SONNTAG, 10.05.2015 MUTTERTAG
Gleich am Vormittag ließen sich Sophie und Papa sehen. Sophie brachte ein schönes Kissen mit Herz von ihr und Marie mit und Papa rote Rosen. Beides hat mich sehr gefreut. Wir spielten eine Runde Wörter erraten. Meine Mitbewohnerin war schon wieder müde und unterhielt uns schnarchend. Als beide gegangen waren, kam Philipp mit seinem nützlichen Muttertags-Geschenk: Fußmassage. Dabei unterrichtete er mich von seinen letzten Tagen.
Mir graute schon wieder vor der Nacht, so dass ich an mein Einzelzimmeranrecht dachte. Auch die Schwestern und Pfleger haben schon mitbekommen, dass aus unserem Zimmer ein besonderer Sound zu hören war. Aber alles nicht so wild: Als Muttertags- Geschenk konnte ich diese Nacht besser schlafen.
WOCHE 8
MONTAG, 11.05.2015
Heute begann der Tag wieder ruhig. Nun wird mein Stuhl immer dünner. Ich habe „auf dem Weg“ schon etwas verloren, da ich ja nicht so schnell bin und auch erst immer in die Schuhe rein muss.
Und noch eine Überraschung: Frau Gölzel, die Ärztin, die mir auf der ITS schon das Papier für die Sterne und die Hörbücher besorgt hatte, kam vorbei und sagte, dass sie extra für mich kurz von ihren Kollegen freigestellt wurde. Sie zeigte mir als ergotherapeutische Maßnahme, wie Fröbelsterne gebastelt werden. Dann kam auch noch der Narkosearzt auf ein Schwätzchen – man kennt sich ja, nach so vielen OPs. Zu guter Letzt erschien noch ein Vertreter vom Sanitätshaus, um einen Kostenvoranschlag für Fußheberorthesen abzugeben, die ich zum besseren Laufen werde tragen müssen, da ich die Füße nicht in Richtung Schienbein anheben kann.
Bis zum Schlafen las ich ein Buch aus dem E-Book.
DIENSTAG, 12.05.2015
In der Nacht habe ich das Urinkatheder abbekommen. Als ich früh auf Toilette war, klappte auch alles problem- und schmerzlos. In der 2. Nachthälfte half dann wieder Ohropax und Kopfhörer über die ungewollte Beschallung.
11:30 Uhr wurde ich das letzte Mal zu meiner 14. Bein-OP gefahren. Es lief alles nach Plan: Die Wunden wurden mit Hauttransplantaten aus dem Oberschenkel verschlossen. Nun habe ich Bettruhe, das heißt, da das Katheder gezogen wurde noch öfter auf die „Schüssel“.
Verbandswechsel sollte nur durch den Chirurgen vorgenommen werden. Zwei nette Schwestern brachten mich dann auf Station, eine besorgte auch noch zwei Schnitten, denn Frühstück, Mittag und Kaffee waren vorbei und für mich wurde kein Essen aufgehoben. Auch Papa brachte mir noch was mit: Zur Feier der letzten OP gab es chinesische Nudeln.
MITTWOCH, 13.05.2015
Die Nacht war wie zu erwarten: Ohropax hilft nur bedingt. Gegen 23:30 änderte ich meine Taktik. Ich redete. Daraufhin fing sie jedoch mit Jammern an: „Die olle Zicke“ und so weiter. Nach einer weiteren halben Stunde reichte es mir und ich klingelte. Die Schwestern versuchten sachlich, damit beide schlafen können, sie zu bewegen sich auf die Seite zu drehen. Sie redete vor sich hin und blieb aber auf dem Rücken liegen. Mit Kopfhören und Radio Klassik Lautstärke 5 versuchte ich mich damit abzufinden, was mir schwer fiel. Sie ließ sich auch nicht vom Schnarchen stören, als die Schwestern mir klappend den Schieber brachten. Als ich früh Frühstück bekam und sie wegen ihrer OP nicht, beschwerte sie sich.
Aber nun zu den wichtigen Dingen: Der Oberarzt kam und sagte, dass ich eine Woche kein Verbandswechsel habe und Bettruhe. Auch Physiotherapie ist gestrichen, damit alles gut anwachsen kann. Ich habe nun auch um ein Ein-Mann- Zimmer gebeten, das ich in meiner Krankenversicherung versichert habe.
Mein Gegenüber scharrte sich, inzwischen wieder zurück, ununterbrochen durch die Haare. Ich legte mich flach, um nichts zu sehen. Den Rest des Tages schlief sie. Abends kam dann Papa und brachte mir Gurke und Äpfel. Als er ging, vertiefte ich mich in mein Buch. Aber das Licht meiner Nachttischlampe störte sie. „Bei dem Licht kann man ja nicht schlafen, hörte ich“. Es lag wohl eher daran, dass sie den ganzen Tag geschlafen hat. Aber ich legte mein Buch beiseite: Der Klügere gibt nach.
DONNERSTAG, 14.05.2015, HERRENTAG
Ganz normaler Tag. Die Schmerzen werden weniger. An den Oberschenkeln sieht man Blut durch den Verband schimmern. Am linken Unterschenkel sieht man nur an einer Stelle etwas Blut. Nichts Neues zum Thema Ein-Mann-Zimmer.
