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E-Book

Charlie Chaplin

AutorWolfram Tichy
VerlagRowohlt Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl160 Seiten
ISBN9783644406025
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis5,99 EUR
Charles «Charlie» Spencer Chaplin (1889 - 1977) schuf mit der Figur des tragikomischen Tramp den Prototyp des kleinen Mannes, der gegen die Zwänge der Gesellschaft und für die Freiheit des einzelnen kämpft. Seine oft sozialkritischen Slapstick-Komödien wie «Goldrausch», «Lichter der Großstadt» und «Moderne Zeiten» wurden zu Klassikern des Kinos und faszinieren bis heute weltweit das Publikum.

Wolfram Tichy, geboren 1946 in Regensburg, arbeitete als Filmkritiker, Buchautor und Filmproduzent. Er war 1973 Mitbegründer des ersten Kommunalen Kinos in Frankfurt. 1977 gab er «Buchers Enzyklopädie des Films» heraus. Für Rowohlt schrieb er die Monographien über Charlie Chaplin (rm 50219, 1974) und Buster Keaton (rm 50318, 1983). Als Produzent zeichnete er u. a. für den Dokumentarfilm «Bowling for Columbine» (2002) von Michael Moore verantwortlich.

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Leseprobe

Rampenlicht


Während der ganzen Zeit war Chaplins schauspielerisches Talent von seiner Mutter gefördert worden, indem sie ihm Szenen vorspielte, berühmte Theaterpersönlichkeiten imitierte und ihm ihre Lieder beibrachte. Sie war es auch gewesen, die darauf geachtet hatte, dass die Kinder sich einer gepflegten Sprache bedienten. Sein Vater empfahl den Sohn mit Erfolg einem Mr. Jackson, dem Prinzipal der Eight Lancashire Lads, einer Truppe von Holzschuhtänzern, die zur Hälfte aus seiner Tochter und seinen drei Söhnen bestand. Nach sechs Wochen, während der er seinen achten Geburtstag feierte, durfte Charles auftreten.

Ich war nicht entzückt, nur ein Holzschuhtänzer unter acht anderen in einer Truppe zu sein. Ebenso wie die übrigen drängte es mich, eine eigene Nummer auszuführen … Als ich mir Gedanken darüber zu machen begann, was ich denn, abgesehen vom Tanzen tun könne, kam mir ganz impulsiv als Erstes der Gedanke, komisch zu wirken. Mein Wunschtraum war ein Doppelakt mit zwei als komische Tramps verkleideten Knaben. Von einigen Soloszenen und -tänzen abgesehen wurde jedoch aus solchen Träumen nichts.

Chaplins anderthalbjähriges Gastspiel bei der Truppe fand ein Ende, als eine Serie von Asthmaanfällen ihn ins Krankenhaus zwang. Nach seiner Entlassung lebte die Familie in Kennington, wo sie sich recht und schlecht durchzuschlagen vermochte. Eines Tages erhielt Sydney einen Posten als Trompeter auf einem Passagierschiff. Während seiner zweiten Seereise, von der er später als vorgesehen zurückkehrte, wurde die Mutter zum zweiten Mal geisteskrank. Charles, der nicht wieder in das Armenhaus zurück wollte, log den Behörden vor, er werde bei einer Tante leben, und war nun bis zu Sydneys Rückkehr auf sich selbst angewiesen. Als sein Bruder relativ wohlhabend von der Reise zurückkehrte und beide ihre Mutter holen wollten, wurde ihnen gesagt, ihr Verstand habe durch die Unterernährung gelitten, und es könne Monate dauern, bis sie wieder gesund sei. Daraufhin verdiente Chaplin selbst in den verschiedensten Berufen einen Teil seines Lebensunterhalts: er war Zeitungsverkäufer, Drucker, Spielzeugmacher, Glasbläser, Laufbursche eines Arztes und versuchte mehrmals, als Schauspieler unterzukommen.

