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E-Book

Beobachtung in der Frühpädagogik

Theoretische Grundlagen, Methoden, Anwendung

AutorDaniela Ulber, Margarete Imhof
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl180 Seiten
ISBN9783170259645
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis25,99 EUR
Das Buch vermittelt zunächst theoretische und praktische Grundlagen von Beobachtung, die für alle Beobachtungskontexte in der Frühpädagogik von Belang sind. Danach erfolgen spezifische Ausführungen für die Bereiche Beobachtung von Kindern, Beobachtung von Professionellen sowie Beobachtung im Rahmen von Qualitätsentwicklung. Dabei werden Fallbeispiele besprochen und vorliegende Verfahren kritisch vorgestellt. Das Buch schließt mit einer Anleitung dazu, wie in der Praxis situationsspezifische Beobachtungsverfahren konzipiert werden können, die zu aussagekräftigen und belastbaren Ergebnissen führen. Die Darstellung verbindet einen hohen Praxisbezug sowie die konkrete Umsetzbarkeit der Inhalte mit wissenschaftlich fundierten Maßstäben, die beispielsweise für die konkrete Planung von Beobachtungssituationen Orientierung geben.

Prof. Dr. Margarete Imhof lehrt am Psychologischen Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Prof. Dr. Daniela Ulber lehrt an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg.

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Leseprobe

2          Methodische Grundlagen von Beobachtung


Das folgende Kapitel behandelt die Frage, wodurch sich die professionelle Beobachtung von der Alltagsbeobachtung unterscheidet. Das Beobachten von Verhaltensweisen anderer Menschen ist eine alltägliche Gewohnheit, die prinzipiell für eine Orientierung in der Welt wichtig ist. Beobachterinnen im Alltag gehen jedoch meist unstrukturiert vor. Eine professionelle Beobachtung hebt sich von der Alltagsbeobachtung ab, indem sie systematisch geplant, kontrolliert durchgeführt und kritisch bewertet wird. Erfassung und Bewertung der Information werden weitgehend getrennt und die Dokumentation des Beobachtungsergebnisses schließt die Frage mit ein, inwieweit es von der Methode der Beobachtung oder allein von der Tatsache, dass beobachtet worden ist, mit beeinflusst worden sein könnte.

2.1       Begriffsbestimmung von Beobachtung


2.1.1     Merkmale wissenschaftlich fundierter Beobachtung


Beobachtung ist eine Form der Personenwahrnehmung, die aus der Alltagserfahrung vertraut sein dürfte. Professionelle Beobachtung in pädagogischen Institutionen geht über Alltagsbeobachtung hinaus, denn sie basiert auf wissenschaftlichen Prinzipien. Deshalb muss aus einer wissenschaftlichen und professionellen Perspektive der Begriff der Beobachtung präzisiert werden. Rogge (1995) greift in seiner Definition auf Graumann (1973) zurück, der Beobachtung definiert hat als »die absichtliche, aufmerksam selektive Art des Wahrnehmens, die ganz bestimmte Aspekte auf Kosten der Bestimmtheit von anderen beachtet, …. Gegenüber dem üblichen Wahrnehmen ist das beobachtende Verhalten planvoller, selektiver und von einer Suchhaltung bestimmt und von vornherein auf die Möglichkeit der Auswertung des Beobachteten im Sinne einer übergreifenden Absicht gerichtet« (S. 15, zit. nach Rogge, 1995, S. 101). Damit wird deutlich, wodurch sich die Verfahren der wissenschaftlichen und ebenso die der wissen-schaftsbasierten professionellen Beobachtung auszeichnen: Zunächst wird betont, dass mit einer Absicht beobachtet wird. Damit wird der Gegensatz zur Zufälligkeit der Alltagsbeobachtung unterstrichen. Denn Ereignisse im Alltag ziehen die Aufmerksamkeit des Beobachters aus den verschiedensten Gründen auf sich, z. B. weil etwas gerade ins Blickfeld der Betrachterin gerät, weil es sich von der Umgebung besonders abhebt, weil der Beobachter genau auf dieses Ereignis gewartet hat. Als zweiten Aspekt hebt Graumann hervor, dass wissenschaftliche Beobachtung aufmerksam selektiv ist. Professionelle Beobachtung konzentriert sich auf einen ausgewählten Ausschnitt der Realität (vgl. auch Faßnacht, 1995). Damit wird in Kauf genommen, dass durch die Konzentration auf diesen einen Ausschnitt andere Aspekte der Situation möglicherweise nicht zugleich beachtet werden können. Da aber bei Planung und Durchführung der Beobachtung klar spezifiziert werden kann, was Gegenstand der Beobachtung ist und was nicht, kann diese Information bei der Auswertung und Interpretation der Beobachtungsergebnisse berücksichtigt werden. Die wissenschaftliche und professionelle Beobachtung geht auch insofern über die Alltagsbeobachtung hinaus, als die Registrierung des zu beobachtenden Verhaltens vorher geplant worden ist und das relevante Verhalten so aufgezeichnet wird, dass es systematisch ausgewertet werden kann.

