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E-Book

Das Echternach Syndrom 3

Band 3 - Medienerziehung in Luxemburg

AutorRobert Soisson
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl448 Seiten
ISBN9783746050584
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Der Begriff "Echternacher Springprozession" wird im Sinne der Form des "drei Schritte vor, zwei zurück für besonders mühsame Prozesse verwendet, bei denen viele Rückschritte zu verzeichnen sind" (Wikipedia). Adorno bemerkte: "Die Echternacher Springprozession ist nicht der Gang des Weltgeistes" (Minima Moralia, S. 165). Dass es die Luxemburger Politik nicht so sehr mit dem Weltgeist hat und lieber (außer in Geldangelegenheiten) ihre eigenen Wege geht, zeigt sie in den Domänen, die in dieser kleinen Buchreihe thematisiert werden. Die Artikel in diesen Büchern wurden in den Jahren 1980-2010 geschrieben und sind doch noch immer aktuell, eben weil die Fortschritte in den Bereichen Schule, Heimerziehung, Familie, Medienerziehung und Umsetzung der Kinderrechte so langsam sind. In diesem Band enthalten sind hauptsächlich die Protokolle der Seminare "Médiamorphose 1 & 2", die vom Conseil National des Programmes in den Jahren 2002 und 2003 organisiert wurden. Daneben enthält das Buch einige Artikel zur Medienerziehung, die in der Zeitschrift "Forum" veröffentlicht wurden sowie andere Beiträge zu diesem Thema.

Robert Soisson wurde 1950 in Luxemburg geboren. Nach seinem Abitur studierte er Psychologie in Heidelberg. Als Diplompsychologe arbeitete er bis zu seiner Pensionierung in schulpsychologischen Diensten und als Berater in verschiedenen Einrichtungen für erzieherische Hilfen. 30 Jahre lang arbeitete er als Leiter des schulpsychologischen Dienstes der Stadt Esch-sur-Alzette. Robert Soisson war aber auch in zahlreichen nationalen und internationalen Nichtregierungsorganisationen aktiv, wo er sich für die Umsetzung der Internationalen Konvention über die Rechte des Kindes, die Verbesserung der Betreuung von sozial, geistig und körperlich behinderten Kindern einsetzte. Robert Soisson ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern.

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Leseprobe

Dezember 2001: Kinder und Jugendliche in der Neuen Medienlandschaft


Spiele, Pornographie, Wahrnehmung10

Robert Soisson, Psychologe, Mitglied des „Conseil national des Programmes“ als Vertreter der Nationalen Koalition für die Rechte des Kindes

0.Einleitung

Welchen Einfluss haben die Neuen Medien auf unsere Kinder? Diese Frage stellen sich immer mehr Eltern, Lehrer, Politiker, Experten. Gibt es gesicherte Ergebnisse aus der Forschung? Hat der Umgang mit diesen Medien einen direkten Einfluss auf gewalttätiges Verhalten von Kindern und Jugendlichen?

Dieser Artikel versucht, den letzten Stand der Diskussionen um dieses Thema wiederzugeben. Das geschieht aus drei Gründen:

  • Im Rahmen der schwedischen Präsidentschaft der EU fand vom 12-13. Februar ein Seminar in Stockholm über das Thema „Kinder und Neue Medien“ statt. Ich hatte die Gelegenheit, als Vertreter des Conseil National des Programmes an dieser Tagung teilzunehmen und möchte die Gelegenheit benutzen, über die Ergebnisse dieses Seminars zu berichten.
  • An der Universität Göteborg in Schweden wurde 1997 mit der Unterstützung der UNESCO und der schwedischen Regierung das “International Clearinghouse on Children and Violence on the Screen“ gegründet. Dieses Forschungsinstitut versucht, unser Verständnis der vielfältigen Beziehungen von Kindern zu den Medien zu verbessern um eine Medienpolitik auf der Grundlage der Konvention über die Rechte des Kindes zu fördern. Kinder sollen Zugang und ein Recht auf Mitgestaltung der ihnen zugedachten Medienproduktionen haben; der Gebrauch, den sie von den Medien machen soll erforscht werden und ihre „Medienkompetenz“ gefördert werden. Das „Clearinghouse“ publiziert Jahrbücher und über das letzte möchte ich in diesem Artikel berichten.11
  • Seit drei Jahren bin ich Mitglied im Conseil National des Programmes und vertrete dort die „Coalition Nationale pour les Droits de l’Enfant“. Eines meiner Anliegen in diesem Gremium ist die Einführung einer Erziehung zur Medienkompetenz unserer Kinder in unseren Schulen. Beispiele im Ausland zeigen, dass dies möglich ist und entsprechendes Material wurde bereits entwickelt.12
1.Expertenseminar über Kinder und Jugendliche in der Neuen Medienlandschaft

