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Beruflich qualifizierte Studierende. Heterogene Kapitalakkumulation, Work-Study-Life-Balance und Studienerfolg

Zielgruppenspezifische Studienfinanzierungsmodelle als Regulationsinstrument?

AutorThorsten Strama
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl76 Seiten
ISBN9783668135468
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,99 EUR
Forschungsarbeit aus dem Jahr 2015 im Fachbereich Pädagogik - Hochschulwesen, Note: 1,3, FernUniversität Hagen (Empirische Bildungsforschung), Sprache: Deutsch, Abstract: Die strikte institutionelle Segmentierung von allgemeiner und beruflicher Bildung, die Baethge als 'das deutsche Bildungs-Schisma' (2007, S. 93) bezeichnet, ist eine Erbschaft aus dem 19. Jahrhundert. Basierend auf der curricularen Ausrichtung des Gymnasiums zur Zeit des deutschen Bildungsidealismus entwickelte sich der Exklusivitätscharakter der Hochschulreife als Zugangsbefähigung zum tertiären Bildungssektor, der eine Hochschulöffnung für einen beruflich qualifizierten Personenkreis nachhaltig erschwerte. Wenngleich sich Kontroversen über liberalere Hochschulzugangsrechte für diese Zielgruppe bis in die Anfänge der Weimarer Republik zurückverfolgen lassen, sehen Kritiker hierin damals wie heute eine Abwertung des akademischen Systems (Wolter, im Erscheinen, Absatz 5-6). Die wohl einflussreichste Zäsur in diesem Entwicklungszeitraum stellt der Beschluss der Kultusministerkonferenz über den 'Hochschulzugang für beruflich qualifizierte Bewerber ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung' (KMK, 2009) dar, der für neue Dynamik im Diskursfeld des Dritten Bildungsweges sorgte. Hieraus sind mehrere politische Initiativen zur Förderung der Durchlässigkeit beider Subsysteme erwachsen (Nickel & Püttmann, 2015, S. 87; Wolter, im Erscheinen, Absatz 1; Wolter, Dahm, Kamm, Kerst, & Otto, 2015, S. 12). Ein Bereich, der von diesen Fördermaßnahmen jedoch weitgehend unberührt bleibt, ist die Studienfinanzierungssituation, die BQ-Studierende hinsichtlich relevanter Förderkriterien ausschließt. Weiterhin besteht ein noch sehr geringer Wissensstand über diese Zielgruppe, speziell was die zeitliche Aufwendung für Studium, Berufstätigkeit, Freizeit und Familie und die Gestaltung der W-S-L-Balance betrifft. Ebenso rudimentär sind empirische Erkenntnisse über den Studienerfolg und Studienabbruch - diese stammen überwiegend aus Studien der 1980er- und 1990er-Jahre (Nickel & Püttmann, 2015, S. 94; Otto & Herzog, 2013, S. 100; Jürgens & Zinn, 2015, S. 48). Diese empirische Forschungsarbeit widmet sich dem Dritten Bildungsweg unter den genannten Aspekten der Studienfinanzierung, W-S-L-Balance und Erfolgsfaktoren. Dabei soll in einer qualitativen Einzelfallanalyse erforscht werden, welche Auswirkungen zielgruppengerechte Studienfinanzierungsmodelle als Regulationsfunktion auf die W-S-L-Balance und den Studienerfolg der Zielgruppe erwarten lassen und welche Bedeutung in diesem Kontext der sozialen und ökonomischen Kapitalausstattung zukommt.

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Leseprobe

3. Empirischer Teil


 

3.1 Methoden


 

Das Forschungsdesign dieser Arbeit folgt einer Erhebung durch ein Experteninterview nach Gläser und Laudel (2010), das anhand der zusammenfassenden Inhaltsanalyse nach Mayring (2015) ausgewertet wird. Das methodische Vorgehen sowie der Feldzugang werden nachfolgend dargestellt. Feldforschung stellt dabei das Ziel einer jeden qualitativ orientierten Forschung dar, wobei der sehr allgemeine Begriff des Feldes sich auf Institutionen, Subkulturen, Familien oder Entscheidungsträger beziehen kann (Mayring, 2002, S. 57; Flick, 2014, S. 142).

