„Ohne Wandel kein Wachstum – wer abbaut, verliert“[6]
Diese provokante Aussage aus dem Titel des Buches „Der Innovationskreis“ von Tom Peters, einem bekannten amerikanischen Autor, Seminarleiter und Forschungsreisenden, soll verdeutlichen, dass Veränderungen im Sinne von „Erneuerung“ eine wesentliche Antriebskraft für gesellschaftliche und wirtschaftliche Fortentwicklung darstellen. Der Begriff „Erneuerung“, der sich aus dem lateinischen „innovatio“ ableitet und heute als „Innovation“ zum Modewort geworden ist, betrifft alle Bereiche der Gesellschaft, vor allem jedoch Unternehmen.
Aufgrund dessen werden in diesem Kapitel einerseits unterschiedliche ökonomische Theorien dargestellt und andererseits wird auf ausgewählte Beispiele zu Veränderungen im Zusammenhang mit Innovationen im Unternehmensbereich eingegangen. Im Anschluss daran folgt ein Überblick zur Innovationstätigkeit in Österreich, der sich vorwiegend auf ausgewählte Ergebnisse der „3. Europäischen Innovationserhebung“ sowie des Österreichischen Forschungs- und Technologieberichtes 2002 bezieht.
Innovationstheorie nach Schumpeter
Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts definierte der österreichische Nationalökonom Joseph Alois Schumpeter Innovationen als „Durchsetzung neuer Kombinationen“ mit denen Unternehmen aus Gewinnstreben die „ausgefahrenen Bahnen der statischen Wirtschaft verlassen“[7]. Die wirtschaftliche Entwicklung wird jedoch nach Ansicht Schumpeters erst durch die „schöpferische Zerstörungskraft“ der Innovationstätigkeit vorangetrieben. In seinem Werk „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“, das erstmals 1912 erschien, unterscheidet Schumpeter zwei Personengruppen, auf die er das Grundphänomen der ökonomischen Weiterentwicklung von Unternehmen und Volkswirtschaften zurückführt[8]: Dynamische Unternehmer und Financiers.
Aufgrund seiner Risikobereitschaft, seiner Persönlichkeitsstruktur und seinem Weitblick gelingt es dem „dynamischen Unternehmer“ als Erstem, neue Erfindungen wirtschaftlich zu nutzen. Erzielen diese Erfindungen einen erheblichen Vorteil gegenüber der bestehenden Situation, beginnt der Prozess der schöpferischen Zerstörung, der für die gesamte Volkswirtschaft relevant ist: Die bis dato etablierten Produkte und Verfahren werden von der erfolgreichen Neuerung im Zeitablauf abgelöst. Wenn der dynamische Unternehmer durch seine Neuerung einen Wettbewerbsvorsprung vor den Konkurrenten erreicht und damit eine monopolähnliche Stellung einnehmen kann, profitiert er von Pioniergewinnen, die die so genannte „Monopolrente“ darstellen. Eine Monopolstellung eines Wettbewerbers stellt jedoch einen für die Wettbewerbssituation unbefriedigenden Zustand dar. Dieser Nachteil wird aber dadurch (mehr als) ausgeglichen, dass die gesamte Volkswirtschaft durch die Neuerung des dynamischen Unternehmers von einer höheren Produktivität und, zusammenhängend damit, von einem höheren Wohlfahrtsniveau profitiert. Durch die Imitation der Neuerung im Zeitablauf kommt es zu einem Anpassungsprozess, der in einem wirtschaftlichen Gleichgewicht, jedoch auf höherem Niveau, resultiert. Dieses Gleichgewicht wird erst durch weitere erfolgreiche Innovationen gestört.
Die „dynamischen Financiers“ stellen den zweiten Faktor im Prozess der wirtschaftlichen Entwicklung dar. Da ausreichende Finanzierungsmöglichkeiten (nach Schumpeter in der Regel Bankkredite) erst die Durchsetzung von Innovationen ermöglichen, kommt den Kapitalgebern (Bankiers) durch die Investition in mehr oder weniger riskante Neuerungen eine besondere Bedeutung im Innovationsprozess zu.
Neben Schumpeter vertrat auch der deutsche Volkswirt Helmut Arndt die Auffassung, dass die ständige Konkurrenz innovativ-bahnbrechender Pionierunternehmen und imitierender Nachfolger die einzig sinnvolle Form des ökonomischen Wettbewerbs darstellt und unterstrich den elementaren gesamtwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Charakter von Innovationen und von Unternehmen, die Innovationen durchführen.[9]
Die Werke Schumpeters und Arndts stellen erste Meilensteine der modernen Innovationsforschung dar, weil sie zeigen, dass der technologische Fortschritt die wirtschaftliche Entwicklung von Unternehmen, Regionen und/oder ganze Nationen positiv beeinflusst.
