Das Familienkonzept als Werkzeugkasten
Selbst gestalten
Das Familienkonzept enthält praktische Werkzeuge, die von Paaren und Eltern angewandt werden können. Wer sie benutzt, fängt an, mit ihnen zu experimentieren. Ein (Eltern-) Paar kann mithilfe des Werkzeugkastens sein eigenes Familienkonzept entwickeln. Das passende Ergebnis würde jeder der beiden dann beispielsweise so beschreiben:
„Ich bin zugleich Partner, Elternteil für unsere Kinder und eigenständige Person. Ich bin für verschiedene Aufgaben verantwortlich, die ich mir selbst gewählt habe. Ich führe sie in meiner speziellen Art und Weise zu den Zeiten aus, die ich mir aussuche. Die Aufgaben passen zu mir. Niemand macht mir Vorwürfe, ich würde in der Partnerschaft oder in der Familie zu wenig beitragen. Ich bin in meiner Familie anerkannt. Ich habe zwar viel zu tun, aber ich fühle mich nicht belasteter als jemand anderer in der Familie. Die Anderen erledigen auch ihre Aufgaben für die Familie. Daneben hat jede Person in unserer Familie noch eine berufliche Aufgabe. Bei den Kindern ist dies die Schule. In bestimmten verlässlich vereinbarten Zeiten habe ich Freizeit ganz für mich, wie jede Person in unserer Familie. Unsere Familie ist ein lebendiger, sich ständig verändernder Lebensraum, in dem ich mich wohl fühle.“
Umgang mit dem Konzept
Das Buch ist so aufgebaut, dass es seinen Lesern sechs verschiede Werkzeuge des Familienmanagements vorstellt und sie in Schritten vom kleinsten bis zum größten führt. Das kleinste Werkzeug ist die Aufteilung der Arbeitszeit der Partner in die beruflichen Blöcke. Das „Meisterstück“ ist der Wochenplan der Familie. Jedes Werkzeug, vom ersten bis zum fünften, kann als einzelnes Hilfsmittel genutzt werden und hat seine eigene organisatorische und pädagogische Bedeutung. In diesem Buch aber sind die Werkzeuge als Teilschritte auf dem Weg zum sechsten Werkzeug, und damit zum organisatorischen Ziel des Familienkonzeptes konzipiert, nämlich dem Wochenplan der Familie.
In der Struktur dieses Buches sind die kleineren ersten Werkzeuge die Voraussetzung für die späteren, komplexeren Werkzeuge. Die einzelnen Werkzeuge sind nicht trennscharf voneinander abgegrenzte Bereiche, sondern sie gehen ineinander über. Ein Paar, das zunächst erfahren hat, wie entlastend und gerecht die Aufteilung der Aufgaben der Erwachsenen im Familienkonzept gelingt, entwickelt neue Gewohnheiten und Umgangsweisen miteinander. Diese bilden die Grundlage für den sowohl organisatorisch als auch pädagogisch so zentralen Schritt, die Kinder schließlich am Familienkonzept aktiv zu beteiligen. Wenn die Kinder das passende Alter erreicht haben, entsteht der Familienrat. Schließlich münden alle Werkzeuge, die im persönlichen Stil der Familie benutzt werden, im Wochenplan der Familie.
„Nicht noch ein weiterer Plan!“, mögen manche Leser denken. Und in der Tat gibt es im Familienleben schon genug To-do-Listen und Stundenpläne. Ein Familienwochenplan, wie er hier vorgestellt wird, enthält alle anderen Pläne und gibt so der Familie eine gemeinsame Gesamtstruktur. Dies ist nicht nur für Kinder übersichtlicher, sondern auch für Erwachsene.
„Nicht so viele Werkzeuge!“, mögen Leser ausrufen. Wenn eine Familie dieses Buch nicht wie eine Bauanleitung zur Herstellung des Familienplans benutzen will, ist es möglich, nur ein einzelnes Werkzeug auszuwählen und zu erproben.
Werkzeuge einzeln benutzen
Eine Familie, der es vor allem um die gerechte Verteilung der Aufgaben geht, wählt das dritte Werkzeug, wenn die Kinder in der ersten Hälfte der Kindheit sind. Die Einführung der Chefaufgabe wird von Familien als Erleichterung erlebt, gewährt sie doch einen spielerischen Umgang mit den Elternaufgaben. Sie ordnet jedem Elternteil Arbeitsphasen und Freizeitphasen zu. Außerdem macht sie Schluss mit dem Streit um die Haltungs- und Handlungsunterschiede zwischen den Eltern. Und sie nimmt Druck aus dem uralten Dogma, Eltern sollten sich einig sein, und Familien sollten möglichst viel gemeinsam machen.
Sind die Kinder gerade im Übergang von der ersten Hälfte zur zweiten Hälfte der Kindheit oder schon in der zweiten Hälfte, dann ist es ratsam, das fünfte Werkzeug zu wählen. In dieser Altersphase werden die herkömmlichen Erziehungsmaßnahmen der Eltern nicht selten von den Kindern mit heftigem Widerstand beantwortet. Sie wollen nicht mehr bevormundet, ermahnt, erinnert oder kritisiert werden. Im Familienrat entstehen neue, diesem Alter angemessene Formen der Kommunikation zwischen Eltern und Kindern. Diese würdigen sowohl die hohe Kompetenz als auch die Autonomie, die diese Kinder schon erreicht haben. Trotz der vorpubertären oder pubertären Entwicklung bleiben Vertrauen und Achtung zwischen Eltern und Kindern erhalten.
