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Das Gesundheitswesen im Dienste des Nationalsozialismus am Beispiel der Stadt Dessau

AutorMatthias Kempe
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl42 Seiten
ISBN9783958207189
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Diese Arbeit befasst sich mit dem Wandel des deutschen Gesundheitswesens in der Zeit des Nationalsozialismus. Anhand des regionalen Beispiels der Stadt Dessau soll aufgezeigt werden, wie der Nationalsozialismus das Gesundheitswesen beeinflusst und verändert hat. Hierbei wird zunächst auf die ideologischen Voraussetzungen eingegangen, die nicht nur die Basis der rassistischen und menschenverachtenden Ideologie des Nationalsozialismus, sondern auch das Grundgerüst für die Radikalisierung des deutschen Gesundheitswesens in der Zeit von 1933 bis 1945 bildeten. Zudem werden grundlegende Herrschaftsstrukturen des 'Dritten Reiches' analysiert und anhand der Dessauer Stadtverwaltung aufgezeigt. Den Hauptteil der Arbeit bilden Betrachtungen über die Umformungen des Gesundheitswesens in der Zeit von 1933 bis 1945 mit dem Konflikt zwischen staatlich und parteilich geregeltem Gesundheitswesen, der Einfluss des Zweiten Weltkrieges auf selbiges sowie das 'Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses' und die 'Euthanasie' in der Anstalt Bernburg.

Matthias Kempe, B. A., wurde 1989 in Dessau geboren. Sein Studium der Geschichte schloss er 2013 am Historischen Seminar der Universität Leipzig erfolgreich ab. Bereits während des Studiums entwickelte der Autor ein tiefgehendes Interesse für die im hier

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 4.1.1, Parteiliches vs. staatliches Gesundheitswesen - der Konflikt zwischen Dr. Gerhard Wagner und Dr. med. Arthur Gütt bis 1939: Bereits ein Jahr vor der Machtübertragung forderte der anhaltische Ministerpräsident Alfred Freyberg in einem Schulerlass, der am 02. September 1932 im 'Amtsblatt für Anhalt' veröffentlicht wurde, dass '[...] Gefühl der Rassenzugehörigkeit lebendig zu machen, das Leben nach erbgesundheitlichen Gesetzen zu gestalten, damit nicht das germanische Erbgut durch fremdrassige Blutsvermischung verdorben wird.' Freyberg rief außerdem dazu auf, '[...] daß in allen Schulen der Verbreitung und Vertiefung des völkischen Gedankens besondere Aufmerksamkeit zugewendet wird.' Der spätere Staatsminister Anhalts sorgte damit seiner Zeit für erhebliche Empörung. Er nahm in diesem Erlass jedoch bereits vorweg, was schon ein Jahr später Realität werden sollte: Mit dem Erlass des 'Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses' (GzVeN) am 14. Juli 1933 wurde das erste erbgesundheitliche Gesetz verabschiedet. Dieses Gesetz ist in seiner Bedeutung für das nationalsozialistische Gesundheitswesen in keiner Weise zu unterschätzen, weshalb es im späteren Verlauf der Arbeit nochmals genauer betrachtet werden soll. Fast exakt ein Jahr später - am 03. Juli 1934 - wurde dann das 'Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens' erlassen, dass die oben bereits erwähnte Schaffung eines einheitlichen Gesundheitswesens mit sich bringen sollte. Im darauf folgenden Jahr wurde dann das 'Gesetz zum Schutz der Erbgesundheit des deutschen Volkes' erlassen, dass in Verbindung mit den beiden bereits erwähnten Gesetzen die Gesundheitspolitik des 'Dritten