Kapitel 1
BMW – Das Unternehmen
Die Anfänge
Es sind ungemütliche Tage Anfang März 1916. Die Luft ist nassfeucht, jeder Deutsche bekommt nur noch 125 Gramm Butter pro Woche, der Liter Benzin kostet unsägliche zwei Mark. Der Erste Weltkrieg hat das Land fest im Griff.
Aber im Krieg braucht man Waffen und Flugzeuge. Das weiß auch Gustav Otto, Sohn von Nicolaus August Otto, dem Erfinder des Viertaktmotors. Der Junior ist einer der ersten lizensierten Flugzeugführer Deutschlands und einigt sich im März mit fünf weiteren Geschäftsmännern auf die Gründung einer neuen Firma zum Bau von Flugmaschinen. Otto bringt seine bankrotten Otto-Werke ein – Standort der neuen Firma ist die Neulerchenfeldstraße (heute Lerchenauer Straße 76) am Rande des Oberwiesenfeldes: Am 7. März 1916 wird die „Bayerische Flugzeugwerke AG“ im Handelsregister als Rechtsnachfolger der „Flugmaschinenfabrik Gustav Otto“ eingetragen: Gesellschaftsregister des Amtsgerichts München, Bd. 30, S. 78, Rge. Alt HRB Bd. 1 Nr. 123. Eine von mehreren Keimzellen der modernen BMW AG – die die Bayern heute als Geburtstag angeben.
Die Keimzelle des Unternehmens an der heutigen Lerchenauer Straße im Münchner Stadtteil Milbertshofen ist seit 2016 wieder im Firmenbesitz und beherbergt die Classic-Abteilung von BMW.
Die zweite Keimzelle ist die „Bayerische Motoren Werke GmbH“, deren Name erstmals im Juli 1917 im Münchener Handelsregister auftaucht. So heißt jetzt die „Rapp Motorenwerke GmbH“ in der Unterschleißheimer Straße 288. Am 5. Oktober 1917 wird beim kaiserlichen Patentamt das Firmenzeichen angemeldet, der so genannte Propellerkreis. Ebenfalls 1917 entsteht der erste Motor, der den Namen „BMW“ trägt: der BMW IIIa ist ein Sechszylinder-Reihenmotor mit 185 PS für Flugzeuge.
Bereits 1918 feiert man das Produktionsjubiläum des BMW IIIa: 500 Exemplare sind gefertigt.
Am 13. August 1918 wird aus der „Bayerische Motoren-Werke GmbH“ eine Aktiengesellschaft. Der verlorene Weltkrieg bedeutet sowohl für die BMW AG als auch für die „Bayerische Flugzeugwerke AG“ (beide Firmen existieren bis 1922 nebeneinander) fast das Ende. 1922 kauft BMW die örtlich benachbarten Flugzeugwerke – und adoptiert die Vergangenheit der Firmengeschichte, weswegen der 7. März 1916 als Gründungsdatum gilt. Aber es soll noch bis zum 6. Juni 1922 dauern, bis die „Bayerische Motoren Werke AG“, wie sie heute existiert, fertig geformt ist.
Die Macher
Ohne den Ingenieur Franz Josef Popp würde BMW wohl heute nicht existieren: Er initiiert 1917 den Namenswechsel der Rapp-Werke in BMW, nachdem die Firma 224 Stück 350-PS-Motoren für das Österreichische Militär bauen soll und der glücklose Firmengründer Karl Rapp ausgeschieden ist. Popp wird erster BMW-Geschäftsführer, 1918 erster Generaldirektor.
Er wirbt bei Daimler den Konstrukteur Max Friz ab und macht ihn zum Chefingenieur – die beiden bilden ein fast kongeniales Duo. Schon im September 1917 läuft das erste Probeexemplar des Sechszylinder-Flugmotors IIIa, später entwirft Friz das erste BMW-Motorrad, die R 23.
1919 schaltet Popp tatendurstig die erste Anzeige, die deutlich macht, was er mit seiner Mannschaft bauen will: „Bayerische Motorenwerke liefert Motoren für Flugzeuge und Motorpflüge, Kraftwagen und Boote“. Unter ihm wird aus einem reinen Motorenproduzenten ein Mobilitätsunternehmen. Auf Popps Anraten kauft 1922 der umtriebige BMW-Hauptaktionär Camillo Castiglioni die so benachbarten wie maroden „Bayerischen Flugzeugwerke“. BMW als neuer Besitzer zieht dort mit etwa 100 Leuten ein, baut vor Ort eine Aluminium-Gießerei, errichtet ein Material-Prüflabor. Popp bleibt BMW-Chef bis 1942 – dann erst wird er auf Druck der Nazis abgelöst.
Für den Wiederaufbau von BMW nach dem Zweiten Weltkrieg inklusive der Werke München, Allach und Berlin steht vor allem der Name Kurt Donath. Er wird BMW-Vorstand im Jahr 1947. Donat sichert das Überleben der Firma durch eine Notproduktion und die Zukunft durch Entwicklung von Nachkriegsprodukten. Er tritt 1957 zurück – in Zeiten der größten Krise der Firma seit 1916 bis heute: Am 9. Dezember 1959 soll die Hauptversammlung nach Willen der Banken beschließen, BMW in die Hände von Daimler-Benz zu legen. Mit Tricks und Geduld schaffen es die Kleinaktionäre, dass das nicht passiert. Daraufhin übernimmt Großaktionär Herbert Quandt das Ruder, investiert kräftig und sorgt so dafür, dass BMW eigenständig bleibt.
