Unterschiedliche Wirkung verstehen
In der Lehre des Buddha heißt es, dass dem negativen Geist das Negative nachfolgt und aus dem positiven Geist das Positive hervorgeht, so sicher, wie der Schatten dem Körper folgt und sich nicht von ihm trennen lässt. Das bedeutet, wenn dein Geist eine Handlung veranlasst, dann folgt daraus eine bestimmte Wirkung auf dich selbst.
Sicher hast du dich schon gefragt, ob und wie nun Handlungen und Absichten zu vorhersagbaren Ergebnissen führen. Kann man aus den derzeitigen Ergebnissen die vergangenen Taten erkennen? Sind die Menschen, die unter schlechten Bedingungen leben, in gewisser Weise selbst schuld an ihrer Not? Können wir durch bestimmte Denkweisen und ein anderes Verhalten unsere Zukunft konkret beeinflussen und verändern? Woher kommt es, dass die Menschen so unterschiedlich ausgestattet sind? Warum gibt es Arme und Reiche, Schöne und Hässliche, Kranke und Gesunde, Berühmte und Unbedeutende?
Einmal fragte ein junger Mensch genau das den Buddha, und dieser antwortete:
Den Menschen werden die Ergebnisse ihrer eigenen Handlungen zuteil. Sie entwickeln sich gemäß ihrer Handlungen und sind an sie gebunden. Ihr Schicksal ist von ihren Handlungen abhängig. Darin liegen die Gründe dafür, ob sie besser oder schlechter gestellt sind. (MS135)
Die Samen, die du ausstreust, kommen in dir und deiner Umgebung zur Reife. So ernten alle Wesen die Früchte ihrer Taten.
Vielleicht kommt dir diese Erklärung zu einfach vor, und du zweifelst daran, dass dieses Gesetz auf so einfache Weise wirkt. Auch der junge Mann zweifelte und wollte mehr wissen, so dass der Buddha noch deutlicher wurde und sinngemäß sagte:
Wenn jemand tötet, dann wird er entweder in einem Höllenbereich wiedergeboren oder als Mensch nur ein kurzes Leben haben. Wer jedoch nicht tötet und Leben fördert, der wird selbst ein langes Leben haben.
Wenn jemand andere verletzt, dann wird er als Mensch einen schwachen und kranken Körper haben. Wer andere heilt, wird selbst gesund sein.
Wer zornig, reizbar und voll Ärger ist, der wird einen hässlichen Körper haben. Wer jedoch freundlich und liebevoll ist, der wird schön und anmutig sein.
Wer voll Neid und Missgunst ist, der wird wenig Einfluss und Bedeutung haben. Wer andere nicht beneidet und ihnen hilft, der wird Macht und Einfluss haben.
Wer geizig ist und nichts gibt, wird eher arm und ohne Besitz geboren. Wer viel gibt, der wird wohlhabend sein.
Wer eingebildet ist und andere missachtet, der wird keine Anerkennung finden. Wer bescheiden ist und andere schätzt, der wird Anerkennung finden.
Wer sich nicht um Bildung und Wissen bemüht, der wird wenig Intelligenz besitzen. Wer sich bildet und lernt, der wird klug und intelligent sein. (MS135/136)
Vielleicht fragst du dich, wie es möglich ist, dass manche Menschen trotz ihrer offensichtlich verbrecherischen Handlungen scheinbar unter besten Bedingungen leben und sich alles leisten können. Wir wissen nicht, wie es diesen Menschen wirklich ergeht, wie sie schlafen, was sie unter der Oberfläche von Luxus und Reichtum verbergen. Wir können auch nicht beurteilen, wie lange ihr »Vorrat« an gutem Karma hält, ehe er durch schlechte Taten zerstört und aufgebraucht wird. Der Buddha sagt dazu:
Wenn ein Mensch trotz schlechter Taten unter günstigen Umständen wiedergeboren wird, so hat er bereits früher andere gute Handlungen begangen, oder er hat … später seine schlechten Taten erkannt und aufgegeben, oder er hat zum Zeitpunkt des Todes eine heilsame, gute Einstellung … gefunden und entfaltet. Allerdings werden die Folgen der schlechten Taten irgendwann zum Tragen kommen, und sei es in einer der folgenden Existenzen. (MS135)
Aus Buddhas Zeit gibt es viele Geschichten und Legenden, die den Zusammenhang zwischen Handlungen und Ergebnissen illustrieren. Dabei kommt es immer auf die geistige Einstellung an, wie folgende Geschichte zeigt:
Der Sohn des Brahmanen
Ein junger Mann lebte weitgehend untätig im Haus seines Vaters, der überaus geizig war und seinen Sohn sehr kurzhielt. Eines Tages wurde der Sohn krank, doch der Vater dachte, er simulierte, und kümmerte sich nicht weiter um ihn. Der junge Mann war jedoch ernsthaft krank und wurde immer schwächer. Schließlich erkannte der Vater, dass der Sohn im Sterben lag, und holte schnell einen Arzt, doch es war schon zu spät. Der Buddha hörte davon und besuchte den jungen Mann. Dieser erwachte aus seinen Fieberträumen, erkannte den Buddha, hörte seine beruhigenden Worte, verlor jede Angst und fand in dieser Begegnung vollkommenes Vertrauen zu Buddhas Lehre. Diese geistige Veränderung führte dazu, dass der junge Mann als mächtiger Gott in einem herrlichen Himmel wiedergeboren wurde.