 

3.1.1 Erhebungsmethode: Experteninterview


 

Bei der Wahl der Erhebungsmethode wird unter Betracht des angeeigneten Wissens über das Forschungsfeld die Überlegung angestellt, welche Befragungsvariante untersuchungsrelevante Daten produzieren kann (Gläser & Laudel, 2010, S. 103). Als Erhebungsmethode wird das nichtstandardisierte Leitfadeninterview gewählt, das in der qualitativen Forschung verwendet wird, wenn unterschiedliche Themenkomplexe behandelt werden, die vom Untersuchungsziel und nicht durch die Antworten der IP bestimmt werden. Personen, die in dem zu erforschenden Kontext über Expertenwissen verfügen, eignen sich für eine Befragung. Standardisierte Verfahren erweisen sich aufgrund der tiefgehenden Analyse als kontraproduktiv (Gläser & Laudel, 2010, S. 13, 37, 111). Da die Forschungsfrage der Arbeit einen multiperspektivischen Zugang zu den Themenbereichen Hochschulforschung, Bildungspolitik und Wirtschaft erfordert, eignet sich das Experteninterview im Hinblick auf das Forschungsziel hervorragend. Im Befragungsprozess stellen die Leitfragen eine Übersetzung der theoretisch ausgerichteten Forschungsfrage in die Empirie dar, die ein aktives Agieren im Feld ermöglichen und dabei sicherstellen, dass alle relevanten Informationen erhoben werden. Der Fokus sollte jedoch auf einen natürlichen Gesprächsverlauf gelegt werden, in dem der Interviewleitfaden als Checkliste fungiert, Reihenfolge und Art der Fragen jedoch variieren können (Gläser & Laudel, 2010, S. 42, 91). Bei der Wahl der IP orientiert sich diese Arbeit an der Expertendefinition von Gläser und Laudel, der zufolge „[dem Experten] die spezifische Rolle des Interviewpartners als Quelle von Spezialwissen über die zu erforschenden Sachverhalte [zukommt]“ (2010, S. 12). Diese exklusive Stellung im zu untersuchenden Kontext ermöglicht die Rekonstruktion sozialer Situationen oder Prozesse und eine darauf basierende Ableitung einer sozialwissenschaftlichen Erklärung (Gläser & Laudel, 2010, S. 12–13).

 

Um eine intersubjektive Nachvollziehbarkeit der nachgelagerten Auswertungsmethode (Kap. 3.1.3) zu gewährleisten, wird eine vollständige Transkription des Interviewverlaufes angefertigt. Hinsichtlich der Selektionskriterien während der Audiotranskription bestehen unterschiedliche Auffassungen in der Fachliteratur, jedoch sehen Gläser und Laudel eine direkte Zusammenfassung während des Transkriptionsvorgangs als das Ergebnis einer subjektiven und methodisch nicht nachvollziehbaren Reduktion des Ausgangsmaterials an (2010, S. 193).

 

3.1.2 Feldzugang


 

Die Kontaktaufnahme mit der interviewten Person erfolgte per E-Mail. Anliegen, Forschungsvorhaben und Erhebungsmethodik wurden kurz und prägnant geschildert, verbunden mit der Bitte um ein Skype-Interview. Eine Zusage mit Terminvorschlägen erfolgte bereits einige Stunden später. Die ursprüngliche Anfrage bezog sich auf ein virtuelles Interview, jedoch wurde umgehend eine Einladung sowie ein Angebot zur Fahrtkostenerstattung ausgesprochen. Bei der IP handelt es sich um einen Hochschulforscher und Professor für Erziehungswissenschaft an einer Hochschule in einer deutschen Großstadt. Die befragte Person verfügt aufgrund einer jahrzehntelangen Forschungserfahrung über profunde Expertise. Sie kann künftige Entwicklungen im tertiären Bildungssektor unter Einbezug aller „Variablen“ beurteilen, da sie sowohl in nationalen und internationalen Wissenschaftsverbänden tätig als auch auf bundespolitischer Bildungsebene aktiv ist. Ebenso forscht die IP in aktuellen Studien im Bereich des Dritten Bildungsweges, was ein umfassendes und aktuelles Wissen über das Diskursfeld sicherstellt. Somit ist die Eignung gemäß der Expertendefinition von Gläser und Laudel (2010), die in Kap. 3.1.1 angeführt wurde, mit Blick auf die Forschungsfrage gewährleistet. Das Interview wurde am 12.12.2015 wie geplant durchgeführt. Die Transkription sowie das Post-Interview-Memo sind in den Anhängen 5 und 6 einzusehen.

 

3.1.3 Auswertungsmethode: Qualitative Inhaltsanalyse


 

