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E-Book

Beatles vs. Stones

Die Rock-Rivalen

AutorJohn McMillian
VerlagOrellFüssli
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl336 Seiten
ISBN9783280038307
Altersgruppe13 – 
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
'Micks schwules Getanze ist ein Witz!'(John Lennon über Mick Jagger) 'Liverpool ist ein anderes Wort für Alaska.' (Keith Richard über die Geburtsstadt der Beatles) Wer hat die schärfsten Bräute? Wer verkauft die meisten Platten? Wer macht die beste Musik? Wer ist am glaubwürdigsten? Dieses Buch ist ein blendend geschriebenes, anekdotenreiches Porträt der beiden bedeutendsten Rockgruppen des 20. Jahrhunderts.

John McMillian ist Professor für Geschichte an der Georgia State University (USA) und schreibt Artikel für diverse Tageszeitungen. Er lebt in Atlanta (USA).

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Leseprobe

KAPITEL EINS

Gentlemen oder Rowdys?

Wenn man wissen will, wie die Beatles und die Stones wirklich waren, bevor sie berühmt wurden, um dies dann mit den stark mediatisierten, hochstilisierten Bildern zu vergleichen, durch welche sie ihren Fans präsentiert wurden, dann wäre es vielleicht ganz interessant, die Sichtweise von jemandem zu erfahren, der beide Gruppen nicht nur kannte, sondern auch genau weiß, worum es ihnen ging, als sie ihr öffentliches Image entwarfen. Dieser Jemand ist Sean O’Mahony, ein in London ansässiger Verleger, der regelmäßig unter dem Pseudonym »Johnny Dean« schrieb. Im August 1963 brachte O’Mahony erstmals The Beatles Monthly Book heraus, das abgekürzt als The Beatles Book bekannte Fanmagazin der Gruppe. Im Dezember verkaufte er bereits rund 330 000 Stück pro Monat.10 Im Juni 1964 startete er das ähnlich ausgerichtete Rolling Stones Book. Beides waren offizielle Fanmagazine. Bevor O’Mahony die Rechte zu ihrer Veröffentlichung erwarb, musste er freilich erst das Vertrauen und die Sympathien der zwei Bands gewinnen.

Er traf die Beatles zum ersten Mal im Mai 1963 im Londoner Playhouse Theatre, wo sie einige Songs für die einflussreiche BBC-Sendung Saturday Club aufnehmen wollten. »Als ich John, Paul, George und Ringo die Hände schüttelte, wusste ich sofort, dass dies nicht einer ihrer üblichen Pressekontakte werden würde, bei denen sie nur herumalberten«, erinnerte sich O’Mahony. Stattdessen bombardierte die Gruppe ihn mit Fragen und Vorschlägen. »Wenn ich ihr Magazin herausgeben sollte, bedeutete das, dass sie eine neue Person in ihren innersten Kreis aufnehmen und mich in ihren Garderoben, Tonstudios und Wohnräumen dulden mussten«, erklärte er. »Also praktisch überall, wohin sie gingen.« Da Sean O’Mahony damals mit den Managern der Rolling Stones – Andrew Loog Oldham und Eric Easton – bereits bekannt war, verlief der Annäherungsprozess mit ihnen wahrscheinlich nicht ganz so förmlich, aber bestimmt musste O’Mahony zunächst auch das Vertrauen der Stones gewinnen.11

Die Beatles und die Rolling Stones waren zwar in sämtlichen britischen Musikzeitschriften (Melody Maker, Record Mirror, New Musical Express, Disc, Music Echo) und auch in den Teenie-Magazinen des Landes (Boyfriend, Jackie, Fabulous, Rave, Valentine) regelmäßig vertreten, doch O’Mahony hatte einen besonderen Vorteil: Da er alleiniger und exklusiver Inhaber der Verlagsrechte für ihre kommerziellen Fanmagazine war, entstand bald eine eng verflochtene sozioprofessionelle Beziehung zu Epstein, Oldham, Easton und den von ihnen gemanagten Gruppen. Was O’Mahony privat auch wusste oder dachte, so blieb er doch vollkommen loyal. Als etwa der Journalist Michael Braun 1964 sein Buch Love Me Do! veröffentlichte (ein klatschsüchtiger Bericht über seine Reisen mit den Beatles während der ersten Beatlemania-Welle, der dem Saubermannimage der Band eher entgegenlief),12 wurde dies im Beatles Book nicht einmal erwähnt. Ebenso wenig hielt es O’Mahony für notwendig, John Lennons Ehe zu thematisieren, da Epstein fürchtete, diese Information könne sich auf die Popularität der Band bei weiblichen Teenagern negativ auswirken. Wurden Fotos der Beatles abgedruckt, griff O’Mahony häufig auf die Dienste professioneller Retouchierkünstler zurück, die auch die kleinsten Pickel und Unebenheiten in ihren Gesichtern entfernten. So sorgte er dafür, dass es »die Art von Bildern war, von denen Brian wollte, dass die Fans sie zu sehen bekamen«.13

Mit anderen Worten: In dieser Zeit hatte O’Mahony starke Ähnlichkeit mit einem Pressesprecher von der Madison Avenue. Über welches Insiderwissen er auch verfügte, so druckte er doch niemals etwas wirklich Offenbarendes über John, Paul, Mick, Keith oder Brian. Vielmehr waren seine Magazine reine Präsentationsplattformen, über welche die sorgsam durchdachten »Marken« Beatles und Rolling Stones gezielt beworben wurden.