Bei der wissenschaftlichen Beobachtung wird im Vergleich zur Alltagsbeobachtung die Zielgerichtetheit und die methodische Kontrolle betont (vgl. auch Bortz & Döring, 2009). Dazu gehört vor allem auch der Aspekt, dass professionelle und wissenschaftliche Beobachtung mit Hilfe von Beobachtungsinstrumenten durchgeführt wird, die der Prüfung anhand von Gütekriterien unterzogen werden können. Damit wird der Anspruch einer professionellen Beobachtung hervorgehoben, dass es sich nämlich dabei nicht um die Einholung subjektiver Eindrücke handelt, sondern um ein Verfahren, mit dem objektivierbare – d. h. von der Person der Beobachterin möglichst unabhängige – Befunde festgestellt werden können. Feger (1983) weist zusätzlich darauf hin, dass wissenschaftliche und professionelle Beobachtung auf der Basis einer konkreten Fragestellung erfolgt. Diese Fragestellung kann sowohl aus einer theoretischen Perspektive als auch aus praktischen Erfordernissen abgeleitet sein. Hier unterscheidet sich eine wissenschaftliche Beobachtung noch einmal von einer Beobachtung im Praxisfeld. Bei Beobachtungen, die für Forschungszwecke durchgeführt werden (z. B. welche Verhaltensweisen des pädagogischen Personals und der Elternteile die Eingewöhnung von Kindern positiv unterstützen), sind der Beobachtungsgegenstand und die Beobachtungskategorien anders zu bestimmen als bei praktischen Beobachtungsanlässen (z. B. Beobachtung zu der Frage, welche Interessen ein bestimmtes Kind aktuell hat). Eine theoretische Fundierung der Beobachtungskategorien ist auf jeden Fall notwendig. Im ersten Beispiel bei der wissenschaftlichen Fragestellung sind jedoch eher Indikatoren erforderlich, die sich auf Gruppenebene zusammenfassen lassen, während im zweiten Beispiel bei der praktischen Beobachtungsfrage differenzierte Beobachtungskategorien zur Beschreibung des individuellen Kindes nützlicher sind.

2.1.2     Beobachtung und Diagnose


Wenn Beobachtungen als diagnostische Instrumente eingesetzt werden, erfüllen sie prinzipiell alle Funktionen wie andere Diagnose-Instrumente auch. Das Grundverständnis von Diagnostik wird in Anlehnung an Jäger (2007, S. 95) folgendermaßen umrissen: »Diagnostik besteht im systematischen Sammeln und Aufbereiten von Informationen mit dem Ziel, Entscheidungen und daraus resultierende Handlungen zu begründen, zu kontrollieren und zu optimieren. Solche Entscheidungen und Handlungen basieren auf einem komplexen Informationsverarbeitungsprozess. In diesem Prozess wird auf Regeln, Anleitungen, Algorithmen usw. zurückgegriffen. Man gewinnt damit pädagogisch-psychologisch relevante Charakteristika von Merkmalsträgern und integriert gegebene Daten zu einem Urteil (Diagnose, Prognose). Als Merkmalsträger gelten Einzelpersonen, Personengruppen, Institutionen, Situationen, Gegenstände etc.« Ausgehend von dieser Auffassung von Diagnostik und zugehörigen Tätigkeiten wird noch einmal die Regelhaftigkeit unterstrichen, mit der diagnostische Information zusammengetragen wird. Darüber hinaus wird deutlich, dass die Merkmalsträger diagnostischer Information durchaus nicht nur Einzelpersonen sind. Auch Gruppen und Teams, Lern- und Arbeitsumwelten, Organisationen und die sachliche Umwelt können Gegenstand der Beobachtung sein. So können beispielsweise Gruppenräume auf Unfallrisiken hin beobachtet werden, genauso wie Teamsitzungen von pädagogischen Fachkräften auf Kommunikationsstrukturen oder Vater-Kind-Interaktionen auf strafendes und helfendes Verhalten beobachtet werden, um nur ein paar Beispiele zu geben.

2.1.3     Besonderheiten der Datenerhebung mittels Beobachtung


Beobachtung ist im Umfeld pädagogischer Einrichtungen eine zentrale Methode. Jenseits der Beobachtung sind selbstverständlich auch noch andere Verfahren denkbar, mit deren Hilfe diagnostische Informationen zusammengetragen werden kann. Neben Gesprächen, schriftlichen Befragungen oder Tests ist Beobachtung in pädagogischen Arbeitsumgebungen aus folgenden Gründen eine wichtige Informationsquelle:

•  Kommunikative Herausforderungen

In pädagogischen Zusammenhängen begrenzen häufig systematische Kommunikationshindernisse den Informationsaustausch. Kinder verfügen beispielsweise entwicklungsbedingt nicht über die Sprachfertigkeit, differenziert über sich selbst Auskunft zu geben, oder der Pädagoge hat nicht die Sprachkompetenz, die Äußerungen des Kindes differenziert zu verstehen (z. B. bei Kindern mit einer anderen Erstsprache als die Fachkraft).

•  Komplexität der Situation und der Handlungsanforderungen

Im Alltag handeln Menschen in komplexen Situationen, in denen sie viele Aspekte zugleich berücksichtigen und schnelle Entscheidungen treffen müssen. Sie sind dann im Nachhinein nicht mehr in der Lage, ihr eigenes Verhalten differenziert zu betrachten. Wenn z. B. eine Pädagogin einen Streit in einer Kindergruppe schlichtet, kann sie danach nicht unbedingt sagen, wie sie vorgegangen ist und wie sie das Vorgehen bewertet.

•  Grenzen der Selbstwahrnehmung

Nicht nur, aber sicher auch in pädagogischen Arbeitsbereichen stimmen Selbst-und Fremdwahrnehmung nicht notwendigerweise überein. Die Selbstwahrnehmung kann von Wunschdenken oder Erziehungsidealen geprägt sein. Eine pädagogische Fachkraft sagt von sich beispielsweise: »Ich stelle an Jungen und Mädchen die gleichen Anforderungen!«. Ob sie dieses selbstgesteckte Ziel auch einlöst, wird erst durch die Beobachtung ihres Vorgehens durch andere überprüfbar. Letztlich muss man davon...

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