Das transkribierte Experteninterview wird mit der zusammenfassenden Inhaltsanalyse nach Mayring (2015) ausgewertet, deren Vorteil in einer systematischen und regelgeleiteten Vorgehensweise besteht, die das Material durch Abstraktion analytisch so reduziert, dass zentrale Inhalte erhalten bleiben. Die Deskription der einzelnen Interpretationsschritte sichert bei diesem Verfahren eine intersubjektive Nachvollziehbarkeit der Analyseergebnisse, die ein überschaubares Abbild des Grundmaterials repräsentieren (Gläser & Laudel, 2010, S. 204, 206; Mayring, 2015, S. 67). Abweichend von Mayring, der sich für die zusammenfassende qualitative Inhaltsanalyse auf eine induktive Kategorienbildung kapriziert, der keine vorab formulierten theoretischen Konzepte vorausgehen, wird in vorliegender Arbeit die deduktive Variante verwendet, bei der das Hauptkategoriensystem bereits vorher festgelegt wird. In Anlehnung an Gläser und Laudel, die Mayrings Vorgehen nach einem geschlossenen Kategoriensystem in der deduktiven Variante kritisieren, wird auf deren Adaption eines offenes Kategoriensystems zurückgegriffen, das bereits auf theoretischen Vorüberlegungen, Einflussfaktoren und den Kausalmechanismen der Hypothesen aufbaut, jedoch um nicht antizipierte Merkmalsausprägungen ergänzt werden kann (Mayring, 2015, S. 68, 85; Gläser & Laudel, 2010, S. 198–199, 201). Demnach ergibt sich aus der Ableitung der Themenbereiche des Interviewleitfadens (Anhang 3), dem alle theoretischen Vorüberlegungen immanent sind, folgendes

 

Kategorienschema:

 

K 1: Aktuelle Situation der Studienfinanzierung für BQ-Studierende

K 2: Szenarien zielgruppenspezifischer Studienfinanzierungsmodelle

K 3: Beteiligte Akteure

K 4: Studienfinanzierung, ÖK, SK, W-S-L-Balance und Studiendauer

K 5: Studienfinanzierung, ÖK, SK, W-S-L-Balance und Studienabbruch

K 6: Studienfinanzierung und Studienabschlussnote

K 7: Interdisziplinarität

 

An dieser Stelle werden die sieben methodischen Ablaufschritte der zusammenfassenden qualitativen Inhaltsanalyse dargelegt. Den Schritten zwei bis sieben liegen die Interpretationsregeln Z1–Z4 zugrunde, die aus Zusammenfassungsstrategien im Sinne eines psychologischen Textverarbeitungsprozesses, den Makrooperatoren, hervorgehen (Mayring, 2015, S. 44–45, 70–72).

 

Der erste Schritt besteht in der Bestimmung und Präzisierung der Analyseeinheiten. Als Kodiereinheiten werden klare und bedeutungstragende Aussagen verwendet, wobei die kleinste Kodiereinheit ein bedeutungstragendes Wort sein kann. Die Kontexteinheit legt den größten Textbestandteil fest, der unter eine Kategorie fallen kann. Diese umfasst das gesamte transkribierte Interview. Die Auswertungseinheit legt fest, welche Textteile jeweils nacheinander ausgewertet werden (Mayring, 2015, S. 61). In vorliegender Arbeit ist dies ebenfalls das gesamte transkribierte Interview, aus dem die Kodiereinheiten extrahiert und den entsprechenden Kategorien nach chronologischem Auftreten mit der jeweiligen Zeilennummer zugeordnet werden.

 

Im zweiten Schritt erfolgt die Paraphrasierung nach der Interpretationsregel Z1. Dabei werden die einzelnen Kodiereinheiten in eine kurze, inhaltsrelevante Form umgeschrieben. Textstellen, die sich als nicht oder nur sehr gering inhaltstragend erweisen, werden gestrichen, ebenso ausschmückende oder sich wiederholende Wendungen. Inhaltstragende Kodiereinheiten werden auf eine einheitliche Sprachebene übersetzt und in eine grammatikalische Kurzform transformiert (Mayring, 2015, S. 71). So wird aus der Aussage „Der Hauptengpass ist, glaube ich, beim Bafög, dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, weil das Bafög […]“ (ZN 190, S., 59) die Paraphrase „Hauptengpass liegt beim Bafög“.

 

Der nachfolgende dritte Schritt beinhaltet die Bestimmung des angestrebten Abstraktionsniveaus für die erste Reduktion auf Grundlage des vorliegenden transkribierten Materials. Paraphrasen, die unterhalb dieses Niveaus liegen, werden verallgemeinert, solche, die über diesem Niveau liegen, belassen, wodurch einige inhaltsgleiche Aussagen auftreten können (Z2-Regeln, Makrooperator-Generalisation) (Mayring, 2015, S. 71). So wird aus der Aussage

 

„Mehrfach aufgestockt, nachgebessert, mehrere tausend Personen gefördert“ (ZN 216, S. 59) die Generalisierung „Hohe Nachfrage und steigende Förderzahl“.

 

Inhaltsgleiche Aussagen werden im vierten Schritt nun in einer ersten Reduktion gestrichen, ebenso wird mit unwichtigen und nichtssagenden Paraphrasen verfahren (Z3-Regeln, Makrooperatoren Auslassen und Selektion) (Mayring, 2015, 71). Die oben aufgeführte Generalisierung (ZN 216) ist der Aussage „Hohe Nachfrage und...

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