Reiches' erheblich prägte. Weiterhin wurde die politische Gleichschaltung des Gesundheitswesens durch das bereits im Jahr 1933 erlassene 'Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums' flankiert, das 'nichtarische' Ärzte aus ihrem Berufsstand enthob und das Gesundheitswesen von 'jüdischen/marxistischen Elementen' befreien sollte. Wie im gesamten Reichsgebiet betrafen diese Gesetzte natürlich auch den Gau Magdeburg-Anhalt und somit auch die Gauhauptstadt Dessau. So erwähnte der Oberbürgermeister im Rahmen eines Schreibens über 'Beamte, Angestellte und Arbeiter' in den Verwaltungsberichten des Dezernats V, dass in Dessau 18 Beamte sowie 52 Tarifangestellte entlassen wurden. Weiterhin wurde die Besoldung der Beamten an die der 'Reichsbeamten' angeglichen. Die Umgestaltung der Gesundheitspolitik verlief trotz der erwähnten Maßnahmen nicht so reibungslos, wie es der Erlass des 'Gesetzes zur Gleichschaltung des Gesundheitswesens' vermuten lässt. Am Prozess der Veränderung der Gesundheitspolitik waren mehrere Interessengruppen beteiligt, die versuchten Einfluss auf die Umgestaltung zu nehmen. Hier wären zunächst die NSDAP und der Nationalsozialistische Deutsche Ärztebund unter der Leitung des Reichsärzteführers Dr. Gerhard Wagner zu erwähnen. Dieser forderte die Neuorganisation der ärztlichen Politik auf der Grundlage des Nationalsozialismus. Wagner forderte hierbei das Konzept des niedergelassenen Arztes im Dienste der NSDAP, was im Großen und Ganzen einem parteilichen Gesundheitswesen entspricht. Hauptbestandteile von Wagners Konzept waren '[...] die 'Gleichschaltung' der Ärzteschaft, die Errichtung einer Kassenärztlichen Vereinigung Deutschlands, die Durchsetzung einer Reichsärzteordnung und die Einrichtung einer Reichsärztekammer.' Dem gegenüber stand die Medizinalabteilung des Reichsministerium des Inneren unter dem Ministerialdirektor Arthur Gütt. Dieser forderte im Gegensatz zum Reichsärzteführer Wagner die Errichtung eines zentralisierten, staatlichen Gesundheitswesens. Nach Gütts Ansicht war das 'Gesetz zur Vereinheitlichung des Gesundheitswesens' zu oberflächlich angesetzt, um seinen Plan der Verknüpfung von Gesundheitsfürsorge mit der 'Erb- und Rassenpflege' zu verwirklichen. Obwohl Arthur Gütt bereits im Mai 1933 zum Referenten des Reichsinnenministeriums ernannt wurde und sich dort mit Aufgaben der Neuorganisation des Gesundheitswesens, der Bevölkerungspolitik und auch der Rassenpflege beschäftigte, fand er kaum Zugang zur Elite der NSDAP, während Wagner als Hausarzt von Rudolf Heß - dem Stellvertreter des Führers - im Zentrum der Macht zu stehen schien. Dabei war doch gerade eine exponierte Stellung in der Partei von Vorteil um Einfluss auf die Entwicklung der deutschen Gesundheitspolitik zu nehmen. Innerhalb der Partei fehlten jedoch explizite Vorstellungen, wie das neue Gesundheitswesen auszusehen hatte. Während sich die Ärzteschaft unter Reichsärzteführer Wagner nun damit befasste, Juden und andere der NS-Ideologie nicht nutzbare Ärzte aus ihren Berufen zu verdrängen, arbeitete Gütt mit Dr. med. Ernst Rüdin und Dr. jur. Falk Ruttke am GzVeN. Mit seiner Mitarbeit an diesem Gesetzestext ebnete er den Weg zu einer 'staatsorientierten nationalsozialistischen Erb- und Rassenpflege' und konnte somit seine vorerst mindere Machtposition ausbauen. Dies hatte zur Folge, dass er an einem