Über 200 Teilnehmer aus den EU-Mitgliedsstaaten und den Ländern, die der EU beitreten möchten, aus der Medienindustrie, Regierungsstellen und NGOs hatten sich in Stockholm eingefunden um zu diskutieren vor was Kinder beschützt werden sollten, warum und wie diese Schutzmaßnahmen realisiert werden können und wer verantwortlich ist für ihre Umsetzung.13

Die Konferenz wurde durch die schwedische Kultusministerin Marita ULVSKOG eröffnet und durch ein Referat von Cecilia VON FEILITZEN eingeleitet. Die Referentin arbeitet in dem oben beschriebenen „Clearinghouse“ und ist Mitherausgeber des weiter unten besprochenen Jahrbuchs über Kinder und neue Medien. Zwei Schulklassen mit 11-jährigen Kindern hatten eine kleine Show vorbereitet in der sie ihre Haltung gegenüber den Neuen Medien deutlich machten.

Drei Arbeitsgruppen diskutierten folgende Themen:

1.1Schutz der Kinder vor schädlichen Inhalten im Internet sowie in Computer- und Videospielen

Alle Teilnehmer waren sich einig, dass es Schutzmaßnahmen geben muss. Diskutiert wurden technische Hilfsmittel wie Klassifizierungs- und Filtermethoden, Aufklärungskampagnen und Medienerziehung. Die Verantwortung von Eltern, Regierungen, Internet Serviceanbietern und Medienproduzenten wurden angesprochen. Ein einheitliches europäisches Bewertungssystem wurde gefordert.

1.2Schutz der Kinder vor schädlichen Inhalten im digitalen und globalen Fernsehen

Angesichts beträchtlicher kultureller Unterschiede bei der Einschätzung der Schädlichkeit von bestimmten Inhalten wurde ein europaweites, differenziertes und wertneutrales Beschreibungssystem gefordert, um Altersgrenzen empfehlen zu können.

Sehr viel Wert wurde auf qualitativ hochwertige Kinderprogramme gelegt. Die Vertreter von öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten wurden dabei heftig von einer Vertreterin einer privaten TV-Kette angegriffen: Kinder wollten sich beim Fernsehen nur unterhalten („They just want to have fun!“) anstatt sich Filme über Randgruppen oder alltägliche Lebensprobleme anzusehen. Die Last der Verantwortung beim Schutz der Kinder darf nicht allein den Eltern aufgebürdet werden: Die Programmveranstalter müssen sie ebenso tragen.

1.3Das Problem der Werbung, die sich direkt an Kinder adressiert

Hier prallten zwei Meinungen aufeinander: Auf der einen Seite die Teilnehmer, die finden, dass Kinder noch nicht die Fähigkeit haben, die Absichten der Werbung zu durchschauen und auf der anderen Seite die Teilnehmer, die meinten, die Werbeeinnehmen seien notwendig, um gute Kinderprogramme zu gestalten. Außerdem würden Kinder so auf „real-life“-Situationen vorbereitet.