Vier Wochen nach Sydneys Rückkehr wurde er von einer Agentur aufgefordert vorzusprechen. Obwohl gerade erst zwölf geworden, gab er sein Alter mit vierzehn an und wurde für die Rolle des Laufburschen Billy in dem Kriminalstück «Sherlock Holmes», das etwas später auf eine 40 Wochen dauernde Tournee gehen sollte, engagiert. Die Wartezeit sollte er mit der Titelrolle von «Jim, the Romance of a Cockney» von H.A. Saintsbury überbrücken, der in «Sherlock Holmes» die Hauptrolle spielte. Da Chaplin nicht gut lesen konnte, las ihm sein Bruder die Rolle vor, bis er sie auswendig konnte. Das Stück, eines der zu jener Zeit beliebten Melodramen, hatte nur wenig Erfolg; Chaplin selbst erhielt jedoch gute Kritiken.

Auf der sehr erfolgreichen Tournee mit «Sherlock Holmes» nahm Chaplin die Gewohnheit an, meist für sich allein zu bleiben. Nach einiger Zeit war er so kontaktarm, dass er kaum noch an Unterhaltungen teilnehmen konnte, weil er außerhalb der Bühne fast nie sprach. Auf den beiden anschließenden Tourneen konnte Charles auch seinen Bruder unterbringen. Da beide nach Absetzung des Stücks keine anderen Rollen bekamen, ließen sie sich für eine geringere Gage von einer anderen Truppe engagieren, die das Stück weiterführen wollte. Dies kam jedoch einem Abstieg gleich, und so war Chaplin nur zu froh, als man ihn bat, die gleiche Rolle in einem Fortsetzungsstück mit dem Titel «The Painful Predicament of Sherlock Holmes» zu spielen. Der Holmes war diesmal William Gillette, der auch beide Stücke geschrieben hatte. Da das als Ergänzung zu diesem Sketch geschriebene Stück, in dessen Hauptdarstellerin Marie Doro sich der inzwischen sechzehnjährige Charles verliebt hatte, durchfiel, wurde «Sherlock Holmes» wiederaufgenommen, und Chaplin spielte für den Rest der Saison wieder seine erste Rolle als Billy. Nach der Absetzung des Stücks, die mit der Beendigung von Sydneys Provinztournee zusammenfiel, wurde dieser zunächst von einer Clowntruppe, danach von Fred Karno, dem bedeutendsten englischen Impresario für Slapstick-Pantomimen, engagiert. Charles, der zu alt für Kinderrollen, aber für Karno zu jung war, nahm einige vergebliche Anläufe, sich als Autor zu versuchen. Nach dem endgültigen Scheitern seiner ehrgeizigen Pläne ließ er sich von einer mittelmäßigen Clowntruppe namens Casey’s Court Circus engagieren. Bei dieser Arbeit sammelte er seine ersten Erfahrungen als Komiker. Chaplins eigene Beurteilung dieser Phase scheint sich mit den Jahren radikal geändert zu haben, denn während er noch in seiner ersten Autobiographie ausführlich seine ersten Auftritte als Komiker würdigt, tut er in seiner zweiten diese Periode recht kurz ab.

Einige Zeit nach Beendigung dieses Engagements erhielt er schließlich doch noch einen Ruf von Fred Karno. Eines Tages sagte Sydney, Mr. Karno wolle mich sehen. Wie es scheint, war er mit einem jungen Komiker unzufrieden, der in «The Football Match», einem der erfolgreichsten Sketchs von Karno, mit Mr. Harry Weldon aufzutreten hatte. Weldon war ein sehr beliebter Komiker und blieb es auch bis zu seinem Tod in den dreißiger Jahren. Mr. Karno war ein untersetzter, braungebrannter kleiner Mann mit scharfen, hellen Augen, die stets einen prüfenden Ausdruck hatten. Er hatte als Akrobat am Trapez begonnen und sich dann mit drei anderen Komikern zusammengetan, die hier und dort aufgetreten waren. Dieses Quartett bildete den Kern seiner komischen Pantomimen. Er selbst war ein vorzüglicher Komiker und hatte viele erfolgreiche Nummern erdacht. Er trat noch auf, als er schon fünf Theatertruppen im Lande umherreisen ließ.

