VORWORT
„Business“ ist ein doppeldeutiger Begriff. Einerseits verweist er auf eine Tätigkeit, nämlich „Geschäfte machen“, und Big Business bedeutet also, in großem Stil Geschäfte machen, sich um wichtige Geschäfte kümmern, um Tätigkeiten, die beachtliche Gewinne einbringen. Andererseits wird der Begriff „business“ auch dann benutzt, wenn von der Gesamtheit der Personen die Rede ist, welche Geschäfte machen. In diesem Sinn bezeichnet man als Big Business diejenigen, welche mit wichtigen Geschäften zu tun haben, und das in großem Stil, also Personen an der Spitze großer Banken und Unternehmen, wo sie dicke Gewinne einfahren – mit anderen Worten, Großindustrielle und Banker. Man kann sie auch „Kapitalisten“ nennen, besitzen und verwalten sie doch das „Kapital“; man könnte sogar Big Business mit „das große Kapital“ übersetzen, oder ganz einfach mit „das Kapital“.
À propos: Der Begriff „Kapital“ bezeichnet nicht allein das Geld im Allgemeinen und insbesondere das „dicke Geld“, sondern ebenfalls – und das vor allem – die „Produktionsmittel“, also die Unternehmen, die erforderliche Technologie, den Grundbesitz etc.: die Faktoren, welche in Verbindung mit den Rohstoffen und der von den Arbeitern und anderen „Arbeitnehmern“ geleisteten Arbeit Reichtum produzieren1.
Die Produktion von Reichtum ist also ein Vorgang, bei dem das Kapital mit der Arbeit und den Rohstoffen zusammengebracht wird. Wir sollten hier noch anmerken, dass dieser Produktionsprozess keine individuelle Angelegenheit ist, sondern ein kollektiver oder sozialer Prozess; der so geschaffene Reichtum als solcher ist demnach ein soziales Produkt, ein „Sozialprodukt“. Allerdings fällt in einem kapitalistischen System der Löwenanteil dieses Sozialprodukts den Kapitaleigentümern zu, nämlich in Form der Gewinne. Diejenigen, die ihre Arbeitskraft zur Verfügung gestellt haben, erhalten einen relativ geringen Anteil in Form von Lohn oder Gehalt.
In der „westlichen Welt“ von heute gehören Großindustrielle und Banker im Allgemeinen der Oberklasse der Gesellschaft an, der besitzenden Klasse. In Europa war diese Oberklasse früher die Domäne des Adels, der Aristokratie, deren Reichtum und Macht auf ihrem Eigentum an Ländereien beruhte. Heute besteht die gesellschaftliche Oberklasse vorwiegend aus Industriellen und Bankern, die gelegentlich auch über einen beachtlichen Grundbesitz verfügen, und aus einer relativ begrenzten Anzahl von Aristokraten. Letztere sind immer im Besitz großer Ländereien, heutzutage jedoch ebenfalls von umfangreichen Aktienpaketen großer Unternehmen; man kann sie also auch als Großindustrielle betrachten, als Kapitalisten. So verfügt etwa die britische Königsfamilie nicht nur - wie schon seit hunderten von Jahren - über einen riesigen Landbesitz, sondern ist auch einer der wichtigsten Aktionäre von Unternehmen wie Shell2.
Von Zeit zu Zeit kommen Vertreter der internationalen Großindustrie und des alten europäischen Adels an „exklusiven“ Orten zusammen, beispielsweise im schweizerischen Davos oder im niederländischen Bilderberg, um dort gemeinsame Probleme zu besprechen. Man kann nicht sagen, dass dort „Verschwörungen“ organisiert werden, aber mit Sicherheit werden dort Pläne geschmiedet und vielversprechende junge Politikerinnen und Politiker „getestet“, die für hohe Ämter in Frage kommen könnten und bei denen man sicher sein muss, dass sie sich die Interessen der Elite zu eigen machen. So stellten sich 1991 bzw. 1993 Bill Clinton und Tony Blair in Davos vor, um das Plazet der Großen der Welt zu erhalten3. Diese Elite schwimmt im Geld, deshalb ist sie äußerst einflussreich und mächtig; wir haben es hier wirklich mit einer „Machtelite“ zu tun, doch greifen ihre Mitglieder normalerweise nicht direkt in die Politik ein. Sie bleiben lieber hinter den Kulissen und überlassen die politische Arbeit zuverlässigen Spitzenpolitikern aus zuverlässigen Parteien. Politikern wie Clinton und Blair etwa, beides Männer von relativ bescheidener Herkunft, die nicht sofort als Angehörige der Elite identifiziert werden. Diese Strategie ist einsichtig, haben wir es hier doch mit demokratischen Systemen zu tun, von denen schließlich erwartet wird, dass sie sich der Interessen des „Volkes“ annehmen.