Viele Jahre später jedoch, als es für O’Mahony keinen Grund mehr gab, mit seinen wahren Gefühlen hinterm Berg zu halten, fasste er die beiden Gruppen wie folgt zusammen: »Die Beatles waren Rowdys, die man als nette Jungs darstellte, und die Rolling Stones waren Gentlemen, aus denen Andrew Rowdys machte.«14 Wie viele Zusammenfassungen mag auch diese ein wenig zu kurz greifen. Aber sie ist weitaus näher an der Wahrheit, als jede der beiden Bands während der Sechziger zugegeben hätte.

* * *

»Rowdy« ist freilich keine sozioökonomische, sondern eine moralische Kategorie, doch wurde viel darüber diskutiert, dass die Beatles trotz ihres sonnigen Gemüts ursprünglich aus dem tristen alten Liverpool stammten, einem abgewirtschafteten Seehafen, der während des Zweiten Weltkrieges von der deutschen Luftwaffe bombardiert worden war. Obwohl Liverpool eine gemischte Bevölkerung hatte, bildeten den Großteil doch die Nachfahren irischer Einwanderer, sodass das Stadtbild von raubeinigen Seeleuten und schummrigen Pubs bestimmt wurde und jede Vornehmheit praktisch vollkommen vermissen ließ. Aus einem gewissen Maß an Stolz, Eigensinn und Selbstironie heraus bezeichneten sich viele Liverpooler selbst als »Scousers«, obwohl der Begriff im übrigen England ausschließlich abfällig gebraucht wurde.15 Die Stones hingegen kamen aus den Londoner Vororten. Wenn auch nicht gerade im Wohlstand, so wuchsen sie insgesamt doch in etwas besseren Verhältnissen auf als die Beatles, was in der Klassengesellschaft Großbritanniens einen gewaltigen Unterschied machte. »Wir waren diejenigen, auf die der Süden, die Londoner, wie auf Tiere herabsahen«, erinnerte sich John Lennon.16

Angesichts des Mangels und des Elends in ganz England während der Nachkriegsjahre (ganz zu schweigen von den Schwierigkeiten, Klassenunterschiede zu definieren), ist es wichtig, dass man die Unterschiede in den familiären Hintergründen der Beatles und der Stones aus dem richtigen Blickwinkel betrachtet. Eine gute Analyse der Herkunft der Beatles findet sich in Steven D. Starks Buch Meet the Beatles: A Cultural History of the Band that Shook Youth, Gender, and the World. Ja, so legt Stark dar, die Beatles kamen aus dem verkommenen Liverpool, aber John, Paul, Ringo und George wohnten allesamt in den grünen Vororten der Stadt, also auf der »guten« Seite des Flusses Mersey.17 (Einzig Ringo stammte aus der Stadtmitte Liverpools; er kam in einem baufälligen Reihenhaus in einem berüchtigten Viertel namens The Dingle zur Welt.)18

Lennon war der einzige Beatle, der das Glück hatte, in einem Haus mit Innentoilette aufzuwachsen. Zu dieser Zeit verfügte nicht einmal die Hälfte aller britischen Haushalte über eine solche. Paul und George wurden zwar wenige Hundert Meter voneinander entfernt in staatlich subventionierten Sozialwohnungen groß, doch ihre Viertel trugen keines jener Stigmata, die etwa sozialen Wohnprojekten in den USA anhaften. In ihren Häusern wurde es im Winter zwar sehr kalt, doch waren sie immer noch besser als die Behausungen vieler Arbeiterfamilien.

Viele Jahre später wies Georges ältere Schwester Louise die Vorstellung von sich, dass ihre Familie arm wie die Kirchenmäuse gewesen sei. »Mein Vater war Busfahrer, und Mama kümmerte sich zuhause um uns«, sagte sie.19 »Gelegentlich, etwa um die Weihnachtszeit, nahm sie einen Job an, aber wir empfanden uns selbst nie als arm oder so. Wenn man diese ganzen Geschichten liest, in denen es heißt, die Beatles seien in Slums aufgewachsen und all dieses Zeug; dabei hatten wir ein gutes, liebevolles, freundliches Familienleben.« In einem seiner letzten Interviews betonte auch John Lennon, seine Kindheit habe kaum »jenem Bild des armen Jungen aus den Armenvierteln entsprochen, das in sämtlichen Geschichten über die Beatles gezeichnet wurde«.20

Als die Beatles aufwuchsen, litten freilich Menschen in ganz Großbritannien unter der Rationierung von Nahrungsmitteln und Benzin. An frische Eier, frische Milch und Saft heranzukommen, war schwierig. Die Spielplätze aller vier Beatles lagen vermutlich inmitten ausgebombter Gebäude und Trümmerhaufen, die der Krieg hinterlassen hatte. Die unüberschaubare Palette an Konsumgütern, in deren Genuss so viele amerikanische Teenager während der boomenden Fünfziger kamen, war ihnen wahrscheinlich vollkommen fremd. Doch gemessen an damaligen Standards litt nur Ringo – der nicht nur arm war, sondern obendrein zwei schwere Kinderkrankheiten durchmachte – wirklich unter Entbehrung.21

Auch für die Rolling Stones waren Rationierung und Kriegsschutt in jungen Jahren keinesfalls fremd, aber es ging ihnen besser als den Beatles. Brian Jones, der charismatische Gründer und ursprüngliche Leader der Band, stammte aus einer Familie der oberen Mittelschicht in...

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