Im Zeitraum von 1995 bis 2005 erhöhte sich die Arbeitsproduktivität im Baugewerbe um nur wenige Prozentpunkte, wohingegen die industrielle Produktion eine Steigerung von fast 30 % im gleichen Zeitraum erfuhr.[1] Dieses Defizit im direkten Vergleich zur stationären Industrie gilt es auszugleichen. Annähernd alle derzeitigen Bauvorhaben in Deutschland werden nach herkömmlichen, traditionellen Planungsmethoden durchgeführt. Trotz einer "ersten digitalen Revolution"[2] stagniert die Bauwirtschaft seit Jahren auf geringem beziehungsweise keinem Wachstum. Durch die Einführung von schnelleren Kommunikationsmitteln wie E-Mail oder Mobiltelefon, oder der Planung mit Hilfe von CAD (Computer Aided Design) - Programmen konnten die Prozesse effektiver gestaltet werden, jedoch blieben folgende Probleme bei der Erstellung von Bauvorhaben bestehen:
Kostenüberschreitungen
Terminverzug
Ungenügende Kommunikation zwischen den Projektbeteiligten
Qualitätsprobleme
Zudem werden in Zukunft noch weitere Themen wie Lebenszyklusanalysen, Nachhaltigkeit und Energieeffizienz einen Einfluss auf das Bauwesen haben. Um diese Probleme und Anforderungen ganzheitlich betrachten zu können, reicht es nicht aus Baumaschinen, Baustoffe oder Techniken zu verbessern, sondern der Fokus muss auf der Verbesserung des Bauprozesses an sich liegen.[3]
Eine Methode, die eine Prozessoptimierung zur Folge hat, ist das Building Information Modeling (BIM). BIM betrachtet dabei ganzheitlich den gesamten Bauprozess und ist dabei nicht nur 3D-Planungsinstrument, sondern als integrierte Arbeitsweise während der Planung, Ausführung und des Betriebes eines Bauwerkes zu sehen. BIM-Methoden werden derzeit in Deutschland kaum angewendet, was im internationalen Vergleich als eher konservativ bezeichnet werden kann. Im Ausland durchgeführte Pilotprojekte konnten eine Bauzeitverkürzung von bis zu 50 %, eine wesentlich effektivere Arbeitsweise sowie eine große Transparenz der Baukosten aufweisen.[4] Diese Potentiale sind in Deutschland weder von öffentlicher Hand, noch von privaten Bauherren erkannt und durch Modellprojekte verifiziert worden. Die deutsche Baubranche verschränkt sich, bis auf wenige visionäre Unternehmen in Planung und Ausführung, gegen ein Umdenken in den etablierten, jedoch reaktionären Bauprozessen. Gründe hierfür können fehlende Informationen sein, dass es ein neues Prozessdenken gibt. Für eine zögerliche Einführung von BIM ist außerdem die traditionelle Denkweise der Projektbeteiligten, monetäre Einschränkungen für die Einführung von neuartiger Software, oder der fehlende Nachdruck vom Gesetzgeber BIM-Methoden zu fördern und zu fordern, verantwortlich.
Mit einem Volumen von fast 290 Mrd. € im Jahr 2010[5] weist die Baubranche einen wesentlichen Anteil (ca. 11,5 %) des Bruttoinlandproduktes von Deutschland aus. Dabei entstand ein Verlust durch Planungsfehler in Höhe von ca. 23 Mrd. €, was die Berechnung mit einem Anteil von 8 %[6] des Gesamtvolumens ergibt. Worin liegen die Gründe für diesen enormen volkswirtschaftlichen Schaden? Die Bauindustrie stellt hauptsächlich nur Unikate her, was vergleichbar mit der Prototypenfertigung in der stationären Industrie ist. Dafür sind viele verschiedene Akteure beteiligt, die untereinander koordiniert und deren Planungsergebnisse zusammengeführt werden müssen. Der Datenaustausch spielt dabei eine wesentliche Rolle um eine effiziente Arbeitsweise zu ermöglichen und beispielsweise Doppelarbeit zu vermeiden. Die von den einzelnen Planern erstellten Dokumente bauen mehr oder weniger immer auf anderen vorher in der Planung erzeugten Plänen auf. Ändert sich in der ursprünglichen Planung etwas, müssen alle nachfolgenden Planungen darauf angepasst werden. Zudem ist die Freigabe der Planung und deren Rechtsverbindlichkeit zu beachten.[7]
Die Umsatzsituation der deutschen Planungsbüros beschreibt eine weitere Notwendigkeit des Umdenkens in den bisher angewandten Prozessen. Der Pro-Kopf-Umsatz pro Jahr lag im Jahre 2006 bei nur 49.700 €, wobei hierfür 49.500 € Personalkosten aufgewendet werden mussten. Dadurch zeigt sich, dass die finanziellen Möglichkeiten der Planer sehr begrenzt sind, wodurch eine Erhöhung der Effizienz unerlässlich ist. Die Gründe für diese unzufrieden stellenden Verhältnisse werden dabei in der traditionellen Arbeitsweise gesehen. Aber auch die unzureichende Verknüpfung von Informationen zwischen den Projektbeteiligten trägt zu diesen Missverhältnissen bei. Es fehlt dabei an einer fachübergreifenden sowie lebenszyklusorientieren Sicht- und Arbeitsweise.[8]
Das Potential zur Optimierung der Bauprozesse ist wesentlich beeinflussbar durch die am Bau beteiligten Personen und Verantwortungsträgern. Erfolgt ein Umdenken in der konventionellen Arbeitsweise durch die persönliche Offenheit der handelnden Personen, ist es möglich die herkömmlichen Prozesse der Vergangenheit in ein zukunftsfähiges Marktfeld zu etablieren.