Man sollte die großen Geschäftsleute, die Großunternehmer, also die wirklichen Kapitalisten, nicht mit kleinen Geschäftsleuten in einen Topf werfen, mit selbständigen Gewerbetreibenden und Leitern kleiner Unternehmen. Die „kleinen“ Geschäftsleute gehören nicht zur Oberklasse, sondern zur Mittelklasse oder, präziser ausgedrückt, zu dem Teil der Gesellschaft, der in der Soziologie als „untere Mittelklasse“ bezeichnet wird. Den Begriff „obere Mittelklasse“ verwenden Soziologen und Historiker für jene Industriellen, Banker und Vermögenden, denen es im Verlauf des 19. Jahrhunderts gelang, an die Spitze der gesellschaftlichen Hierarchie vorzustoßen, die vorher nur dem Adel vorbehalten war; vielfach konnten sie den Adel auch von dort verdrängen. Wenn wir von den wirklichen Großunternehmern der Oberklasse sprechen, so bezeichnen wir sie auch als „Großbürgertum“, die kleinen Geschäftsleute dagegen als „Kleinbürgertum“. Betrachten wir die soziale Pyramide, so steht unter dem Kleinbürgertum die Masse der „Arbeitnehmer“, der abhängig Beschäftigten: die Menschen, welche mit ihrer Arbeit am Produktionsprozess beteiligt sind und die deshalb einen Lohn oder ein Gehalt bekommen. Früher waren das vor allem Arbeiter, Fabrikarbeiter, aber nachdem der Begriff „Arbeiterklasse“ durch einen semantischen Zaubertrick in der Versenkung verschwunden ist, sind heute abhängig Beschäftigten ein Teil der Mittelklasse.
Es ist das A und O des Big Business, größtmögliche Gewinne zu erzielen, die Profite zu „maximieren“. Um diesem Ideal nahe zu kommen, sind Großunternehmer vielleicht nicht zu allem bereit, aber doch fast. Man muss bereit sein, die Konkurrenz zu eliminieren, seinen Arbeitern und Angestellten längere Arbeitszeiten zuzumuten oder sie zu entlassen, Löhne und Gehälter drastisch zu kürzen, Preise hochzutreiben, etc. Solche Maßnahmen sind nicht zu vermeiden, will man der Konkurrenz keinen Vorsprung lassen. So läuft es in der Welt des Big Business, oder anders ausgedrückt: im sozioökonomischen System, welches wir Kapitalismus nennen. Und die intellektuellen Gurus dieses Systems tun alles, um uns zu überzeugen, dass der Kapitalismus das einzig mögliche sozioökonomische System ist und es absolut keine Alternative dazu gibt.
Die Geschichte des Kapitalismus zeigt uns, dass die Großunternehmer das politische System der Demokratie schätzen, solange man dort üppige Gewinne erzielen kann. Sind sie aber der Meinung, mit einem „starken Mann“ an der Spitze des Staates – mit anderen Worten, in einer Diktatur - ließen sich höhere Gewinne erzielen, dann zeigen sie sich bereit, bei der Etablierung einer starken Regierungsmacht mitzuwirken. Im Allgemeinem können sie dabei auf die Unterstützung der Großgrundbesitzer zählen, welche mit ihnen zusammen die Spitze der Pyramide bilden. Sehen die Großunternehmer sich gezwungen, einen Teil der Soziallasten zu übernehmen und ihren Arbeitskräften relativ hohe Löhne und Gehälter zu zahlen, können aber dennoch hohe Gewinne erzielen, so werden sie dazu bereit sein – vor allem dann, wenn sie andernfalls mit Protestbewegungen oder sogar einer Revolution rechnen müssten. Drohen die Soziallasten und die Lohn- und Gehaltskosten aber die Unternehmensrentabilität zu schmälern, so werden Unternehmenseigner und Manager bereit sein, Löhne und Gehälter zu drücken und die Sozialleistungen anzugreifen. Beide lieben den Frieden, aber wenn der Krieg höhere Gewinne verspricht, so werden sie nicht zögern und sich hineinstürzen, umso mehr angesichts einer Tatsache, die Sartre in die folgenden Worte fasste: „Wenn die Reichen sich bekriegen, dann sind es die Armen, die sterben müssen.“
Bis hier ist unser Vorwort relativ abstrakt, doch geht es in dem vorliegenden Buch schließlich genau darum, diese Theorie zu veranschaulichen. Wir haben die Einstellung bedeutender Geschäftsleute, Industrieller und Banker aus Deutschland und den USA zu Hitler und zum Nationalsozialismus sowie zum Faschismus ganz allgemein untersucht, wobei der Nationalsozialismus die deutsche Ausprägung des Faschismus darstellte. Die Kapitalisten beider Länder haben nur zu gern Geschäfte mit Hitler gemacht, und aus dieser Zusammenarbeit zogen beide Seiten, sowohl Industrielle und Banker als auch Nazis, den erhofften Nutzen: üppige Gewinne die einen, Zugang zu den Hebeln der Macht die anderen.
Das Tandem deutsche Großindustrie und deutsche Hochfinanz, die Spitzen von Industrie und Finanz des Landes oder zumindest ein ansehnlicher Teil dieser deutschen Elite hat Hitler bei seinem langsamen Aufstieg unterstützt und ihm geholfen, an die Macht zu kommen, und das nicht nur finanziell. In diesem Sinn ging das deutsche Big Business tatsächlich „mit“ Hitler. Und das deutsche Big Business (bzw. das „Kapital“) hat später die Früchte geerntet, nämlich riesige Gewinne dank Hitlers regressiver Sozialpolitik, dank seines groß angelegten Aufrüstungsprogramms und seiner Eroberungsfeldzüge, dank der Ausplünderung der besetzten Länder durch die Nazis und sogar dank ihrer Verbrechen, die Enteignung und systematische Ausrottung der europäischen Juden nicht ausgenommen.
Wir werden in diesem Buch unter anderem sehen, wie das von Bayer, Hoechst und der BASF gebildete Konzern IG Farben den Aufstieg Hitlers unterstützte, eng in sein Aufrüstungsprogramm eingebunden war und im Krieg Unsummen verdiente, indem er in allen...