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Sexuell grenzverletzende Kinder und Jugendliche

AutorClaudia Mueller
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl89 Seiten
ISBN9783656383048
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2013 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1,0, Hochschule Mittweida (FH) (Fakultät Soziale Arbeit), Sprache: Deutsch, Abstract: Die weitverbreitete Annahme, dass sexuell-motivierte Gewalt nur von Erwachsenen verübt wird, existiert schon lange nicht mehr. In den letzten Jahren rücken immer mehr sexuell grenzverletzende Kinder und vor allem Jugendliche in das Zentrum der Aufmerksamkeit. Es stellt sich die Frage, was unter sexuellen Grenzverletzungen überhaupt zu verstehen ist, wenn sie von Kindern oder Jugendlichen begangen werden. Woran erkennt man sie? Ab wann kann man davon sprechen? Welches sexualisierte Verhalten ist noch als altersadäquat zu betrachten? Existiert ein zentrales Beurteilungskriterium? Die hier vorliegende Arbeit wird sich neben der Beantwortung dieser Fragen mit der Frage beschäftigen, wie häufig Kinder und Jugendliche sexuelle Grenzverletzungen begehen und vor allem warum. Da im Umgang mit sexuell grenzverletzenden Kindern und Jugendlichen andere gesetzliche Regelungen zugrunde liegen, als bei erwachsenen Sexualstraftätern, soll auf der Grundlage dieser Regelungen ein erster Blick auf die hieraus resultierenden Zugänge zur Sozialen Arbeit gerichtet werden. --- Die Bachelorarbeit befasst sich mit Kindern und Jugendlichen, welche sich sexuell grenzverletzend verhalten. Dabei werden grundlegende, ätiologische und diagnostische Aspekte ebenso berücksichtigt, wie die Häufigkeit im Hell- und Dunkelfeld und der Umgang in der Sozialen Arbeit unter Beachtung des rechtlichen Rahmens.

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Leseprobe

2 Zur Häufigkeit sexuell grenzverletzenden Verhaltens durch Kinder und Jugendliche


 

2.1 DasHellfeld


 

Einen Einblick in das Hellfeld derjährlich begangenen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung[7] durch Kinder, Jugendliche und Heranwachsende bietet die vom Bundeskriminalamt jährlich veröffentlichte Polizeiliche Kriminalstatistik (s. Anlage 5[8]). In dieser Statistik werden zwar alle Fälle, welche jährlich der Polizei bekannt werden, erfasst, allerdings erfolgt hier keine Altersunterteilung der Täter. Um über das Alter derjenigen, die die Taten begangen haben sollen, etwas zu erfahren, ist es notwendig eine Stufe weiter zu gehen - zu den erfassten sog. Tatverdächtigen[9]. Demnach waren im Jahr 2011 von den insgesamt 33.556 ermittelten Tatverdächtigen im Bereich der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung 3,6% (rund 1208) im Kindesalter (unter 14 Jahre alt) und 11,7% (rund 3926) im Jugendalter (14 bis unter 18 Jahre alt). 7,8% (rund 2617) aller Tatverdächtigen im Jahr 2011 waren im Alter von 18 bis unter 21 Jahren, sprich heranwachsend. Bei den unter 14-jährigen Tatverdächtigen wurde am Häufigsten der sexuelle Missbrauch von Kindern gem. §§ 176 , 176a und 176b StGB registriert. Gleich verhält es sich bei den jugendlichen Verdächtigen. Bei den heranwachsenden Tatverdächtigen hingegen wurden am Häufigsten Vergewaltigungen und sexuelle Nötigungen gem. §§ 177 Abs. 2, 3, 4 und 178 StGB registriert.

 