Die Wachstums- und Konjunkturtheorie
Eine makroökonomische Theorie, die die Bedeutung von Innovationstätigkeit für wirtschaftliches Wachstum unterstreicht, ist die „Wachstums- und Konjunkturtheorie“. Diese Theorie stellt die stark positive Korrelation zwischen der Existenz und der Intensität der Innovationstätigkeit einerseits und dem Ausmaß des gesamtwirtschaftlichen Wachstums andererseits dar. Für Produkt- und Prozessinnovationen konnten jedoch unterschiedliche Folgewirkungen[10] identifiziert werden:
Produktinnovationen sind neu entwickelte materielle oder immaterielle Wirtschaftsgüter, die auf die bedarfsgerechte Erneuerung und Verbesserung der Erzeugnisse oder Dienstleistungen von Unternehmen abzielen[11]. Deren positive Auswirkung in volkswirtschaftlicher Hinsicht besteht in der Befriedigung konkreter Kundenbedürfnisse sowie der verbesserten Erlössituation und Marktposition der Anbieter (hervorgerufen durch die abgesetzte Menge und/oder die erzielten Absatzpreise). Prozess- oder Verfahrensinnovationen hingegen zeigen ihre Wirkung auf der Angebotsseite, da ein effizienterer Leistungserstellungsprozess eine Erhöhung der Arbeitsproduktivität zur Folge hat und somit das volkswirtschaftliche (Real-) Einkommen gesteigert werden kann.[12]
Die Kondratieff-Zyklen
Ein weiterer Faktor von großer volkswirtschaftlicher Bedeutung sind die Sachinvestitionen, die die Innovationstätigkeiten von Unternehmen mit sich bringen: Die Errichtung von F&E-Abteilungen, der Kauf neuer Maschinen oder die Rekrutierung von zusätzlichem Personal. Dieses Investitionsverhalten wirkt sich sowohl bei Lieferanten und Dienstleistern auf der Beschaffungsseite als auch beim Handel (Absatzseite) positiv aus. Um die volkswirtschaftliche Bedeutung zu untermauern, werden im Folgenden die so genannten „Kondratieff-Zyklen“ dargestellt, die lange Konjunkturwellen darstellen und im Jahre 1926 vom russischen Wissenschaftler Nikolai D. Kondratieff theoretisch analysiert wurden.
Abbildung 1: Die fünf langen Konjunkturwellen (Kondratieff-Zyklen)
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Vahs, Burmester (2002), S. 6, und Nefiodow (1999), S. 3
Wie in Abbildung 1 ersichtlich, können für den Zeitraum der letzten zwei Jahrhunderte fünf klassische lange Konjunkturwellen nachgewiesen werden. Diese sind auf epochale (technische) Basisinnovationen zurückzuführen, die jeweils eine Aufschwungphase von 50 bis 60 Jahren (auch durch weitere Zusatzinnovationen bedingt) zur Folge haben bzw. hatten und zu einer Erhöhung des Volkseinkommens beitragen bzw. beigetragen haben.
Die Erfindung der Dampfmaschine durch den Engländer James Watt im Jahre 1769 etwa kann als eine grundlegende Voraussetzung für den Übergang von der handwerklichen zur industriellen Produktion bezeichnet werden, da durch die Möglichkeit der ortsungebundenen Energieerzeugung Industriebetriebe mit Serien- und Massenproduktion entstanden. Die zweite Kondratieff-Welle steht für die Entwicklung der Stahlindustrie und die Etablierung des Eisenbahnverkehrs. Die gestiegene Mobilität und die vermehrte Herstellung von Investitionsgütern durch die Schwerindustrie brachten grundlegende Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum mit sich. Ab 1880 führte der vermehrte Einsatz von Elektrizität, vor allem in Chemie- und Automobilsektor, zu weitreichenden Innovationen (Farbenherstellung, Verbrennungsmotor), die eine rasant gestiegene Nachfrage zur Folge hatten. Durch Innovationen im Bereich der Luft- und Raumfahrttechnik sowie in der Fernsehtechnik wurde die Möglichkeit geschaffen, große Entfernungen schnell und vergleichsweise kostengünstig zu überwinden, was auch große Bedeutung für die zunehmende Globalisierung wirtschaftlicher Aktivitäten hatte. Die (vorerst) letzte epochale Innovation ist die Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT), die neue Wirtschaftszweige, Beschaffungs- und Fertigungsmethoden entstehen ließ, Auswirkungen auf die Bereiche Arbeits-, Freizeit- und Konsumwelt hat und vor allem in der westlichen Welt zum Übergang von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft beiträgt.[13]
Einer der wichtigsten Vertreter der Theorie der langen Wellen ist Leo A. Nefiodow, der die Ansicht vertritt, dass die durch die IKT ausgelöste Aufschwungphase schon in den 1990ern, bedingt durch zunehmende Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung, stark schwankende Währungen, unzureichende Investitionen trotz stabiler Preise und niedrige Zinsen, zu Ende gegangen ist. Nefiodow empfiehlt daher, sich auf den sechsten Kondratieff-Zyklus zu konzentrieren, für den das Gebiet der Life-Sciences (Umwelt- und Biotechnologie), die optischen...