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Das Kanaltal

Zwei Flüsse, drei Kulturen, vier Sprachen

AutorHans Messner
VerlagStyria Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl176 Seiten
ISBN9783990403723
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Das Kanaltal überrascht seine Gäste mit einer reichen Vielfalt: Die Römer, die Bamberger, Napoleon, die Habsburger und die beiden Weltkriege haben ihre Spuren hinterlassen - vieles gibt es heute noch zu entdecken. Es beeindruckt aber auch durch landschaftliche Schönheiten wie die Julischen Gipfel oder das prachtvolle Panorama im Talschluss Saisera. Heute leben im Kanaltal drei Kulturkreise friedlich miteinander - und vier Sprachen begegnen sich, man spricht Italienisch, Furlanisch, Slowenisch und Deutsch, dazu den örtlichen Dialekt. Die moderne Gastronomie des Tales bietet zudem eine besondere kulinarische Vielfalt. Darüber hinaus locken Veranstaltungen wie das 'Alpenfest', das 'No Borders Music Festival' oder traditionelle Feste Besucher an. Und: Das sportliche Angebot ist bunt und reicht von Golf und Radfahren über Wandern, Bergsteigen und Skifahren bis hin zu Tourengehen und Langlaufen. Eine wahre Entdeckungsreise 'Agriturismo in Friaul', 'Reise in das Land des Prosecco', 'Slowenien - Genussland zwischen Alpen und Adria', 'Weinführer Friaul'.

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Leseprobe

Von den Römern bis in die Gegenwart


Seit Menschengedenken ist das Kanaltal ein Durchzugstal für Heere, Kaufleute, Suchende und Verfolgte. Belegbare Spuren gibt es aus der Zeit der Römer. Die Wasserscheide in Camporosso (805 Meter) westlich von Tarvis war auf dem Weg nach Norden, oder auch umgekehrt, der niedrigste Passübergang. Zu Zeiten der Römer gab es in Camporosso eine Zollstation des Noricum. Sie hieß Statio Bilachiniensis und lag an jener Straße, die Aquileia mit Virunum am heutigen Zollfeld bei Klagenfurt verband. Spuren der Römer wurden hier schon immer vermutet – und Raimondo Domenig, Historiker und ehemaliger Schuldirektor aus Malborghetto, ist auch von keltischen Spuren überzeugt.

Bei einem Kaffeeplausch in „Safnitz“, wie die Einheimischen sagen, sitzt mir ein Mann gegenüber, der berichten kann, dass sich in seinem Garten ein römischer Tempel versteckt. Er wurde einst bei Bauarbeiten gefunden, da aber der öffentlichen Hand das Geld zur Freilegung und Bergung der Fundstücke fehlte, wurde die Grube wieder zugeschüttet. So lebt der Mann heute noch mitsamt seiner Familie neben, oder besser über, einem römischen Tempel.

Nach der Römerzeit verlor die Straße durch das Kanaltal zusehends an Bedeutung. Wirtschaftliche Rückschläge brachten auch Abwanderung mit sich. Außerdem zogen kriegerische Horden gegen Süden, das Tal verwilderte. Zu erwähnen sind die Markomannen und die Langobarden. Aus dieser Zeit finden sich kaum Spuren.

In der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends zog ein slawisches Nomadenvolk, das aus der Gegend zwischen Elbe und Oder kam, hierher. Das waren die Wenden, ein Hirtenvolk, das sich in den Alpen gleich in mehreren Gebieten ansiedelte. Im Kanaltal bevorzugten sie die heutigen Dörfer Camporosso und Ugovizza, weil dort Weideflächen zur Verfügung standen und Ackerbau möglich war. Zwischen Drau, Save und Mur gründeten die Wenden eine Grafschaft namens Goratania. Doch sie mussten sich später den Bayern bzw. den Franken unterwerfen.