Bauanleitung für den Familienwochenplan
Eine Familie kann das Buch wie eine Bauanleitung benutzen und die Werkzeuge in ihrer hier vorgestellten Reihenfolge nacheinander ausprobieren. Sie benötigt Geduld für einen Schritt-für-Schritt-Weg, um die neuen Methoden in den Zeitplan und die Lebensgewohnheiten der Familie zu integrieren. Dieser Weg darf sich in Jahren entwickeln oder, wenn akuter Bedarf ist, in ein paar Wochen. In den Phasen, in denen die Familie konkrete Veränderungsschritte geht, um das Familienkonzept zu verwirklichen, werden nach einer Woche die Erfahrungen, die die Familie mit dem Konzept gemacht hat, ausgewertet. Dies geschieht in Form des Familienrats (fünftes Werkzeug). Gute Erfahrungen werden in einem gegenseitigen Austausch wertgeschätzt. Sie ermutigen die Mitglieder der Familie dazu, das Konzept weiter anzuwenden. Nicht so gute Erfahrungen lösen gemeinsame Suchprozesse aus. Ideen werden gesammelt, neue Wege geplant, Zuständigkeiten neu geregelt. Erst wenn alle Familienmitglieder die Einschätzung teilen, dass die Planung ausreicht, um das Konzept in der kommenden Woche fortzusetzen, beendet man den Austausch.
Eltern, deren Kinder deutlich unter neun Jahre alt sind, erledigen den Großteil der Vorplanung zu zweit. Sie beteiligen die Kinder an den Entscheidungsprozessen der Vorplanung nur bei Details, die die Kinder schon verstehen und mitentscheiden können. Mit zunehmendem Alter steigt der Grad der Mitentscheidung. Mädchen ab dem neunten Lebensjahr und Jungen ab dem zehnten Lebensjahr können in der Regel schon an den meisten Schritten der Konzeptentwicklung mitwirken. Ja, sie sind sogar eine große Bereicherung, weil sie nicht selten die kreativsten Ideen beisteuern können. Je mehr die Kinder diese Prozesse mitgestalten können (ohne überfordert zu werden), desto engagierter sind sie, die neu gewonnenen Regeln und Abläufe einzuhalten. Von der altersgemäßen Einbindung der Kinder in das Familienkonzept hängt entscheidend ab, ob die Kinder mit Engagement und Freude beteiligt sind oder ihre Mitwirkung verweigern. Im Kapitel zum fünften Werkzeug widmet sich ein Abschnitt diesem Thema.
Patchwork & Co.
Das Familienkonzept wurde zunächst für eine Kernfamilie entworfen, die die Positionen Elternteile und Kind enthält (Vater, Mutter, gleichgeschlechtliche Partner oder Stiefeltern und ein Kind, mehrere Kinder oder Stiefkinder). Paare ohne Kinder können einige Werkzeuge nutzen.
• Allein Erziehende
können die Werkzeuge so anwenden, dass sie anstelle des zweiten Partners andere Erwachsene einbeziehen. Dadurch, dass das Familienkonzept alle Positionen in der Familie deutlicher definiert und sichtbar macht, können allein Erziehende der Gefahr entgehen, dass ein Kind fälschlicherweise in die Rolle des fehlenden Erwachsenen schlüpft.
• Getrennt lebende Eltern
können sich aus den Werkzeugen ein eigenes Konzept zusammensetzen. Der Vorteil kann darin bestehen, dass ein getrennt lebender Elternteil nicht nur Besuchssituationen gestaltet, sondern für bestimmte erzieherische und organisatorische Aufgaben allein verantwortlich oder mitverantwortlich ist. Der andere Elternteil wird entlastet. Der getrennt lebende Elternteil bekommt durch sein Profil eine definierte Rolle. Sie gibt ihm mehr Möglichkeiten als bisher, als Vorbild zu wirken.
Wenn getrennte Eltern nah beieinander (am besten fußläufig) wohnen, können sie sich die Erziehung der Kinder und alle damit zusammenhängenden Aufgaben zur Hälfte teilen. Die Erwachsenen verstehen sich als gleichrangige Eltern. Das Kind hat in jedem Elternhaus ein Zimmer und lebt abwechselnd jeweils eine Woche bei einem der Eltern. Schule, Freunde, Umfeld bleiben identisch. Die Erfahrungen zeigen für Kinder und Eltern ermutigende Ergebnisse. Dieses zukunftsweisende Modell scheint sehr geeignet, wenn Eltern die notwendigen Rahmenbedingungen herstellen können. Die Voraussetzung dafür ist allerdings zum einen die Bereitschaft beider Eltern, dem anderen Elternteil die volle Elternkompetenz zuzutrauen und zu gewähren. Zum anderen ist es nötig, einen fairen und sachlichen Austausch über alle Belange der gemeinsamen Elternschaft zu führen. Außerdem ist es für Kinder von zentraler Bedeutung, dass der zuständige Elternteil für altersgerechte Anwesenheitszeiten neben seinen außerhäuslich beruflichen Aufgaben sorgt. Für die Kinder ist es wichtig, dass die Eltern sich voll und ganz auf dieses Wechselmodell einlassen, ihr berufliches und privates Leben darauf einstellen und äußerst...