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E-Book

The Big Bang Theory und die Philosophie

Stein, Papier, Schere, Aristoteles, Locke

VerlagRowohlt Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl368 Seiten
ISBN9783644530614
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Was würde Aristoteles über Sheldon Coopers Leben sagen? Warum würde Thomas Hobbes die Mitbewohner-Vereinbarung gutheißen? Und wen würde Immanuel Kant dafür verspotten, un-unentwirrbare Lügengespinste zu spinnen? «The Big Bang Theory und die Philosophie» liefert die Antworten und verbindet auf unwiderstehlich streberhafte Weise die Theorien der größten Denker der Welt mit Einblicken in die genialen Köpfe der Kult-Serie. Es gibt viele Bücher über Philosophie, doch nur diesem gelingt ein formvollendeter Bogenschlag zu Darth Vader, Mr. Spock, Wolverine, Superman, Green Lantern und «World of Warcraft». Bazinga!

William Irwin ist Professor der Philosophie am King's College in Wilkes Barre, Pennsylvania. Dean Kowalski ist Privatdozent an der University of Wisconsin-Waukesha.

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Leseprobe

Teil Eins

«Alles begann an einem warmen Sommerabend im antiken Griechenland»
Aristotelische Einsichten


1 Sheldon Cooper frei nach Aristoteles:
Grieche, antik, trifft auf neuzeitlichen Geek
Greg Littmann


Falls ich jetzt wieder sprechen darf, Doktor Sheldon Cooper hat’s voll drauf.

– Dr. Sheldon Cooper, «Unflotter Dreier»

Sollten wir wie Sheldon Cooper leben? Denken Sie scharf nach, Sie können sich nicht den Luxus erlauben, in dieser Frage keine Meinung zu haben. Vierzehn Milliarden Jahre nach dem Urknall hat die Evolution ein Lebewesen hervorgebracht, das sich entscheiden muss, wie es leben möchte – der Mensch. Wie Sheldon in der Episode «Der Cooper-Hofstadter-Antagonismus» sagt: «Wir müssen Nahrung zu uns nehmen, Exkremente ausscheiden und Sauerstoff einatmen, um ein vorzeitiges Absterben der Zellen zu verhindern. Alles andere ist optional.» Sollten wir nicht versuchen, mehr über die Welt zu erfahren? Ist es in Ordnung, unglaublich viel Zeit damit zu verbringen, Comics zu lesen und fernzusehen? Wäre es womöglich besser, unser soziales Leben zu vernachlässigen, um Zeit für andere Dinge zu haben? Das Geek-Leben, das Sheldon führt, mag zwar eine völlig neue Option in der menschlichen Geschichte darstellen, doch die Frage, wie wir unser Leben leben sollten, ist so alt wie die Menschheit.

Nachfolgend wollen wir ebendieser Frage nachgehen, und zwar indem wir Sheldons Lebensweise mit den Idealen vergleichen, die der griechische Philosoph Aristoteles aufstellte, übrigens einer der einflussreichsten Denker aller Zeiten. Das Interessante dabei ist die Frage, inwieweit sich sein antikes Konzept eines guten Lebens auf einen neuzeitlichen Geek wie Sheldon anwenden lässt. Hierbei soll uns Aristoteles nicht als Guru dienen, dessen Antworten wir unkritisch übernehmen, vielmehr wollen wir mit seiner Hilfe unsere eigenen Lebensbedingungen beleuchten, um ein wenig Licht in die wichtigste aller Fragen zu bringen: «Wie sollten wir unser Leben gestalten?» Doch bevor wir mit Aristoteles loslegen, noch eine Frage zu Beginn: «Was heißt es eigentlich, Sheldons Leben zu leben?»

Ein vom Verstand bestimmtes Leben


Bernadette: «Sheldon, wann hast du das letzte Mal richtig geschlafen?»