Zu Beginn des 11. Jahrhunderts (1006  1007) gründete Kaiser Heinrich II. der Heilige mit Genehmigung der Bischofsprinzen des Kaiserreiches ein Machtkapitel und übergab dies dem Bischof von Bamberg. Die kirchliche Gerichtsbarkeit jedoch verblieb bis an die Ufer der Drau beim Patriarchat von Aquileia. Diese Epoche wird von italienischen Historikern Bamberger-Aquileiese genannt. Sie endete erst im Jahr 1759, als das gesamte Tal den Habsburgern übergeben wurde. Maria Theresia war zu der Zeit Kaiserin. Noch heute halten Orte wie etwa Malborghetto Kontakt mit der bayrischen Stadt Bamberg. Die Grenze zwischen den Bambergern und der Republik Venedig bildete schon zu jener Zeit die Brücke über den Bach Pontebbana in Pontebba/​Pontafel. Im damals slawisch besiedelten Žabnice/​Saifnitz/​Camporosso wurde im Jahr 1106 die Kirche Sant’Egidio errichtet. Sie gilt als Kanaltaler Ur-Kirche und ihr unterstehen sowohl Tarvis wie auch das Santuario auf dem Monte Lussari. Erste historische Dokumente aus dem 12. Jahrhundert belegen die Gründung von Malborgeth und die Einweihung der Kirche Bomborghetto.

Auf das Jahr 1260 geht laut Urkunde die Gründung von Uggowitz zurück.

Ein offizielles Dokument von Kaiser Friedrich dem Schönen erlaubt einer Tarviser Bergmannsgenossenschaft ab 1327 den Abbau von Mineralen in den Bergen um Tarvis.

Im Jahr 1360 wurde auf dem Luschariberg die erste Wallfahrtskirche errichtet.

Sprachliche Vielfalt ist im Tal seit jeher allgegenwärtig. So erteilte Albert, der Bischof von Bamberg, 1399 den Gläubigen von Tarvis die Erlaubnis, eine Kapelle zu errichten, weil in Žabnice (Saifnitz) die Messe auf Slowenisch gehalten wurde. Ein Großteil der Saifnitzer Bevölkerung sprach damals nämlich Slowenisch.

Im selben Jahr bauten die Cividaleser wegen des Bergbaues und des Handels die Straße von Karfreit (Kobarid/​SLO) über den Predil nach Raibl und Tarvis auf römischen Resten aus. Der Bergbau wurde in der Folge verstärkt. In Fužine/​Weißenfels erhielt Bartolomeo Consuran 1404 von Friedrich Graf von Ortenburg die Genehmigung für den Bau einer Schmiede. Das Gebiet fiel später aber in den Besitz der Grafen von Cilli. Diese errichteten auf dem Berg, den man heute Castello nennt, die Burg Weißenfels. Weil das Geschlecht der Cilli jedoch ausstarb, ging ihr Besitz auf die Habsburger über, die hier bis 1636 Verwalter einsetzten.

Nordfassade des Palazzo Veneziano in Malborghetto

Natürlich wurde auch das Kanaltal nicht von Türkeneinfällen verschont. Das Gebiet um Tarvis suchten die Türken in den Jahren 1478 und 1492 heim, plünderten die Häuser und töteten viele Bewohner.

Am Anfang des 16. Jahrhunderts siedelten sich venezianische Familien im Kanaltal an. So auch in Malborgeth. Dort errichtete die Holzhändler-Familie Canal den Palazzo Veneziano, der heute das Ethnografische Museum beherbergt, als kultureller Treffpunkt genützt wird und als Präsentationsort der Veranstaltung „Ein Prosit in Tarvis“ jeden Oktober Heerscharen von Wein- und Kulinarikfreunden anlockt.

Ab 1550 kam der Bergbau von Raibl in den Besitz der Familie von Rechbach. Die Zeit der Bamberger Herrschaft endete 1759. Damit fiel das Kanaltal an die Habsburger.

In den Jahren von 1797 bis 1809 gab es zwischen den Habsburgern und den napoleonischen Truppen hier im Tal mehrmals kriegerische Auseinandersetzungen. Ein markantes Ereignis ist die Eroberung der Festung bei Malborgeth 1809 (siehe Malborghetto: Auf Napoleons Spuren, Seite 132).

Mit dem Bau der Nationalstraße im Jahr 1851 im Raum Tarvis wurde die alte römische Trasse ersetzt. Die Eisenbahnlinie Laibach – Tarvis stellte man 1872 fertig und die Linie Villach – Tarvis 1877. Nach Udine konnte man ab 1879 mit der Eisenbahn fahren.

