Als Hitler am 30.01.1933 zum Reichskanzler ernannt wurde, herrschte in Deutschland hohe Arbeitslosigkeit, weshalb das primäre wirtschaftliche Ziel ‚Arbeitslosigkeit eindämmen‘ hieß.[183] Mehrere konjunktur- und beschäftigungspolitische Maßnahmen, die teilweise schon während der Weimarer Zeit entwickelt worden waren, wurden durchgeführt, so etwa der Bau der ‚Reichsautobahnen‘, Maßnahmen zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Infrastruktur, die Förderung privater und staatlicher Bauvorhaben und die Aufhebung der Kraftfahrzeugssteuer für alle neu zugelassenen Fahrzeuge. Von Anfang an wurde in die Wiederaufrüstung investiert.[184] Die beiden 1933 verabschiedeten „Gesetze zur Verminderung der Arbeitslosigkeit“ – nach ihrem Initiator, dem Staatssekretär im Reichsfinanzministerium, ‚Reinhardt-Programm‘ genannt – sollten die Eigeninitiative der Unternehmen durch steuerliche Erleichterungen und Darlehensanreize fördern; sie enthielten aber auch arbeitsmarktpolitsche Regelungen.[185] Teil des „Gesetzes zur Verminderung der Arbeitslosigkeit“ war das sogenannte ‚Ehestandsdarlehen‘, das zum Ziel hatte, Frauen freiwillig zum Verlassen ihrer Arbeitsplätze zu motivieren, um diese für Männer ‚freizumachen‘.[186] Es ist bezeichnend, daß es sich bei den beschäftigungspolitischen Maßnahmen, die in der Anfangszeit des Nationalsozialismus Frauen betrafen, gleichzeitig um bevölkerungspolitische handelt. Das Erreichen zweier Ziele wurde angestrebt: Frauen sollten erstens vom Arbeitsmarkt ‚verschwinden‘, wodurch ein Sinken der Arbeitslosigkeit erhofft wurde, und zweitens sollten mehr ‚deutsche‘ Kinder zur Welt kommen.[187]
Im Jahr 1936, als der ‚Vierjahresplan‘ entstand und damit die direkte Kriegsvorbereitung begann, hatte sich die Situation maßgeblich verändert. Ein starker Wirtschaftsaufschwung war - vor allem innerhalb der rüstungsswichtigen Produktionsgüterindustrie - festzustellen,[188] und am Ende des Jahres 1937 herrschte Vollbeschäftigung.[189] Die Arbeitskraft eines jeden wurde benötigt, um die Produktion aufrecht zu erhalten, also jetzt auch die der Frauen. Der Arbeitskräftemangel wurde im Laufe des Krieges immer prekärer und konnte auch nicht durch den Einsatz der sogenannten ‚Fremd‘- und ‚ZwangsarbeiterInnen‘ vollkommen ausgeglichen werden, zumal auch FacharbeiterInnen – vor allem in der Metallindustrie – fehlten.[190] Man versuchte, alle noch nicht beschäftigten Personen – Frauen, Jugendliche und Pensionäre – zur Arbeitsaufnahme zu bewegen, teilweise per Dienstverpflichtung. Frauen stellten dabei die größte innerdeutsche ‚Arbeitsmarktreserve‘ dar.
Ich werde die wichtigsten Maßnahmen der Frauenbeschäftigungspolitik nach ihren gegensätzlichen Zielen – zuerst tendenzielle Verdrängung vom Arbeitsmakt, dann Versuch der Rückgewinnung – darstellen.