Sheldon: «Keine Ahnung, vor zwei, drei Tagen. Unwichtig. Ich brauche keinen Schlaf, sondern Antworten. Ich will herausfinden, wo in diesem Morast von asymmetrischen Formeln die Unke der Wahrheit hockt.»[1]

Wenn es etwas gibt, das Sheldon von anderen unterscheidet, dann ist es die Tatsache, dass er fast sein ganzes Leben ausschließlich mit Nachdenken verbringt. Er arbeitet mit seinem Kopf, und wenn er gerade nicht arbeitet, entspannt er sich bei Gedankenspielen und Denksportaufgaben. Der Gedanke, er könne seine Intelligenz einbüßen, macht Sheldon mehr Angst als die Vorstellung, sein Leben zu verlieren. Als Amy ihm in der Folge «Ein Traum von Bollywood» vorschlägt, er solle die Erinnerung an die schlechte Evaluierung durch seine Studenten mit einem Laser aus seinem Gedächtnis löschen, weigert er sich mit der Begründung: «Eine minimale Abweichung reicht aus, und auf einmal hocke ich bei den Ingenieuren und baue mit Wolowitz Kinkerlitzchen.»

Mit seinem Körper kann Sheldon sich überhaupt nicht identifizieren. Wenn dieser sich verbessern ließe, würde er an ihm so bedenkenlos herumschrauben wie an einer Maschine. In der Episode «In der Kreditklemme» offenbart er, dass er hofft, die Wissenschaft möge bald «eine bezahlbare Methode (entwickeln), um ein Skelett mit Adamantium zu verschmelzen, wie bei Wolverine». Hätte er die Möglichkeit, würde er seinen Körper ohne mit der Wimper zu zucken komplett aufgeben. In der Folge «Der sicherste Ort der Welt» hofft er auf «den Eintritt des singulären Ereignisses (…), zu dem der Mensch fähig sein wird, sein Bewusstsein in Maschinen zu übertragen und dadurch unsterblich zu werden». Außerdem fühlt er sich geschmeichelt, als man ihm sagt, er habe eine gewisse Ähnlichkeit mit C-3PO, und einer seiner Träume ist es erklärtermaßen, ein denkender Satellit in der geostationären Erdumlaufbahn zu werden. Vergleichen Sie das mal mit Raj! Obwohl auch Raj mehr als glücklich wäre, wenn er seinen Körper upgraden könnte, besteht sein Ziel nicht darin, einen für das Denken optimierten Körper zu besitzen, sondern einen, mit dem sich die pure Lust erleben lässt. In «Drei Monate im Eis» denkt er laut darüber nach: «Meine Religion lehrt uns, wenn wir in diesem Leben leiden, werden wir belohnt im nächsten. Drei Monate am Nordpol mit Sheldon, und ich werde wiedergeboren als gut bestückter Milliardär mit Privatjet.»

Sheldon ist im Grunde froh darüber, dass er gut und gerne ohne rein körperliche Vergnügungen auskommen kann. Zwar ist er extrem pingelig, wenn es um seinen Körper geht – das Essen muss genau das richtige sein, die Temperatur muss exakt die richtige sein und er muss auf seinem Platz in seiner Ecke des Sofas sitzen. Dennoch stellt sein Körper eher einen Störfaktor dar, der ihn unzufrieden macht, als ein Quell der Freude. Sex interessiert ihn nicht die Bohne. Er denkt nicht einmal daran, Leonard zu widersprechen, sondern pflichtet ihm bei, als dieser in der Episode «Das Vorspeisen-Dilemma» spöttisch bemerkt, Sex habe nicht mehr zu bieten als «Nacktheit, Orgasmen und menschlichen Kontakt». In «Das Cooper-Nowitzki-Theorem» fragt Penny bei Leonard nach: «Du weißt schon, worauf steht er? Mädchen? Jungs? Aufblaspuppen?» Und Leonard muss zugeben: «Um ehrlich zu sein, haben wir bisher angenommen, dass er auf nichts und niemanden steht.» Was das angeht, ist Sheldon der Ansicht, dass wir alle ein wenig mehr sein sollten wie er. In der Folge «Die Streichelmaschine» sagt er über Leonard: «Meiner Ansicht nach ist sein Sexualtrieb überentwickelt. Das führt zu Fahrigkeit.» Wie sehr Sheldon allein schon der Gedanke an Sex zuwider ist, offenbart sich unter anderem in der Folge «Der Gestank der Verzweiflung», als er Amy tatsächlich anzubieten scheint, einmal mit ihr zu schlafen – nur um gleich mit einem «Bazinga!» klarzustellen, dass es sich nur um einen Scherz handelt. Leonard, Raj und Howard sind den Freuden des Sex hingegen keineswegs abgeneigt. Howard sieht sein Interesse an Sex sogar als Wesensmerkmal seiner Persönlichkeit. In «Die Zeitmaschine» sagt Penny zu Leonard: «(…) es sind die Dinge, die du liebst, die dich zu dem machen, was du bist», woraufhin Howard einwirft: «Dann bin ich wohl ein Atombusen.»