Heilwasser-Häuschen in Bagni di Lusnizza

Der Bach Pontebbana in Pontafel/​Pontebba wurde 1866 zum Grenzfluss zwischen dem Königreich Italien und dem Kaiserreich Österreich-Ungarn.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Bad Lussnitz (Bagni di Lusnizza/​Lužice) mit seiner Schwefelquelle zum Kur-Badeort.

Überschwemmungen suchten Uggowitz im Jahr 1903 heim. Im Ersten Weltkrieg folgte, wie in anderen Orten auch, der Beschuss durch die italienische Armee.

Erster Weltkrieg („Grande Guerra“) zwischen Nassfeld und Sella Nevea


Der Mai 1915 war kein Wonnemonat, sondern ein schicksalhafter Monat mit weitreichenden Folgen. Das Königreich Italien kündigte am 4. Mai den Dreibundvertrag, der zwischen Italien, Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reich bestand, auf. Am 23. Mai wurde die italienische Kriegserklärung an Österreich-Ungarn in Rom an Botschafter Baron Machio übergeben und gleichzeitig in Wien durch den Herzog von Avarna an Minister Burian. Damit war Italien, der ehemalige Verbündete – so die Definition in Wien –, nicht ganz unerwartet der Habsburg-Monarchie in den Rücken gefallen. Tatsache ist, dass es ohne diese Kriegserklärung nie zum Gebirgskrieg zwischen Brenta, Dolomiten, Karnischen Alpen, Julischen Alpen und Isonzo gekommen wäre. Doch Italien stellte schon im Vorfeld Ansprüche auf Triest und das Trentino.

Italiens Generalstabchef Luigi Cadorna hatte bereits 1914 drei Varianten von Angriffsplänen ausgearbeitet. Eine Variante wäre der Vorstoß über Tirol gewesen, die zweite sollte über den Karst nach Laibach und Wien führen, und die dritte über das Fellatal nach Kärnten. So beschreibt es Manfried Rauchensteiner in seinem Buch „Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie“.

Doch bleiben wir im Großraum Tarvis. Mit Variante drei stand auch das österreichische Kanaltal im Brennpunkt. An der Kärntner Front entlang der Karnischen Alpen, des Kanaltales und der Julischen Alpen fehlten allerdings Soldaten. Die wehrfähigen Männer waren anderswo im Kriegseinsatz. Freiwillige meldeten sich also in Kärnten zu den Waffen: sehr junge Männer und solche, die eigentlich nicht mehr wehrfähig waren, zogen gegen Italien in den Krieg. Es waren dies die „Kärntner Freiwilligen Schützen“.

Und Österreich-Ungarn musste auch einen strategischen Nachteil zur Kenntnis nehmen. In den vorangegangenen Jahren wollte man den Verbündeten Italien nicht durch Festungs- und Stellungsbauten in den Julischen Alpen provozieren und ging daher schlecht vorbereitet in den Krieg in dieser Gebirgsregion. Deshalb besetzte die italienische Armee nach der Kriegserklärung ziemlich rasch strategisch wichtige Punkte auf den Gipfeln der Julier und südlich des Kanaltales. Das Tal selbst stellte die Verbindung zwischen Karnischer und Julischer Front dar. Denn vom Hauptkamm der Karnischen Alpen zog sich die Front herunter nach Pontebba/​Pontafel, wo der Pontebbana-Bach die Grenze und Frontlinie zog. Hier standen sich die Feinde praktisch von Ufer zu Ufer gegenüber.

Von Pontafel zog sich der Frontverlauf weiter bis nach Malborgeth. Die nördliche Talhälfte war in österreichischer, die südliche in italienischer Hand und alle Ortschaften evakuiert. Vom Talboden zog sich die Front hinauf zum Gipfel des Mittagskofels, hinunter zum Somdogna-Sattel (1389 Meter) und von dort weiter nach Sella Nevea (1142 Meter). Die Österreicher hielten den Wischberg und die Italiener den Montasch.

Umkämpfte Punkte waren unter anderem der Somdogna-Sattel. Er trennte die Österreicher in der Saisera, dem...

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