4. Begünstigende Rechtsvorschriften
Das deutsche Steuerrecht beinhaltet einige Vorschriften und Regelungen, welche eine etwaige Steuerhinterziehung begünstigen, ggf. sogar fördern. Es darf jedoch unterstellt werden, dass dies zu keiner Zeit die Absicht des Gesetzgebers war und dass tatsächlich formelle Regelungen zur Begünstigung einer Steuerhinterziehung absoluten Ausnahmecharakter haben. Nach § 85 S. 2 AO hat die Finanzbehörde sicherzustellen, dass keine Steuerverkürzung eintritt. Die Verkürzung einer Steuer ist in § 370 Abs. 4 AO legaldefiniert, wie bereits im zweiten Kapitel näher dargelegt. Die Behörde hat die Steuern gleichmäßig zu erheben. Grundsätzlich ist hierfür bei den Angaben eines Steuerpflichtigen davon auszugehen, dass diese vollständig und richtig sind.[48] Dies hat zur Folge, dass eine Finanzbehörde den Angaben des Steuerpflichtigen vertrauen kann und grds. nicht eine falsche oder unvollständige Erklärung unterstellen darf.[49]
Generell ist jede Norm für eine Steuerhinterziehung geeignet, welche nicht einer elektronischen oder digitalen Kontrolle, außerhalb einer Betriebsprüfung, unterliegt. Es ist jedoch festzuhalten, dass auch andere Regelungen zu einer Steuerhinterziehung führen können und dass nicht jeder Sachverhalt, der unter die nachstehenden Ausführungen fällt, zugleich eine Steuerhinterziehung mit sich führt. Die Vorschriften, welche zu einer Steuerminderung führen, sind eher anfällig für Steuerhinterziehung als Regelungen zu Betriebs- bzw. Einnahmen. Es werden abzugsfähige Aufwendungen neu geschaffen oder erhöht. Wenn sowohl Ausgaben als auch Einnahmen nicht angegeben bzw. erklärt werden, wird von einer sog. Doppelten-Verkürzung gesprochen. Dies ist häufig im Bereich der Gewinneinkünfte anzutreffen, da dort wenig elektronische Kontrolle durch Dritte vorliegt. Bei den Nichtselbständigen werden die Lohndaten, inklusive der Sozialversicherungsbeiräge nach § 41b EStG an das Finanzamt übermittelt. Die Versicherungsdaten der privaten Kranken- und Pflegeversicherung sowie die sog. Rürup-Rente oder Basis-Rente werden gem. § 10 Abs. 2a EStG und die sog. Riesterversicherungen werden nach § 10a Abs. 1 EStG ebenfalls elektronisch übermittelt und sind durch die Koppelung an die steuerliche Identifikationsnummer eindeutig dem Steuerpflichtigen zuordenbar. In diesem Bereich ist keine Begünstigung einer etwaigen Steuerhinterziehung gegeben.
Ferner muss bei dieser Thematik zwischen Tatbeständen differenziert werden, die ohne einen Mittäter, z.B. den Aussteller einer überhöhten Rechnung für die Inanspruchnahme eines Steuerermäßigung nach § 35a EStG, eine Hinterziehung fördern und jenen, welchen eine weitere aktiv handelnde Person erforderlich machen. Ein sog. Umsatzsteuerkarussell, welches die Vorsteuer abschöpfen will, ohne dabei die fällige Umsatzsteuer tatsächlich zu entrichten, erfordert grds. mehrere Personen. Die Verwirklichung einer der Tatbestände der zuletzt genannten Eingruppierung ist schwieriger, da die zusätzliche Person in das Vorhaben eingebunden werden muss und sich das Entdeckungsrisiko, bspw. durch einen Denunzianten, erhöht. Sicherlich ist bei einer juristischen Person, die ausschließlich einen Gesellschafter-Geschäftsführer hat, dieser Grundsatz nicht anzuwenden. Dennoch besitzt er bis auf einige spezielle Ausnahmen allgemeine Gültigkeit. Für den Bereich der Steuerhinterziehung, welche lediglich den eigenen Vorsatz, das Wissen und Wollen der Tatbestandswirklichung, ohne aktive Einbeziehung einer weiteren Person erfordern, sind einige, jedoch nicht abschließende Beispiele zu nennen.
