Am 31.12.2006 lebten insgesamt 7.255.949 Menschen nichtdeutscher Staatsangehörigkeit in der Bundesrepublik und entsprachen damit einem Bevölkerungsanteil von 8,8 %.[10] Diese Zahlen geben jedoch nicht die ganze Wahrheit wieder, denn sie beziehen sich nur auf melderechtlich registrierte, d.h. vom Ausländerzentralregister erfasste Personen[11], und lassen somit Ausländer, die sich illegal in Deutschland aufhalten, unbeachtet.[12] Die Anzahl der Ausländer, die sich tatsächlich in Deutschland befinden, dürfte somit deutlich höher sein.[13]
An diese Feststellungen schließt sich nahtlos die Frage nach der Kriminalitätsbelastung der in Deutschland lebenden Nichtdeutschen an. Der PKS ist zu entnehmen, dass im Jahr 2006 im gesamten Bundesgebiet 503.037 nichtdeutsche Tatverdächtige ermittelt wurden. Bei einer Gesamttatverdächtigenzahl von 2.283.127 bedeutet dies einen Anteil von 22,0 %. Selbst wenn man aus Vergleichbarkeitsgründen die Straftaten gegen das AufenthG, das AsylVfG und das FreizügG/EU ausklammert, die nur in Ausnahmefällen in Form der Anstiftung und Beihilfe von Deutschen begangen werden können[14] und somit de facto ein ausländerspezifisches Sonderstrafrecht darstellen[15], liegt der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen mit 19,4 %[16] weit über dem Anteil Nichtdeutscher an der Bevölkerung der Bundesrepublik. Diese Relation stellt sich für bestimmte Deliktsgruppen sogar noch verschärft dar. So ergaben sich für das Jahr 2006 Tatverdächtigenanteile von 28,0 % für Mord und Totschlag, 28,9 % für gefährliche und schwere Körperverletzung und 29,6 % für Vergewaltigung und sexuelle Nötigung.[17]
Zu Recht wird jedoch darauf hingewiesen, dass der Anteil ausländischer Tatverdächtiger weder mit dem Anteil Nichtdeutscher an der Wohnbevölkerung, noch mit der Quote deutscher Tatverdächtiger ohne Weiteres verglichen werden kann.[18] Die Bevölkerungsstatistik erfasst nur Ausländer, die melderechtlich registriert sind und lässt solche unbeachtet, die sich illegal oder nur vorübergehend als Touristen oder Durchreisende in der Bundesrepublik aufhalten[19], während die PKS diese Gruppen, wenn sie straffällig werden, als Ausländer zählt. Somit verschieben sich die Vergleichsgrößen zu Ungunsten der Ausländer.
Auf Verfälschungen, die darauf beruhen, dass gewisse ausländerspezifische Straftatbestände von Deutschen kaum verwirklicht werden können, wurde bereits hingewiesen.
Die erhöhte Tatverdächtigenquote bei Nichtdeutschen ergibt sich ferner daraus, dass die besonders kriminogene Gruppe der männlichen Jugendlichen, Heranwachsenden und Jungerwachsenen bei ihnen permanent Zuwachs erfährt, während die Vergleichsgruppe bei den Deutschen, bedingt durch den Geburtenrückgang, eher schwindet.[20] Darüber hinaus übersieht ein Vergleich, dass sich die schichtspezifische Benachteiligung der Nichtdeutschen gegenüber den Deutschen regelmäßig negativ auf die Belastungszahlen der Nichtdeutschen auswirken wird. „Die Wahrnehmung einer sozialen Realität, die subjektiv als Bedrohung auch der eigenen Identität und des Selbstbildes empfunden wird, kann zu krimineller Aggressivität und Militanz führen, insbesondere dann, wenn sich die Nichtdeutschen marginalisiert und diskreditiert fühlen.“[21]
Schließlich bleibt darauf hinzuweisen, dass die Ausländer in der Bundesrepublik überwiegend in den großstädtischen Ballungsgebieten leben, in denen auch die deutsche Bevölkerung, schon wegen des Kriminalitätsangebotes, wesentlich mehr Straftaten begeht als auf dem Land.[22] Die Landbevölkerung nivelliert daher eher bei den Deutschen als bei den Ausländern die Durchschnittswerte.[23]
Zwar können diese Verzerrungseffekte nicht über eine überproportionale Kriminalitätsbelastung der in Deutschland lebenden Ausländer hinwegtäuschen. Sie können aber durchaus dazu auffordern, die Ergebnisse der PKS kritisch und mit dem nötigen Realitätssinn zu betrachten.