Mit einem beispielhaften Blick auf die Jahre 2008 - 2010[10] (s. Anlage 5) lassen sich kaum signifikant hohe Veränderungen zum Jahr 2011 erkennen. Es ist weder ein deutlicher jährlicher Anstieg der erfassten Tatverdächtigen zu beobachten, noch sind rückläufige Tendenzen festzuhalten. Ob diesjedoch sehr aussagekräftig ist, ist fraglich, da letzten Endes lediglich die Tatverdächtigen und nicht die Anzahl aller tatsächlichen Täter erfasst wird bzw. werden kann. Ungeachtet dessen jedoch, schwanken in den letzten vier Jahren die absoluten Zahlen der unter 14jährigen Tatverdächtigen (im Bereich der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung) zwischen rund 1210 und 1350. Bei den 14 - unter 18-Jährigen schwanken die absoluten Zahlen zwischen rund 3850 und 4240; bei den Heranwachsenden zwischen rund 2530 und 2940. Vergleicht man diese Zahlen der registrierten Tatverdächtigen mit denen im Jahr 1990 (s. Anlage 5), istjedoch ein enormer Anstieg in allen drei Alterskategorien zu verzeichnen. So waren 1990 unter den insgesamt erfassten 18.119 Tatverdächtigen 2,1% (rund 380) Kinder, 7,3% (rund 1322) Jugendliche und 7,2% (rund 1304) Heranwachsende. Demnach kann in erster Hinsicht festgehalten werden, dass sich die Anzahl der Tatverdächtigen im Kindes- und Jugendalter seit dem Jahr 1990 mehr als verdreifacht hat; bei den Heranwachsenden haben sich die Zahlen mehr als verdoppelt.

 

Aber auch hier stellt sich die Frage, ob dies als aussagekräftig betrachtet werden kann und ob diese Zahlen tatsächlich mit den heutigen verglichen werden, und so auf eine wahrheitsgemäße Veränderung hindeuten können. Die Zahlen aus der Polizeilichen Kriminalstatistik geben zwar einen ungefähren Einblick in die Häufigkeit der begangenen Sexualdelikte, aber dennoch kann man diese statistischen Werte nicht unkommentiert lassen. Kann man bspw. wirklich davon ausgehen, dass sich die Anzahl der begangenen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung durch unter 14 - 21-Jährige in den letzten rund 20 Jahren verdoppelt bzw. verdreifacht hat? Diese Frage wird man wohl möglich nie beantworten können, aber ein Blick auf die Aufklärungsarbeit der Polizei und die generelle Anzeigebereitschaft kann ein erster Schritt sein. In den letzten Jahren konnte immer wieder eine Steigerung der Aufklärungsquote verzeichnet werden. Ein Vergleich mit dem Jahr 1990 ist nicht einfach, da die Aufschlüsselung der Polizei im Jahre 1990 noch eine andere war, bspw. der Besitz oder die Verschaffung von Kinderpornographie nicht mit aufgeführt wurde, heute jedoch zur Aufklärungsquote hinzugezählt wird. Daher ein beispielhafter Blick auf die Aufklärung des sexuellen Missbrauchs von Kindern: Im Jahre 1990 wurden insgesamt (alle Alterskategorien der Täter, also auch erwachsene Täter) 60,4% dieser Fälle aufgeklärt; im Jahr 2011 waren es 85,1%, was eine Steigerung von rund 25% bedeutet. Dementsprechend konnten 2011 auch mehr Tatverdächtige ermittelt werden, was eine erste Begründung der Zunahme der Tatverdächtigenzahlen sein kann - und so nicht zwangsläufig für eine allgemeine Steigerung der begangenen Sexualdelikte steht. Ein weiterer zu beachtender Aspekt ist die eben angesprochene Anzeigebereitschaft, welche Vermutungen zufolge in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist. Ein spezieller Grund „für eine gestiegene Anzeigebereitschaft bei Sexualdelikten ist die größere Sensibilität gegenüber dieser Kriminalitätsform, ist das größere Wissen um das Opferleid. Die gesellschaftliche Mitverantwortung hat das frühere häufige Wegschauen, Nichtwahrhabenwollen, zwar nicht verdrängt, aber das Wegschauen wird weniger“ (Ostendorf 2009, 11). So hat sich bspw. im Zeitraum 1998 - 2005 im Rahmen einer Schülerbefragung eine Verdopplung der Anzeigequote herausgestellt (vgl. Ostendorf 2010, 90). Demnach lässt sich festhalten, dass auf der einen Seite gegenwärtig zwar mehr tatverdächtige Kinder, Jugendliche und Heranwachsende erfasst werden als vor 20 Jahren, aufgrund gestiegener Anzeigebereitschaft und Aufklärungsquoten auf der anderen Seite jedoch immer mehr Täter aus dem Dunkelfeld (s. Gl.pkt. 2.1.2) ermittelt werden. So handelt es sich in der Tat zwar um realistische Tatverdächtigenzahlen - bei den Tatverdächtigen- steigerungsquoten jedoch um ein statistisches Artefakt (vgl. Ostendorf 2009, 11).

