Dann sind die Tilgungsraten niedrig und es bleibt Ihnen Luft zum und damit Lust am Leben. Wenn Ihr Traumhaus also samt Grundstück und allem circa 500.000 € kostet, wären...