Der Vater jedoch war völlig verzweifelt und gab sich die Schuld am Tod seines Sohnes. Während er seine Tage klagend an der Grabstätte verbrachte, erschien ein wunderschöner junger Mann und fragte nach dem Grund seiner Trauer. Nachdem er die Geschichte gehört hatte, fragte er, ob denn der Brahmane wisse, wo sein Sohn jetzt sei. Der Brahmane verneinte, worauf der junge Mann ihn einen rechten Narren nannte, der über etwas weine, was er gar nicht wisse. Das allein tröstete den Brahmanen, worauf der junge Mann sich ihm als sein Sohn zu erkennen gab. Der Vater war überaus erfreut, aber er konnte nicht begreifen, wie sein Sohn, der doch nichts Besonderes getan hatte, zu solch einer guten Wiedergeburt gekommen war. Der Sohn erklärte ihm, dass das aufgrund seines vertrauensvollen und angstfreien Geistes zum Zeitpunkt des Todes geschehen war. (KD1/2/2)
Wir finden solche Lehren auch im Christentum und in anderen Religionen. Ist es nicht so, dass unsere Taten bestimmen, ob wir in den Himmel, ins Fegefeuer oder in die Hölle kommen? Doch nicht nur die Taten – wie das bekannte Mysterienspiel Jedermann zeigt, kommt es vor allem auf die Einstellung an. Die innere Umkehr und Läuterung Jedermanns angesichts des drohenden Todes lässt seine Seele zu Gott aufsteigen, so dass der Teufel das Nachsehen hat. Die Gnade eines Gottes, die das Tor zum Himmel öffnet, hängt offensichtlich von der veränderten Absicht ab.
Himmel und Hölle werden in den verschiedenen Religionen sehr ähnlich beschrieben. Als aufgeklärte Menschen haben wir den Glauben an die mittelalterliche Welt der ewigen Höllenqual verloren. Ich denke jedoch, dass es manchmal gar nicht schlecht wäre, wenn wir uns die Folgen schlimmer Taten in Form von starken und andauernden Qualen vorstellen. Genau das ist die Bedeutung des Begriffes Hölle: endloser Schmerz. Vielleicht könnte uns diese Vorstellung stärker motivieren, unser Verhalten zu ändern. Dazu noch eine nette höllische Geschichte.
Der König und die schöne Frau
Ein König sah eine schöne Frau und wollte sie haben. Da die Frau verheiratet war, plante er, ihren Mann in den Tod zu schicken und die Frau in seinen Palast zu holen. Da hatte er in der Nacht eine fürchterliche Erscheinung. Er hörte einen grässlichen Ton, der ihn im Innersten erschütterte. Am nächsten Tag ließ er den Priester kommen und fragte ihn nach der Bedeutung dieses Tones. Der Priester hatte keine Ahnung, doch er behauptete, dass dieser Ton das nahe Ende des Königs ankündige, es sei denn, er würde seinem Tempel eine Vielzahl an Tieren opfern. Die Frau des Königs misstraute dem Brahmanen und wandte sich an den Buddha, der sich eben in der Stadt aufhielt. Dieser kam und ließ sich den Ton beschreiben. Dann erklärte er: »Dieser Ton bedeutet nicht dein Ende, doch er ist der Anfang einer Botschaft. Vor unendlich langer Zeit lebte ein reicher Mann, der viele Menschen in den Tod schickte, nur um seine ausschweifende Lust zu befriedigen. Dafür kam er in eine Höllenwelt, in der man über Jahrtausende immerzu gemartert wird. Diese Hölle ist wie ein zäher Strudel, in dem man langsam zu Boden sinkt und langsam wieder aufsteigt. Gestern Abend kam nun dieser Mann nach langer Zeit wieder an die Oberfläche, und der Laut, den du gehört hast, war das erste Wort einer Nachricht, die er dir geben wollte. Er konnte jedoch nur ›Mein …‹ sagen, dann wurde er von dem Strudel wieder in die Tiefe gezogen.«
»Ach wenn ich doch nur wüsste, was er mir sagen wollte«, rief der König sorgenvoll.
»Das kann ich dir sagen«, antwortete der Buddha. »Er wollte sagen: Mein Leben auf Erden war schlecht. Ich habe getötet, nur um meine Lust zu befriedigen. Nun koche ich in der Hölle und weiß nicht, wie lange das noch andauert. Doch ich weiß, wenn ich jemals wieder als Mensch geboren werde, will ich nichts Schlechtes mehr tun.«
Der König war so erschüttert über diese Botschaft, dass er sich entschlossen zeigte, sein ausschweifendes Leben zu ändern.
Daraufhin hielt der Buddha dem König und seinem Hof einen Vortrag über Karma und sagte am Ende: »Wer das Gesetz von Ursache und Wirkung nicht kennt, dem erscheint ein Menschenleben endlos lang. In Wahrheit aber ist es kurz, sehr kurz im Vergleich zu der endlos langen Zeit, in der man die schmerzlichen Folgen böser Taten ertragen muss.«...