Die Diplomarbeit soll die am Bau Beteiligten über neue Möglichkeiten der Projektplanung mit Hilfe von Building Information Modeling informieren. Dafür wird der Planungsprozess mit BIM erläutert sowie die Vorzüge des Verfahrens dargestellt. Vor allem soll der Fokus auf die Durchgängigkeit und Weiterverwendbarkeit der eingegebenen Daten liegen. Zudem werden Möglichkeiten zur Einbindung der modernen BIM-Planungs-methode in die Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen (HOAI) erörtert. Probleme der derzeitigen Planung werden aufgezeigt und deren Lösung bzw. Verbesserung diskutiert. Außerdem werden eventuelle monetäre Auswirkungen aus der Perspektive des Architekten/Planers dargestellt und die vertragliche Umsetzbarkeit der BIM-Methoden untersucht.
Schlussendlich werden Empfehlungen gegeben, wie BIM eingeführt werden kann und überdies wie die Datenverwaltung gestaltet und organisiert werden kann. Dies geschieht unter Einbeziehung der speziellen Anforderungen der Baubranche im Hinblick auf die Leistungsphasen 1-7 der HOAI.
In der Diplomarbeit wird hauptsächlich auf den Bereich der Gebäudeplanung eingegangen. Gerade bei der Einbindung von BIM in die HOAI-Leistungsbilder ist diese Abgrenzung notwendig. Neben dem Leistungsbild Gebäude und raumbildenden Ausbauten ist die Erstellung von Ingenieurbauwerken und Verkehrswegen ein weiteres Potentialfeld der Planung mit BIM; gleichbedeutend mit der Tragwerksplanung sowie der technischen Ausrüstung. Die Erstellung von Flächennutzungs-, Bebauungs-, Landschafts-, Landschaftsrahmen-, Pflege- und Entwicklungsplänen, sowie die Freianlagenplanung wird als nebengeordneter Chancenbereich der BIM-Planung gesehen und wird deshalb in der vorliegenden Arbeit nicht untersucht.
Die Diplomarbeit ist in sieben Kapitel aufgebaut. Nach einleitendenden Gedanken, welche die Problemstellung der Arbeit, sowie deren Ziele darstellen, werden die Grundlagen ermittelt. Hierbei wird einerseits das Building Information Modeling (BIM) beschrieben, andererseits der Planungsprozess gemäß HOAI. Beim Erstgenannten wird auf die Arten, Ziele und Vorteile des BIM eingegangen sowie Initiativen beschrieben, die das BIM im Bauwesen vorantreiben und weiterentwickeln wollen. Es wird zudem die Software, mit welcher BIM-Methoden in der Praxis umgesetzt werden können, aufgezählt. Bei der anschließenden Beschreibung des Planungsprozesses gem. HOAI bezieht sich der Autor auf die Version aus dem Jahre 2009.
Ein erster Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit wird in Kapitel 3 dargestellt. Darin wird auf die Anwendung von BIM in der Planung nach HOAI eingegangen. Hierfür werden im ersten Schritt die Probleme der derzeitigen Praxis zusammengestellt und aufgezeigt, welchen Einfluss die Projektbeteiligten in die jeweilige Leistungsphase nach HOAI haben. Ebenso werden die Hürden und Hemmnisse einer generellen Einführung der BIM-Planungsmethode in das deutsche Bauwesen dargestellt. Die Potentiale und der Nutzen der innovativen Planung mit BIM werden dargelegt. Ein Vergleich zwischen traditioneller sowie neuartiger Bauplanung bildet die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Verfahren ab. Außerdem stellt Kapitel 3 die Integration von BIM Leistungen in die HOAI dar, wobei auch auf den Nutzen der BIM-Planung in die jeweiligen Leistungsphasen eingegangen wird.
Der Hauptteil der Diplomarbeit behandelt in Kapitel 4 die Möglichkeiten zur Verbesserung der Datendurchgängigkeit im Planungsprozess. Im Hinblick darauf wird auf eine mögliche Integrierung in die bisherigen Projektphasen der Bauplanung eingegangen, der Einfluss von BIM auf die Zielgrößen im Bauwesen erläutert, sowie die Auswirkungen auf den bisherigen Planungsprozess bezüglich des Einsatzes von BIM diskutiert. Hierbei...