Alter Grieche und junger Geek


Sheldon: «Ich bin Physiker. Ich habe fundierte Kenntnisse über das gesamte Universum und alles was darin ist.»

Penny: «Wer ist Radiohead?»

Sheldon: «Ich habe bedeutende Grundkenntnisse über die wichtigen Dinge innerhalb unseres Universums.»[2]

Hat Sheldon recht damit, dass das beste Leben für den Menschen ein rein intellektuelles ist? Sokrates (469–399 v. Chr.), Platon (428–348 v. Chr.) und Aristoteles (384–322 v. Chr.), die «großen Drei» unter den griechischen Philosophen, stellten allesamt das Geistige über das Sinnliche. Die gleiche Meinung vertraten eine Reihe anderer antiker philosophischer Schulen, darunter die Kyniker, die Epikureer und die Stoiker.

Aristoteles glaubte, dass sich die Funktion einer Sache davon ableiten lässt, was sie am besten kann. Ein DVD-Player ist am besten dazu geeignet, DVDs abzuspielen, und ein Schraubenzieher ist die beste Wahl, wenn du an deinem Festplattenrecorder die Schrauben lösen musst, weil du eine größere Festplatte installieren möchtest. Denn im Lösen und Anziehen von Schrauben besteht nun einmal die spezifische Funktion des Schraubenziehers. Jeder Fisch kann schwimmen, und jedes Pferd kann galoppieren, das macht ihre jeweilige Funktionalität aus.

Aus dieser Perspektive betrachtet, scheint der Mensch nicht gerade für besonders viele Dinge gut zu gebrauchen zu sein. Verglichen mit den in ihren jeweiligen Spezialgebieten sehr leistungsfähigen Tieren sind wir Menschen lahm, schwach, ungelenk – und uns dessen nicht einmal bewusst. Wir sind einfach nur ein fettes Stück Frischfleisch auf kurzen nutzlosen Beinchen. Worin der Mensch aber ziemlich gut ist, ist das Denken. In der Tat sind wir im Denken besser als jede andere Spezies – zumindest soweit wir das beurteilen können. Daraus kann man schließen, dass unsere Funktion im Denken besteht, womit ein geistig erfülltes Leben das beste Leben für uns Menschen darstellt. Aristoteles wollte damit nicht etwa sagen, dass wir uns niemals ertüchtigen, niemals Sex haben oder niemals irgendwelche anderen körperlichen Tätigkeiten ausüben sollten. So, wie wir nun einmal sind, wäre das nicht ansatzweise praktikabel. Der Körper ist nun einmal da, aber eigentlich nur, um ein Leben in geistiger Betätigung zu unterstützen – und ebendiese geistige Betätigung macht die Essenz des Menschseins aus. Aristoteles schrieb: «Was einem Wesen von Natur eigentümlich ist, ist auch für es das Beste und Genussreichste. Für den Menschen ist dies das Leben gemäß dem Geiste, da ja dieses am meisten der Mensch ist.»[3] Aristoteles war fest davon überzeugt, dass das ideale Leben aus reinem Denken besteht, ein fast schon übermenschliches Leben, das sich der...

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