Die sogenannte ‚Kampagne gegen das Doppelverdienertum’ hatte bereits während der Weltwirtschaftskrise eingesetzt und war kein spezifisch deutsches Phänomen, sondern existierte in allen von der Weltwirtschaftskrise betroffenen Ländern.[191] Die NSDAP forderte zusammen mit anderen konservativen Parteien die Entlassung der sogenannten ‚DoppelverdienerInnen‘, wobei es sich außer um erwachsene, im Haushalt der Eltern lebende Kinder vor allem um verheiratete Frauen handelte, die ebenso wie ihre Ehemänner erwerbstätig waren.[192] Die Forderung lautete, daß pro Familie nur ein Einkommen – und zwar vorrangig das des Mannes – erzielt werden sollte. Winkler verweist auf eine „breite öffentliche Antipathie gegen die berufstätigen Frauen“[193] in der Phase der hohen Arbeitslosigkeit; die nationalsozialistische ‚Kinder-Küche-Ehemann‘- Ideologie wird ihr übriges dazu beigetragen haben, um die schlechte Stimmung gegen berufstätige Frauen zu unterstützen. Bajohr merkt an, daß es zumeist Angehörige der Mittelschichten waren, die am stärksten gegen das ‚Doppelverdienertum’ eintraten: Kleineigentümer und Bauern, FreiberuflerInnen, Angestellte und BeamtInnen,[194] wobei die Kampagne laut Bock durchaus auch von Frauen getragen wurde.[195] Der Druck auf die ‚doppelverdienenden‘ Frauen blieb jedoch – zumindest im privatwirtschaftlichen Bereich - eher inoffizieller Natur, d.h. er wurde nicht rechtlich fixiert. Als Grund für das Zögern nennt Mason den Widerspruchs zum sozialdarwinistischen Prinzip der natürlichen Begünstigung der Leistungsstärksten.[196]
Trotz der fehlenden gesetzlichen Handhabe gingen einzelne Arbeitsämter, Ortsgruppen oder ähnliche Institutionen gegen die ‚DoppelverdienerInnen’ vor, indem sie z.B. willkürliche Höchst-Einkommensgrenzen für Familien festlegten oder Erklärungen über Einkommens- und Familienverhältnisse der Arbeitnehmerinnen verlangten.[197] Als Motive für dieses ehrgeizige Verhalten nennt Winkler neben Mißgunst „politische Loyalität gegenüber [den] neuen Machthabern“.[198] Arbeitslose Mitglieder der SA[199] und der NSBO[200] sollen massiv Druck auf ArbeitgeberInnen ausgeübt haben, in ihrem Unternehmen beschäftigte Frauen zu entlassen.[201] Sie konnten sich dabei auf einen Erlaß der ‚Reichsanstalt für Arbeit‘ berufen, in dem die Arbeitsämter angewiesen worden waren, Mitglieder der SA, der SS[202], des ‚Stahlhelm–Bundes der Frontsoldaten‘[203] und der NSDAP mit einer Mitgliedsnummer unter 300.000 bei der Stellenbesetzung zu bevorzugen.[204] Offenbar ging man dabei so weit, alle beschäftigten Frauen (egal ob ‚Doppelverdienerinnen’ oder nicht) anzugreifen. In ihrem Aufsatz „Die erwerbstätige Frau im Dritten Reich“ kritisiert Rilke dieses Verhalten.[205] Die Mitarbeiterin Scholtz-Klinks im Frauenamt der DAF[206] räumt zwar ein, daß es schwer für Frauen sei, ihren „liebgewordenen Beruf“ aufzugeben, aber dennoch sieht sie es als notwendig an, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, „um der Masse langjährig erwerbsloser Familienväter zunächst wieder Brot und Lohn zu geben.“[207] Zwei Einschränkungen macht sie jedoch für den Ersatz der Frauen durch Männer, es müsse sich erstens um Erwerbstätigkeiten handeln, für die Männer auch geeignet seien. Zweitens dürfe das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis die betroffenen Frauen nicht in existentielle Notsituationen führen. Nur bei ‚echten‘ ‚Doppelverdienerinnen’ sei die Forderung nach Aufgabe ihrer Arbeit berechtigt; nicht der Fall sei das bei den unverheirateten Frauen, „die aus sachlichen und persönlichen Gründen zur Schließung einer Ehe nicht gelangen, also auf den eigenen Erwerb angewiesen [...]“ seien.[208]
Im September 1933 schon wurde das Vorgehen gegen ‚DoppelverdienerInnen’ offiziell verboten,[209] und spätestens mit dem Rückgang der Arbeitslosigkeit gehörte die Kampagne der Vergangenheit an.[210]
Im Gegensatz zu der Privatwirtschaft wurde die Frauenarbeit im öffentlichen Dienst durch das „Gesetz zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiete des allgemeinen Beamten-, des Besoldungs- und Verwaltungsrechts“ geregelt.[211] Dadurch konnten vor allem verheiratete Frauen aus Stellen des öffentlichen Dienstes entfernt werden, und männliche Bewerber wurden bei der Einstellung bevorzugt.[212]
Das ‚Ehestandsdarlehen‘ wurde im Sommer 1933 eingeführt. Ehepaare erhielten ein zinsloses Darlehen unter der Voraussetzung, daß die Ehefrauen ihre Berufstätigkeit aufgaben und sich verpflichteten, auch keine mehr aufzunehmen, bis sie die Darlehenssumme zurückgezahlt hatten. Außerdem mußten sie innerhalb der letzten beiden Jahre mindestens sechs Monate lang versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein.[213] Das Darlehen wurde nicht bar ausgezahlt, sondern in Form sogenannter ‚Bedarfsdeckungsscheine‘ für Möbel und Haushaltswaren – ausgestellt auf den Namen des Ehemannes – vergeben. Die Höhe betrug durchschnittlich 600 Reichsmark, eine Summe, die nach Mason dem vier- bis fünffachen Monatslohn eines Industriearbeiters entsprach.[214] Die Höhe der Gutscheine belief sich maximal auf 1000 RM.[215] Pro geborenem Kind wurde ein Viertel der Darlehensschuld erlassen, nach der Geburt von vier Kindern war sie demnach – wie es im Volksmund hieß – ‚abgekindert‘.[216]
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