Die Begehung einer strafbaren Handlung durch einen Nichtdeutschen löst unterschiedliche Reaktionen des deutschen Staates aus. Neben die strafrechtliche Reaktion treten, anders als bei Straffälligkeit eines Deutschen, Maßnahmen des Aufenthaltsrechts.[24] Das AufenthG sieht als Konsequenz für strafbares Verhalten eines Ausländers die Möglichkeit der Beendigung des Aufenthaltes und somit die Ausreisepflicht des Betreffenden vor.[25]
Gemäß § 50 I AufenthG ist ein Ausländer zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt. Neben dem Widerruf (§ 52 AufenthG) kann gemäß §51 I Nr. 5 AufenthG unter anderem die Ausweisung des Ausländers den Aufenthaltstitel zum Erlöschen bringen. In diesem Fall hat der Ausländer das Bundesgebiet nach Maßgabe des § 50 II AufenthG zu verlassen.
Betrachtet man die §§ 53, 54, 55 AufenthG, ist Ausweisungsgrund primär die Straffälligkeit eines Ausländers.[26] Dies gilt für die zwingende Ausweisung iS des § 53 AufenthG ebenso, wie für die Ausweisung im Regelfall nach § 54 AufenthG. Auch im Rahmen von § 55 AufenthG verwirklicht der Ausländer schon mit Erfüllung der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen eines Straftatbestands einen Ausweisungsgrund.
Da die Ausweisungsfrage bei der überwiegenden Zahl ausländischer Straftäter von Relevanz ist[27] und in zentrale Bereiche des Strafvollzugs hineinwirkt, bedarf es einer vorgelagerten Darstellung der Systematik der ausweisungsrechtlichen Regeln.
Die zwingende Ausweisung[28] ist vorgesehen für Fälle schwerwiegender strafrechtlicher Verurteilungen. So setzt § 53 Nr. 1 Alt. 1 AufenthG eine Verurteilung wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens drei Jahren voraus. Alt. 2 verlangt mehrere Verurteilungen zu Freiheits- und Jugendstrafen von insgesamt drei Jahren wegen vorsätzlicher Straftaten innerhalb von fünf Jahren oder die Anordnung von Sicherungsverwahrung bei der letzten Verurteilung. Gemäß § 53 Nr. 2 AufenthG führt die rechtskräftige Verurteilung wegen einer Vorsatztat im Bereich des Rauschmittel- oder Versammlungsrechts zu einer Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren oder einer Freiheitsstrafe ebenfalls zwingend zur Ausweisung. Die Strafen müssen nach dem BtmG oder §§ 125, 125a StGB rechtskräftig verhängt und dürfen nicht zur Bewährung ausgesetzt sein.[29] Nach § 53 Nr. 3 AufenthG genügt schließlich auch eine Verurteilung zur Freiheitsstrafe wegen Einschleusens von Ausländern gemäß §§ 96, 97 AufenthG.[30] Eine Mindeststrafzeit ist nicht bestimmt, die Strafe darf jedoch auch hier nicht zur Bewährung ausgesetzt sein.
Verwirklicht ein Ausländer den Tatbestand des § 53 AufenthG, erfolgt seine Ausweisung aufgrund einer gebundenen Entscheidung der Ausländerbehörde.[31] Für eine Gefahrenprognose bzw. für Ermessenserwägungen, insbesondere für eine Güter- und Interessenabwägung, lässt die Vorschrift keinen Raum.[32] Die Ausweisung erfolgt also selbst, wenn wahrscheinlich künftig keine Gefahr von dem Ausländer ausgeht und somit kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Beendigung seines Aufenthalts besteht.[33] Der Vorwurf, die Vorschrift verstoße wegen dieses Ausschlusses jeglicher Ausnahme- und Härtefallentscheidung gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip, wurde vom BVerwG ausgeräumt.[34]
Eine Ausweisung im Regelfall kommt bei den in § 54 AufenthG[35] näher bestimmten strafrechtlichen Verfehlungen bzw. bei einem Verdacht terroristischer Bestrebungen in Betracht.[36] Sie setzt nach § 54 Nr. 1 AufenthG tatbestandlich voraus, dass eine Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren oder eine nicht zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten verhängt wurde. Hat sich ein Ausländer gemäß §§ 96, 97 AufenthG strafbar gemacht und wird er daraufhin rechtskräftig zu einer nicht zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verurteilt, greift § 53 Nr. 3 AufenthG. Für die Regelausweisung nach § 54 Nr. 2 AufenthG genügt jede andere Strafbarkeit aus §§ 96, 97 AufenthG, denn das Einschleusen von Ausländern gilt als besonders gemeinschädlich und schlecht zu bekämpfen.[37] § 54 Nr. 3 AufenthG knüpft die Regelausweisung an einen vorsätzlichen bzw. fahrlässigen und schuldhaften[38] Verstoß gegen das...