(Diese Haltung vertritt auch die Luxemburger Regierung, wie mir vor meiner Reise nach Stockholm mitgeteilt wurde)

Schlussfolgerungen der schwedischen Präsidentschaft

Durch die rasante Entwicklung der Medienlandschaft sind neue Probleme entstanden. Kinder werden zunehmend schädlichen Einflüssen ausgesetzt. Welche Einflüsse das sein können hängt von kulturellen Faktoren ab. Wie die Kinder beschützt werden können hängt von der Art und Weise ab, wie der Zugang zu den verschiedenen Medien möglich ist. Der Trend geht in die Richtung der Entwicklung von sicheren Filtersystemen. Noch wichtiger aber sei die Notwendigkeit, gute Kinderprogramme zu produzieren und Kinder durch Medienerziehung zu kritischen Konsumenten zu erziehen. Medienerziehung sollte Bestandteil der regulären Schulausbildung sein. Eltern sollten besser und gezielter über Programminhalte informiert werden, die Konsumenten sollten gestärkt werden („empowering the consumers“). Kinder sollten beim Fernsehen darauf aufmerksam gemacht werden, dass eine Werbesendung stattfindet. Über die Notwendigkeit von Werbesendungen im Kinderfernsehen klafften die Meinungen weit auseinander. Die Schwedische Präsidentschaft hofft, dass die Diskussionen des Seminars die Gestaltung der EU-Richtlinie über Fernsehen ohne Grenzen sowie die Empfehlung zum Schutz der Kinder und der Menschenwürde im „Internet Action Plan“ günstig beeinflussen.

2.Gewalt in Video- und Computerspielespielen
2.1Allgemeine Überlegungen

Viele Erwachsene, Eltern, Pädagogen und andere Personen, die mit Kindern in Kontakt sind, kennen das Phänomen der Videound Computerspiele, kennen auch mehr oder weniger die Möglichkeiten des Internets, aber das alles oft nur recht oberflächlich. Es fehlt an Zeit und an zuverlässlichen Informationen über diese Spiele, damit z.B. Eltern den Zugang ihrer Kinder zu potentiell schädlichen Inhalten regeln können. Aber auch Leute, die professionell mit Kindern zu tun haben, wissen oft nicht besser Bescheid. Deshalb versuche ich hier, die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Jahrbuch der oben erwähnten UNESCO-Einrichtung zusammenzufassen.

In den einleitenden Artikeln des Yearbooks stellen Ulla Carlsson und Cecilia von Feilitzen fest, dass mit der explosionsartigen Ausbreitung der Neuen Medien in den letzten 15 Jahren immer mehr Fragen über ihren Einfluss auf die psychologische und soziale Entwicklung des Kindes gestellt werden. Immer mehr Kinder haben Zugang zu Medieninhalten, die an ein erwachsenes Publikum gerichtet sind. Der vielgepriesene unbeschränkte Zugang zur „Information“ bringt es mit sich, dass neue Ängste entstehen über die weltweite Verbreitung einer Einheitskultur, von Gewalt strotzender Unterhaltung, Pornographie, sexistischer, rassistischer und fremdenfeindlicher Inhalte.

Optimisten sehen in der Entwicklung der Neuen Medien Entwicklungschancen für Kinder und Jugendliche während die Pessimisten nur Gefahren wittern: Immer mehr Bereitschaft, Gewalt als Mittel zur Lösung von Problemen zu akzeptieren, Desensibilisierung gegenüber dem Gebrauch von Gewalt, gesteigerte Aggressivität, Abhängigkeit vom Medienkonsum, soziale Isolation, Verzicht auf außerschulische Aktivitäten, bis hin zu gesundheitlichen und kognitiv-emotionalen Schädigungen.

Den Einfluss der Neuen Medien auf Kinder und Jugendliche wissenschaftlich zu untersuchen ist schwierig:

  • Da es sich um ein rezentes Phänomen handelt gibt es noch relativ wenig Forschung. Interessanterweise ist die Forschung in Japan, dem Land was eine Hauptrolle in der Entwicklung und Vermarktung von Videospielen einnimmt, am wenigsten entwickelt.15
  • Kurzfristige Effekte des Konsums gewalttätiger Videos sind seit den Experimenten Banduras bekannt, es gibt aber so gut wie keine Untersuchung über die längerfristigen Auswirkungen eines solchen Konsums.
  • Aus ethischen Gründen können Kinder nicht an Experimenten über den Einfluss von Gewalt...
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