Als Marie und Sophie kamen, spielten wir ein Ratespiel. Dann kamen noch Papa und Philipp und wir lösten gemeinsam ein Kreuzworträtsel. Nach einer Mittagsruhe bastelte ich noch einen Fröbelstern und las. Als Schwester Tina kam, fragte ich nach dem Einzelzimmer. Sie meinte, ich soll morgen noch mal in der Visite nachfragen.
FREITAG, 15.05.2015
Früh konnte ich meinen Nachtschlaf nachholen, mein Co. war wohl zeitig ausgeschlafen. Ich las noch in meinem Buch bis Papa kam. Er brachte Weintrauben mit, die den Stuhlgang befördern sollten. Seit ich wieder stramm liegen musste, gab es diese Stuhlprobleme wieder. Ich las dann das Buch zu Ende, faltete einen Stern und ruhte etwas. Beim „Töpfchen gehen“ kam auch eine „Mütze“ Stuhl mit. In der Nacht von 0:00 bis 5:00 wieder Konzert. Dann wurde sie wach und ich konnte noch 2 Stunden schlafen.
SAMSTAG, 16.05.2015
Bei der Visite wurde mir gesagt, dass ich heute ein Einzelzimmer bekomme: Die Sonne scheint!
Besuch hatte ich heute nicht. Sophie hat Deutsche Meisterschaft und braucht dort Verstärkung. Es läuft wohl nicht so gut wie erwartet, erfuhr ich durch mein Handy. Nachmittags las ich dann, bis der Akku leer war. Papa kam abends auch noch vorbei und berichtete von den Spielen.
SONNTAG, 17.05.2015
Heute genieße ich den Tag, insbesondere das auf den „Schieber“ gehen ohne Beobachtung. Es klappte gleich viel besser. Bevor Philipp zum Kiten ging, kam er noch vorbei und berichtete über seine Woche und das Shoppen mit Marie. Sie löste ihn ab und besorgte uns beiden Eis aus der Kantine. Dann las ich das Buch zu Ende und faltete noch einen Stern. Dabei kam mir der Gedanke, den Raum mit den Bildern, die ich ja noch von der ITS im Nachtschrank habe zu gestalten.
Als Papa kam berichtete er vom Abschneiden der Mädels: Platz 5 und nicht wie angestrebt eine Medaille.
Ich stellte fest, dass ich nicht vergessen darf, genug zu trinken. Ich fragte nach und bekam ab jetzt eine Thermoskanne Tee, so hatte ich immer was da und hatte auch ein Maß.
WOCHE 9
MONTAG, 18.05.2015
Heute war Verbandswechsel anberaumt. Es war schon komisch beide Beine zu sehen. In die Naht wurde ein Stück transplantierte Haut zwischengenäht. Links weniger als rechts, da dort deutlich mehr Muskeln entfernt wurden. Die Wunde wurde dann mit Pflaster abgedeckt. Die Waden waren frei. Dort konnte man jetzt verkrustete Haut sehen. Die Blasen, die mit Blut gefüllt waren, haben ihre Spuren über beide Waden und die Fußgelenke hinterlassen. An den Armen, dem Hals und den Oberschenkeln sind nur Pigmentstörungen, wo Blasen waren. Die Haut an den Unterschenkeln war zusätzlich noch geschrumpelt, ähnlich die der Haut bei Dicken, die stark abgenommen haben. Da kann man sich vorstellen, wie dick die Beine angeschwollen waren. Die Pflaster über die Nähte wurden dann noch mit einer Binde abgedeckt. Die Ärzte meinten, es sieht gut aus. Als dies geschafft war, sollte ich meine Orthesen anlegen und beide Ärzte, sie haben in der OP einer rechts, der andere links operiert, hakten mich unter und liefen mit mir den Gang entlang. Einer meinte noch: “Da können sie sich ja zu „Germany´s next Topmodel“ anmelden!“. Nach den Gehversuchen blutete eine der verkrusteten Stellen etwas. Die Schiene hat dort wohl gerieben, da noch alles taub ist, merke ich das ja nicht.
Ausflug mit den Operateuren
Dann kam noch die Physiotherapie. Als Sophie kam, schmückten sie das Zimmer mit Bildern am Schrank und an einer Konsole.
Sieht gleich viel wohnlicher aus!
DIENSTAG, 19.05.2015
Heute haben sich Renate und Jürgen angesagt, meine Nachbarn aus Schwedt, mit denen uns viel verbindet und die unsere Kinder immer als Großeltern sahen. Darauf freute ich mich schon.
Heute habe ich auch das Krankenhausnachthemd abgelegt: Keine OP mehr und ich kann wieder allein auf die Toilette.
Vor der Visite kam hektisch eine Schwester rein und meinte, die Oberärztin will meine Wunden sehen. So schnippelte sie den Verband ruck zuck durch.
Der Anblick ist mir immer noch ziemlich unangenehm. Da die Chefin meinte, die Beine so wenig wie möglich zu verpacken, wurden über die Wunden nur locker Schutzstrümpfe im Netzstrumpfhosen-Look übergestreift. Nur an zwei Stellen an den Waden wurde noch abgedeckt, da dort noch Blutblasenreste offen waren.
In der Physiotherapie lief ich am Rolli bis zur Küche und zurück. Dass sogar in Ausgehuniform: Trainingshose und Strickjacke. Jeden Tag ein Stück weiter.
Während ich das E-Book auflud, traute ich mich im Tagebuch von den ersten kritischen Tagen zu lesen. Ich kam nicht weit, die Tränen liefen. Nicht wegen meiner Situation, sondern weil ich las, wie meine Familie damit fertig werden...