4.1. Einkommensteuer
Im Bereich der Einkommensteuer sind besonders die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 EStG anzuführen. Die Einnahmen führen grds. zu Verlusten, u.a. bedingt durch die Darlehenszinsen. Bei einer dauerhaften Vermietung ist grds. eine Überschusserzielungsabsicht zu unterstellen.[50] Dabei ist es unschädlich, wenn ein Totalüberschuss erst innerhalb eines Zeitraumes von 30 Jahren erzielt wird.[51] Dies bedeutet, die gesamten Einnahmen müssen spätestens am Ende des Prognosezeitraumes die gesamten angefallenen Ausgaben übersteigen. Von dem Vorliegen einer Überschusserzielungsabsicht ist trotz dieses langen Zeitraumes auszugehen. Bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist speziell die Vermietung von Ferienimmobilien im Zusammenhang mit dem Begriff der Steuerhinterziehung zu nennen. Die Abgrenzung der Ferienvermietung zur schlichten Vermietung einer Immobilie ist vorzunehmen, da nahezu alle Immobilien in diesem Ressort möbliert angeboten werden. Die Möblierung erfordert zunächst durch den Vermieter die Anschaffung von haushaltsüblichen Einrichtungsgegenständen. Des Weiteren sind auch gehobene Ausstattungsmerkmale, z.B. ein Flachbildschirm, hochwertige Audio- und Videogeräte, mitvermietet. Zur Geltendmachung dieser Aufwendungen als Werbungskosten i.S.d. § 9 Abs. 1 EStG ist lediglich eine hinreichende Glaubhaftmachung oder ein Nachweis über die Anschaffung erforderlich.[52] Eine Überprüfung, ob sich diese erworbenen Sachen tatsächlich auch in dem vermieteten Objekt befinden, erfolgt in den seltensten Fällen. Die Augenscheinnahme nach § 98 AO wäre die rechtliche Maßnahme hierfür. Sie findet nur in begründeten Zweifelsfällen nach Rücksprache mit dem zuständigen Abteilungsleiter statt. Hinzu kommt, dass eine Augenscheinnahme durch einen Amtsträger eines Veranlagungsfinanzamtes dem Steuerpflichtigen nach § 99 Abs. 1 S. 2 AO angemessene Zeit vorher angekündigt werden muss. Der Steuerpflichtige kann sich dementsprechend auf diese erfolgende Besichtigung durch das Finanzamt vorbereiten.
Eine der Veranlagungsarten nach § 26 EStG, konkret die Zusammenveranlagung nach § 26 Abs. 3 i.V.m. § 26b EStG (Fassung für den Veranlagungszeitraum 2012[53]), ist in diesem Zusammenhang auch anzuführen.[54] Jedoch sind hierfür zwei natürliche Personen notwendig. Aber auch eine Person ist ausreichend, wenn in den Vorjahren bereits eine Zusammenveranlagung stattgefunden hat und nun lediglich die Unterschrift bzw. Angaben des einen Ehegatten fehlen. Dies begründet sich dadurch, dass eine Zusammenveranlagung gem. § 26 Abs. 3 EStG durchzuführen ist, wenn die Steuerpflichtigen keine entsprechende Veranlagungswahl getroffen haben. Bei einer Ehe ist der Grundsatz demnach stets die vorzunehmende Zusammenveranlagung. Die Tatbestandsmerkmale für eine Zusammenveranlagung sind die unbeschränkte Steuerpflicht i.S.d. § 1 Abs. 1 o. 2 bzw. § 1a EStG, eine rechtsgültige Ehe, nicht dauerndes getrennt leben und diese Voraussetzungen, mindestens einen Tag im Veranlagungszeitraum vorlagen. Konkret heißt dies auch, dass nicht zwingend eine gemeinsame Wohnung mit einem gemeinsamen Haushalt vorliegen muss. Auch die Erklärung zum dauernden Getrenntleben vor dem Familiengericht ist nicht als Widerspruch heranzuziehen.[55] Attraktiv wird die Zusammenveranlagung, wenn zuvor die Steuerklassenkombination drei zu fünf nach § 38b EStG gewählt wurde. Der Ehegatte mit den hohen Einkünften hat die Steuerklasse drei für die Berechnung der Lohnsteuer und des Solidaritätszuschlags bei seinem Arbeitgeber abgegeben, während der Ehegatte mit den geringeren Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit die Steuerklasse abgegeben hat. Dies hat zur Folge, dass u.a. der Grundfreibetrag, EUR 8.004,-, § 32a Abs. S. 1 Nr. 1 EStG, auf den Ehegatten mit der Steuerklasse drei übertragen wird. Sofern beide Ehegatte nun auch tatsächlich gearbeitet haben, sind beide zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet. Es liegt eine Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 3a EStG vor. Da der Steuerpflichtige mit der Steuerklasse drei durch u.a. den doppelten Grundfreibetrag weniger Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag gezahlt hat als bei der Berechnung der Steuerklasse eins, hat dieser Ehegatte ein Bestreben auch eine Zusammenveranlagung herbeizuführen. Sofern beide Steuerpflichtige noch offiziell verheiratet sind und glaubhaft machen, dass mindestens einen Tag im Veranlagungszeitraum die Voraussetzungen tatsächlich erfüllt waren, kann das Finanzamt die Zusammenveranlagung äußerst selten versagen.[56] Der Steuerpflichtige zahlt bedingt durch den progressiven Steuersatz und den Splittungtarif nach § 32a Abs. 5 EStG. Solange beide Ehegatten sich über die Vorgehensweise einig sind, besteht seitens des Finanzamtes keine tatsächliche und auch keine rechtliche Option zur Aufdeckung.
Eine gewisse Kombination aus beiden vorstehend beschriebenen Steuerhinterziehung begünstigenden Vorschriften ist im Nachfolgenden gegeben. Ein Steuerpflichtiger vermietet lediglich ein Zimmer unter der Mitbenutzung der restlichen Wohnung an eine Person, häufig des anderen Geschlechts im gleichen Alter. Ein schriftlicher Vertrag liegt diesem Mietverhältnis zu Grunde, die Zahlung des Mietzinses erfolgt unbar und monatlich. Eine offiziell tatsächliche Durchführung, wie es vereinbart wurde, findet statt. Der...