1963 wird Paul G. Hahnemann BMW-Vorstandsvorsitzender. Der Experte baut die Handelsorganisation auf, führt neue Marketingansätze ein und kurbelt den Export an. Vorher hat er als Verkaufschef bereits dafür gesorgt, dass täglich mehr als 600 Autos gebaut werden und der Jahresumsatz 1961 auf mehr als 1,1 Milliarden Mark steigt. Unter anderem aufgrund seiner Nase für Marktnischen, die er zum Beispiel mit sportlichen Limousinen füllt, erhält er von BMW-Fahrer Franz-Josef Strauss den Kosenamen „Nischen-Paule“. Ab 1970 führt Hahnemann einen Machtkampf gegen seinen designierten Nachfolger – und verliert.
Kein Wunder: Der neue BMW-Vorstandsvorsitzende ist nämlich Eberhard von Kuenheim. Der arbeitet seit 1965 bei der Quandt-Gruppe und wird von dem Frankfurter Großindustriellen 1970 auf den Vorstandsposten gehoben. Mit 42 Jahren ist von Kuenheim damit jüngster Vorstandschef der deutschen Großindustrie.
Der 1886 in Wien geborene Ingenieur Franz Josef Popp wird 1918 erster Generaldirektor von BMW.
Paul G. Hahnemann, genannt „Nischen-Paule“, führt als einer der erfolgreichsten Automobilmanager Deutschlands BMW wieder in die Gewinnzone.
Er soll BMW in das nächste Jahrhundert Firmengeschichte führen: Produktionsplanungsspezialist Harald Krüger.
Unter seiner Leitung steigt die Firma zum global agierenden Unternehmen auf. Er sorgt für neue Vertriebswege und ein neues Produktportfolio. Und er holt eine schillernde Persönlichkeit ins Boot: Bob Lutz, der 1972 Vertriebsvorstand wird. Lutz sorgt für Wachstum dank verbessertem Auslandsvertrieb und der Gründung von Tochtergesellschaften. Auch der Ingenieur Wolfgang Reitzle ist ein wichtiger Vorstand in jener Zeit, er kommt 1976 zu BMW und ist ab 1987 Entwicklungsvorstand, später verantwortet er auch das Marketing. 1993 wechselt von Kuenheim in den Aufsichtsrat, 1999 geht er in den Ruhestand.
BMW Verkaufsraum in Berlin im Jahre 1929
Sein Nachfolger als BMW-Chef wird 1991 Bernd Pischetsrieder. In seine Amtszeit fallen die letztlich wenig erfolgreiche Übernahme der Rover-Group als auch die Eingliederung von Rolls-Royce in den Konzern. Als Rover floppt, muss er gehen. Er wird beerbt von Joachim Milberg. Der Ingenieur verkauft Rover und sorgt für die noch heute geltende Premiummarkenstrategie mit den drei Marken BMW, Mini und Rolls-Royce. Auf ihn folgt der Unternehmensstratege Helmut Panke, der nach vier Jahren wiederum vom Fertigungsexperten Norbert Reithofer abgelöst wird. Seit 2015 heißt der BMW-Chef Harald Krüger – ein Spezialist der Produktionsplanung.
Werke, Übernahmen, Zusammenschlüsse
BMW beginnt die Arbeit mit dem Bau von Flugmotoren und Motorrädern – für die Produktion von Autos benötigt es eine ganz besondern Aquisition. Abgesehen von der Zusammenlegung der Bayerische Motoren Werke AG und der Bayerische Flugzeugwerke AG im Jahr 1922 ist der Kauf der Dixi-Werke des Jakob Schapiro in Eisenach die erste Firmenaquise bei BMW. Ende 1928 erwirbt BMW das Werk samt Lizenz für zehn Millionen Reichsmark – und wird damit zum Autohersteller. Rückwirkend zum 1. Oktober werden die Dixi-Werke in „BMW-AG Zweigniederlassung Eisenach“ umgetauft. Sofort hält BMW im Kleinwagensegment einen Marktanteil von 32 Prozent. Ende der 20er Jahre hat BMW bereits mehr als 100 Händler in ganz Deutschland.
Mit Flugmotoren, Motorrädern und Autos wächst BMW stetig – doch im Zweiten Weltkrieg muss die noch recht junge Firma die eigenen Wachstumswünsche dem Wachstumswahn der Nationalsozialisten unterordnen: Die BMW AG ist nun ein reiner Rüstungskonzern. Aber ein innovativer: 1939 erhält BMW den Auftrag, einen Düsenantrieb zu entwickeln – das BMW-Aggregat 003 wird eines der ersten serienmäßig gebauten Strahltriebwerke. Ab 1942 sind 67 Prozent der Gesamtbelegschaft Zwangsarbeiter, an den Autobau ist nicht mehr zu denken.
Nach dem verlorenen Krieg werden die Produktionsstätten zur Demontage freigegeben. Das Werk Milbertshofen wird abgebaut, das Werk Allach Reparaturbetrieb der Alliierten. Das Werk Eisenach, wo bislang alle BMW-Autos entstanden sind, wird 1945 Teil der sow jetischen Besatzungszone und heißt Awtowelo BMW – damit ist es für BMW verloren, ebenso wie alle Motorradfertigungsanlagen. Weil ab 1946 dort wieder Motorräder, ab 1947 schon wieder BMW 321, später 328, 326 und 327 aus der Fabrik rollen, genehmigt das Registergericht München am 28. September 1949 die...