1 FRÜHE PRÄGUNG
DIE ELTERN
Dass meine Mutter eine wirklich grosse Liebe meines Vaters war, daran zweifelte ich nie. Was sonst als Liebe hätte einen Mann dazu bewegen können, eine Frau zu heiraten, die in den Augen der Gesellschaft und seiner Familie so unpassend zu sein schien. Sie war Ausländerin und Jüdin, litt an Lungentuberkulose, konnte vielleicht nie Kinder bekommen und lebte zudem in Ägypten. Er heiratete sie, trotz aller Warnungen und Widerstände seines Umfeldes. Das spricht für eine wahrhaft grosse Liebe und es war für beide ein Wagnis. Als die Ärzte aus gesundheitlichen Gründen empfahlen, auf Kinder zu verzichten, akzeptierte mein Vater dies problemlos. Alles spricht für einen starken Willen und viel Zuversicht, mit welchen beide den Schritt in die Ehe wagten. Dass ich als nochmaliger »Unfall« dann doch zur Welt kommen durfte, war der Entschlossenheit meiner Mutter zu verdanken. Mein Vater konnte sich nicht vorstellen, das Leben seiner geliebten Frau wegen eines Kindes zu riskieren und tat sich sehr schwer mit ihrer Entscheidung. Nach der Erfahrung des ersten Schwangerschaftsabbruchs wollte sie auf keinen Fall einen zweiten durchmachen.
Mama erzählte mir später, wie sie diese Abtreibung erlebt hatte: »Die Krankenschwester muss mich verachtet haben, so lieblos wie sie mich gewaschen und behandelt hat. Der Arzt war ein Schlachter. Er hat mir die Ausschabung ohne Narkose gemacht! Du kannst Dir nicht vorstellen, wie schmerzhaft das war, weil es sehr grob und wenig einfühlsam gemacht wurde. Ich fühlte mich wie eine Verbrecherin und schwor mir, dass ich nie wieder so etwas erleben möchte.«
Heute weiss ich, dass zu jener Zeit die meisten Abtreibungen ohne Betäubung durchgeführt wurden. Mama beschloss also, bei einer allfällig nächsten Schwangerschaft, eher daran zu sterben als nochmals einen solchen Höllenritt durch einen Abtreibungsprozess zu erleben. So wurde ich, je länger die Schwangerschaft andauerte und ohne Probleme verlief, zu einem Wunschkind. Meine Ankunft auf dieser Welt wurde also einerseits von grossen Ängsten und Ungewissheit, andererseits von der Hoffnung auf einen glücklichen Ausgang begleitet. Energien, die mich geprägt haben. In einer spontanen Rückführung, während einer Energiebehandlung mit einem einfühlsamen Therapeuten, erlebte ich überraschenderweise und in allen Einzelheiten, wie ich als Mutters erstes Kind abgetrieben wurde und wie ich als Embryo in einem Abfallkübel landete. Das fühlte sich nur in den ersten Sekunden dramatisch an und dann erkannte ich augenblicklich: »In diesem Kübel ist nur der kleinste Teil von mir. Und ich bin ja wieder da! Also ist meine Seele um so vieles grösser als das Würmchen, das da weggemacht und entsorgt wurde.«
Ich möchte betonen, dass ich nicht für Abtreibungen bin, ich bin jedoch auch nicht konsequent dagegen, weil es verschiedenste Aspekte des Menschseins gibt.
Es gibt Seelen, die sehr früh den Weg in den Embryo finden, also bereits beim Zeugungsakt präsent sind. Es gibt Energieformationen, die warten darauf, bis die passende Frequenz da ist, um sich einzuklinken. Tatsache ist, dass sie durch das energetische Resonanzgesetz angezogen werden, was aber immer noch unterschiedlichste Prägungen mit sich bringen wird. Eine Seele ist in der Regel neutralen Geschlechtes. So kann sich zum Beispiel das Geschlecht noch während der Schwangerschaft verändern. Einflüsse während der Schwangerschaft prägen, wie wir wissen, einen Teil des werdenden Lebens mit. Es gibt Seelenanteile, die erst kurz vor der Geburt einsteigen. In meiner Generation war der Weg lang um die Grösse des Seelenpotenzials anzuerkennen und damit zu verschmelzen. Für die neuen Kinder ist es viel näher, nur sind sie sich dessen nicht bewusst, weil es für sie normal ist. Für jeden gilt es also immer noch, nach und nach noch mehr Seelenaspekte zu erkennen und zu integrieren, die auf unsere Göttlichkeit hinweisen. Seelenaspekte sind immer auch gebunden an Seelenformationen, unter anderem auch an die Informationen ihrer Vorfahren und Eltern. Dies lässt sich inzwischen genetisch feststellen.
Ich gehe davon aus, dass es meiner Kinderseele lange nicht möglich war, in dieser Realität Fuss zu fassen, denn ich kann mich an fast nichts erinnern, was ich in den ersten sieben Jahren erlebt habe. Bis zum vierzehnten Lebensjahr tauchen bruchstückhaft Erinnerungen an die eine oder andere Szene auf. Einzelne Begebenheiten haben sich in Form von Bildern in meinem Gedächtnis und andere im Zellgedächtnis eingeprägt. Offensichtlich habe ich viele Erinnerungen verdrängt, doch davon später.