Karno, der eigentlich Fred Westcott hieß, wurde der erfolgreichste Showman Englands. Zahlreiche große Komiker haben bei ihm angefangen, darunter Stan Laurel, dessen Karriere mit der Rolle als Chaplins Ersatzmann begann. Später – inzwischen hatte er zusammen mit Oliver Hardy das erfolgreichste Komikerduo der Filmgeschichte gebildet, das in Deutschland unter dem dummen Namen «Dick und Doof» bekannt wurde – sagte er über Karno: «Es gab keinen, der so war wie er. Sein Name war gleichbedeutend mit Geschäftserfolg. Er war ein großartiger Chef, freundlich und aufmerksam – und ich mag gar nicht daran denken, wie es mit ihm endete.» Karno hatte sein ganzes Vermögen in eine Insel in der Themse gesteckt, auf der er ein Wochenendzentrum mit Hotel, Restaurant, Tennis- und Golfplatz hatte bauen lassen. Nach der mit großem Pomp vollzogenen Eröffnung brach ein total verregneter Sommer herein, und er verlor sein gesamtes Vermögen.

Obwohl Chaplin mit seinen siebzehn Jahren zu jung schien, erhielt er die Rolle. Die Schilderung seines ersten improvisierten Auftritts macht deutlich, wie viel von seiner späteren Darstellungskunst, von seinen scheinbar frisch geborenen Improvisationen auf eine lange Bühnenerfahrung zurückblicken konnte: Ich kam mit dem Rücken zum Publikum aus der Kulisse – ein eigener Einfall von mir. Von hinten sah ich tadellos aus, der typische edwardianische Schurke im Gehrock und Zylinder mit Spazierstock und Gamaschen. Dann drehte ich mich herum und zeigte meine rote Nase. Gelächter. Die Verbindung mit dem Publikum war hergestellt. Ich hob melodramatisch meine Schultern, schnalzte mit den Fingern, schwankte über die Bühne und stolperte über eine Hantel. Jetzt verhakte sich die Krücke meines Stocks an einem dort hängenden Sandsack, der zurückschlug, mir ins Gesicht stieß; ich taumelte, schwang den Stock und traf mich selbst an der Schläfe. Das Publikum brüllte, Gott segne es.

Schon damals also galt für Chaplin, dass er viele seiner Lacher nicht aus einer komischen Situation bezog, sondern eine Situation erst durch sein Verhalten komisch machte. Charles, der daraufhin einen Jahresvertrag erhielt, und Sydney, der ebenfalls zu einem gefragten Karno-Komiker geworden war, verdienten bald gut genug, um sich nicht nur eine gute Londoner Wohnung leisten, sondern auch ihre Mutter und ihren Großvater unterstützen zu können. Nach etlichen Erfolgen erhielt Chaplin die Rolle des Betrunkenen in Karnos erfolgreichstem Stück «Mumming Birds». Das wesentliche Element dieser Show war die Pantomime, und die Erfahrungen, die er in dieser Rolle sammelte, waren für Chaplin von wesentlicher Bedeutung. Die Tatsache, dass das Stück in Amerika, wo es unter dem Titel «A Night in an English Music Hall» lief, einen Nachfolger unter dem Titel «A Night in a London Club» erhielt und 1915 von Chaplin unter dem Titel A Night in the Show verfilmt wurde, spricht für dessen Erfolg.

Während seines Engagements bei Karno verliebte sich Chaplin. Das Mädchen hieß Hetty Kelly, war mit ihren fünfzehn Jahren im Lieblingsalter auch des späteren Chaplin, und trat in einer Sing- und Tanztruppe in der gleichen Show wie er auf, zeigte allerdings für seine Gefühle wenig Verständnis. Das Bild, das sich der romantisch Verliebte von ihr machte, blieb daher ungetrübt und wurde wohl zum Vorbild für seine späteren Filmheroinen. Dieses Bild sollte ihm auch später nicht mehr zerstört werden. Als er Hetty Kelly bei seinem England-Besuch 1921 aufsuchen wollte, erfuhr er, dass sie zwei Jahre zuvor gestorben war.

Im Jahre 1909 führte ihn eine Tournee nach Paris, wo er in einem Kino einen Komiker sah, den er später einmal als seinen Lehrmeister bezeichnen sollte: Max Linder. Zwar war dessen Filmfigur in ihrem Äußeren...

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