 

Die polizeilichen Tatverdächtigenzahlen selbst müssten hinsichtlich der Verurteiltenzahlen zudem korrigiert werden. Aufgrund der Beweismittelsicherung setzt die Polizei bei ihren Ermittlungen den Tatverdacht sehr hoch an. Wie aus der Grafik in Anlage 6 ersichtlich wird, wurden im Jahr 2007 (in den alten Bundesländern mit Gesamtberlin) gerade einmal 21,7% aller, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern tatverdächtigen, Jugendlichen verurteilt. So ist generell von einem nachträglichen enormen sogenannten 'Täterschwund' auszugehen (vgl. Ostendorf2010, 88 f.).

 

Fraglich ist ebenso, ob und in welchem Ausmaß das sogenannte 'Tabu des § 176 StGB' in der polizeilichen Kriminalstatistik erfasst wird. Juristisch betrachtet verbietet dieser Paragraph den sexuellen Kontakt zwischen bspw. einem 13jährigen Mädchen und einem 14jährigen Jungen - wobei das Vorliegen einer Einvernehmlichkeit irrelevant ist. Sollten diesbezüglich bekanntgewordene Fälle statistisch erfasst werden, sind die Tatverdächtigenzahlen noch kontroverser zu betrachten. Um dieses strafrechtliche Dilemma kurz zu erläutern: Die möglichen juristischen Konsequenzen der Inhalte des § 176 StGB sind teilweise sehr umstritten. Mit diesen Inhalten „soll die Sexualentwicklung des Kindes geschützt werden, die Entwicklung zu sexueller Selbstständigkeit soll ohne Fremdeinflüsse ablaufen“ (Ostendorf 2010, 90). Gemäß diesem Paragraphen ist u.a.[11] das Vornehmen jeglicher sexueller Handlung an einer unter 14jährigen Person strafbar und untersagt. Im Grunde genommen ist dies natürlich auch richtig so und absolut unumstritten, sollte diese sexuelle Handlung gegen den Willen des Kindes vorgenommen werden. Schwierig wird es jedoch an der Stelle, wenn der sexuelle Kontakt im Einvernehmen beider Beteiligter geschieht. Gemeint sind hier natürlich nicht Konstellationen wie ein lljähriges Mädchen und ein 40jähriger Mann, um es übertrieben auszudrücken. Man stelle sich jedoch vor, dass ein 13jähriges Mädchen und ein 13jähriger Junge in einer (intimen) Beziehung zueinanderstehen stehen, wie auch immer man dies bewerten mag. Gesetzlich gesehen ist dies natürlich gem. § 176 StGB untersagt; keiner der beiden würde sich in so einem Fall jedoch strafbar machen, da hier noch die Strafunmündigkeit gegeben ist. Nun feiertjedoch einer der beiden seinen 14. Geburtstag - eine Person ist unter 14 und eine genau 14. Ab diesem Punkt untersagt der Gesetzgeber jeglichen weiteren intimen Kontakt, welcher bereits bei einem intensiven Kuss beginnt. „Auch freiwilliger, von Seiten des Kindes gewünschter oder gar animierter sexueller Kontakt ist verboten“ (ebd.). Wie es noch benannt werden wird, stellt sich bei 14 - unter 18-Jährigen stets die Frage, ob diese im Sinne des § 3 JGG bereits strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können, was es im Einzelfall zu prüfen gilt. Es ist aber davon auszugehen, dass den meisten Jugendlichen bzw. ab 14Jährigen derartige Auswirkungen des § 176 StGB nicht bekannt oder zumindest nicht bewusst sind - diese daher in einem derartigen Fall strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden. Sollte die zweite Person ein paar Monate später selbst 14 Jahre alt werden, ist die Beziehung zwischen beiden wieder erlaubt.

 

2.2 Das Dunkelfeld


 

Wie man der Grafik in Anlage 7 entnehmen kann, stellt das in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfasste Hellfeld jedoch nur einen kleinen Teil aller tatsächlich verübten Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung dar, kann aber dennoch einen annähernden Bezug zur realen Situation herstellen. Bekanntermaßen ist von einer hohen Dunkelziffer (absolutes und relatives Dunkelfeld), also nicht erfassten Straftaten, auszugehen. Daher versucht die sog. Dunkelfeldforschung dieses Dunkelfeld zu erhellen. So werden...

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