Während dieser Rückführungsübung in den Mutterleib konnte ich die Schwingungen und Gefühle meiner Mutter sehr gut wahrnehmen. Es ist möglich, sich jederzeit in ein Ereignis einzuklinken, da die Zeit nicht linear verläuft, wie wir glauben. Mir wurde dadurch bewusst, dass ich es beim zweiten Versuch eilig hatte, in diese Familie hineingeboren zu werden, denn ich kam ganze Wochen zu früh und war winzig klein. So eilig, als gäbe es für mich viel zu tun. Das Gefühl nicht genug Zeit zu haben, begleitet mich mein ganzes Leben, bis heute. Inzwischen weiss ich, dass alles dann geschieht, wenn die Zeit und wir dafür reif sind. Diese Angst hat sich dadurch abgeschwächt. Dieses beruhigende Wissen ist nicht immer gleich stark für mich zu spüren aber es ist inzwischen präsent!
Bei gewissen Aufgaben, die zu lösen waren, dachte ich immer, ich müsste mich beeilen. Bei Tests überlas ich wichtige Dinge, weil ich mich unter Druck setzte und manchmal fühlte ich mich deswegen richtig dumm. Manchmal war da ein Drängen in mir, das mich dazu bewegen wollte, möglichst und sofort aktiv zu werden, schnell zu handeln; ein immer wiederkehrendes Gefühl nicht genug Zeit zu haben.
Ich erinnere mich an einen sehr bezeichnenden Moment in meinem Leben, als John F. Kennedy die Kubakrise im Oktober 1962 lösen musste. Wir hatten in der Schule davon gehört und als überall im Radio von einem möglichen dritten Weltkrieg die Rede war, bekam ich Angst. Ich war damals erst neun Jahre alt, sass an meinem Pult, machte Hausaufgaben und dachte über mein bisheriges Leben nach.
Gedanken wie diese schossen mir durch den Kopf: »Das kann doch nicht alles gewesen sein. Bitte, bitte lieber Gott, lass es keinen Krieg geben. Ich will wissen, wie es ist erwachsen zu sein, einen Mann, ein eigenes Heim, eigene Kinder zu haben. Wenn ich das alles erlebt habe, dann will ich gerne sterben.«
Ich war davon überzeugt, kein sehr langes Leben vor mir zu haben. Es war das erste Mal, dass ich bewusst über den Tod nachdachte. Lange nach dieser Therapiesitzung, als ich selbst schon Mutter war, versuchte ich meiner Mutter näherzubringen, dass ich vermutlich das abgetriebene, also auch ihr erstes Kind gewesen sei. Sie sträubte sich jedoch vehement gegen solche aussersinnlichen Wahrnehmungen und Informationen. Ganz im Gegensatz zu meinem Vater, der den Kontakt mit der geistigen oder Geisterwelt regelrecht suchte und auch in Kurse und Vorträge von bekannten Medien ging. Meine Mutter lebte ihre eigene Spiritualität. Sie legte ab und zu Karten, konnte andere Menschen durch Berührung heilen und sie erkannte vieles intuitiv. Mir wollte sie diesbezüglich kein Wort glauben. Sie vermied es konsequent, über das Leben nach dem Tod nachzudenken.
Mutter blickte mich, während ich das erläuterte, kaum an. Zu schmerzhaft war wohl die Erinnerung daran. Ihre abschliessende und kurze Erklärung, warum das nicht sein könne, war:
»Man hat schon gesehen, dass es ein Junge geworden wäre. Es tat unendlich weh zu sehen, wie sie ihn einfach in einen Eimer am Boden entsorgten.«
Damit war das Thema für sie beendet. Sie lehnte jedes weitere Gespräch darüber ab. Ihre Aussage war für mich Bestätigung, dass ich richtig gesehen hatte und dass ich als diese Seele oder mit Aspekten dieses Wesens wiedergekommen bin. Für mich war es in diesem Zusammenhang interessant festzustellen, dass ich in jungen Jahren eher einen eigenwilligen, ja männlichen Teil auslebte. Meine verletzlichen, weiblichen Anteile versteckte ich oder sie zeigten sich als Launenhaftigkeit.
Mein Vater meinte dazu: »Bei Dir weiss man nie, woran man ist. Du wirkst im einen Moment zufrieden, schaut man nur einen Moment weg, hat sich Dein Gemütszustand völlig verändert.«
Für mich war diese spontane Rückführung sehr aufschlussreich und ich tat die nächsten Schritte in mehr Gelassenheit. Meine hauptsächliche Lebensaufgabe ist, die gegensätzlichen Seiten in mir, in Einklang zu bringen und vermutlich ist dies für jeden inkarnierten Menschen angesagt.
Kennst Du, liebe Leserin/lieber Leser, Deine weiblichen und männlichen Anteile? Wie lebst Du sie? Oder anders gefragt. Welche Anteile Deiner Mutter, Deines Vaters lehnst Du noch ab?
Doch zurück zu meinem Familienleben.
Ich bin sehr behütet, aber dennoch in einem spannungsgeladenen Umfeld aufgewachsen, ebenso mein Bruder, der drei Jahre später geboren wurde. Leider hatte ich nach seiner Geburt immer das Gefühl, die zweite Geige zu spielen oder zu kurz zu kommen. Dieses Gefühl umkrallte mich wie eine riesige Krake, was mich bis in meine späteren Beziehungen hinein verfolgte.
Das Gottesbild, das uns vermittelt wurde, war das einer Instanz, die uns beschützt, uns versteht und zu der wir täglich beten und Danke sagen sollen. Wir dürfen auch um Hilfe bitten, weil Gott uns immer versteht. Sehr oft, wenn ich mich unverstanden fühlte, flehte ich diese Instanz an, mir zu helfen. Das Gebet war jahrzehntelang eine grosse Kraftquelle für mich und ich schlief danach auch immer getröstet ein. Obwohl ich annehmen konnte, dass meine...