ersten Entwurf über die 'Vereinheitlichung der Gesundheitsverwaltung' mitwirken konnte, die auf die Zusammenfassung der unteren Verwaltungsbezirke bis hin zu den obersten Landesbehörden sowie der Zusammenfassung aller 'Einrichtungen des kommunalen Gesundheitswesens [...] in Gesundheitsämtern' hinaus lief. Allerdings wurde dieser im Jahre 1933 entworfene Vorschlag vom Reichsfinanzministerium und der Abteilung für Volksgesundheit der NSDAP aus Kostengründen abgelehnt. Wagners Vorschlag des parteilichen Gesundheitswesens erschien weitaus günstiger. Nach diesem Fehlschlag des Versuchs einer Verstaatlichung des Gesundheitswesens wurden Gütts Pläne für das 'Gesetz zur Gleichschaltung des Gesundheitswesens' jedoch von Hitlers Reichsreform, die die 'faktische Entmachtung der Länder' zur Folge hatte, unterstützt. Im März 1934 sollte dann eine eigene Medizinalabteilung im Reichsministerium des Inneren gegründet werden, die mit Arthur Gütt als Medizinaldirektor nun erstmals einen Arzt als Chef auf Reichsebene hatte. Im Laufe des Jahres 1934 versandte Gütt dann im Auftrag des Reichsministerium des Inneren immer neue Entwürfe des 'Gesetzes zur Gleichschaltung des Gesundheitswesens', die jedoch nie in ihrer ursprünglichen Form angenommen wurden. Die zentrale Problemstellung war hierbei immer die Abgrenzung zwischen den staatlichen und den kommunalen Verwaltungsebenen. Eine wichtige Rolle spielten in diesem Konflikt auch die Gesundheitsämter, die nun von der kommunalen in die staatliche Trägerschaft übergehen sollten. Als das 'Gesetz zur Gleichschaltung des Gesundheitswesens' nach seinem Erlass im Juli 1934 dann letztendlich am 01. Mai 1935 in Kraft trat, sollten die Gesundheitsämter in Großstädten nicht verstaatlicht werden, während alle anderen Gesundheitsämter nun der Leitung eines staatlichen Amtsarztes unterstellt werden sollten. Nur in Ausnahmefällen durfte ein kommunaler Amtsarzt ein Gesundheitsamt leiten. Für die Stadt Dessau hatte dies zur Folge, dass ihr ehemals kommunales Gesundheitsamt für den Landkreis Dessau-Köthen zu einem staatlichen Gesundheitsamt wurde. Es bestand in dieser Form von 1935 bis 1945. Insgesamt gab es im Jahre 1938 744 Gesundheitsämter, von denen 654 in staatlicher und nur 40 Stück in kommunaler Trägerschaft waren. Die flächendeckende Errichtung von Gesundheitsämtern und die daraus resultierende Vereinheitlichung des Gesundheitswesens sind als Grundvoraussetzung für die Umsetzung rassenhygienischer Maßnahmen zu betrachten. Die Rolle der Gesundheitsämter innerhalb der ideologisch geprägten Gesundheitspolitik des nationalsozialistischen Deutschlands ist demzufolge nicht zu unterschätzen. Diese vom Amtsarzt geleiteten Ämter dienten als 'Beratungsstelle für Erb- und Rassenpflege' und entschieden so in Fragen der Ehetauglichkeit, der Geburtenförderung, finanzieller Unterstützung sowie bei der Vergabe von Ehestandsdarlehen. Die wichtigste Aufgabe der Gesundheitsämter bestand jedoch darin, über die im Rahmen des GzVeN veranschlagten Zwangssterilisationen zu entscheiden. 1935 gab es bereits 200 'Erbgesundheitsgerichte', die 30 sogenannten 'Erbgesundheitsobergerichten' unterstellt waren. Auch die Gauhauptstadt Dessau beherbergte von 1934 bis 1943 ein Erbgesundheitsgericht, in dem über Anträge zur Zwangssterilisation entschieden wurde.
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