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Das Konzentrationslager Theresienstadt in der Propaganda

Der Besuch einer Delegation des Internationalen Roten Kreuzes

AutorMarc Oprach
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl109 Seiten
ISBN9783638023900
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Magisterarbeit aus dem Jahr 2000 im Fachbereich Geschichte Europa - Deutschland - Nationalsozialismus, II. Weltkrieg, Note: 1,3, , 104 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Als das Theresienstädter Lager am 7. Mai 1945 durch die Rote Armee befreit wurde, lebten vom Zeitpunkt der Errichtung im November 1941 insgesamt ca. 155.000 Juden im Lager, wobei diese Zahl angesichts der Gesamtzahl der von den Vernichtungsplänen betroffenenen Juden als überaus gering bezeichnet werden muß. Anders als die Vernichtungslager Auschwitz, Majdanek, Treblinka und all die anderen Stätten des Massenmordes, war Theresienstadt geplant als ein 'Schaufenster, das der Welt zeigen sollte, daß die Gerüchte über den Massenmord' unwahr seien. Das Ziel dieser Magisterarbeit ist die Analyse der Funktion, die das Konzentrationslager Theresienstadt in der 'Endlösung der Judenfrage' übernahm. Hierbei konzentriert sich die Darstellung auf die Frage, ob Theresienstadt als Propagandaghetto geplant war und mit dem Lager das Ziel verfolgt wurde, vor allem das Ausland über das wahre Ausmaß der Judenvernichtung zu täuschen. In diesem Zusammenhang wird geprüft, ob der Besuch einer Delegation des Roten Kreuzes ein Höhepunkt der nationalsozialistischen Verschleierungstaktik war und ob es der SS gelang, die Besucher zu täuschen und dieses Manöver in der nationalsozialistischen Propaganda als Alibi für die Harmlosigkeit der Judenpolitik zu nutzen.

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Leseprobe

5. Die Rolle Theresienstadts in der Judenvernichtung


 

Miroslav Kárný weist in einer Darstellung darauf hin, daß das Lager Theresienstadt drei verschiedene Funktionen in der nationalsozialistischen Judenpolitik übernahm. Theresienstadt nahm einerseits für die Protektoratsjuden die Funktion als 'Durchgangs- und Sammellager' ein mit der Zielsetzung einer 'Lösung der Judenfrage' im Protektorat. Nach der Wannseekonferenz wurde Theresienstadt des weiteren zum Lager für alte Juden sowie jüdische Veteranen und prominente Juden konzepiert und übernahm dadurch in der nationalsozialistischen Judenpolitik auch die Funktion eines 'Sterbelagers'. Die Überfüllung des Lagers und der damit verbundenen Gefahr des Ausbruchs von Seuchen und Epidemien  wurde von der Lagerleitung dabei bewußt in Kauf genommen, um den frühzeitigen Tod der Lagerinsassen und deren schnelle Dezemierung zu erreichen. Zuletzt wurde eine propagandistische Zielsetzung verfolgt, indem das Lager als ein 'Vorzeigeghetto' konzipiert wurde.[87]

 

5a. Theresienstadt als Durchgangslager


 

Für die jüdische Bevölkerung des Protektorats wurde Theresienstadt als Sammel- und Durchgangslager errichtet. Das Theresienstädter Ghetto bildete für die Protektoratsjuden ein Glied in einer Kette, das zu den Gaskammern der Vernichtungslager führte.[88]

 

Ein Bericht der 'Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Prag'[89] vom 2.Oktober 1941 gibt Aufschluß "über die Entwicklung und die Lage der Juden im Protektorat Böhmen und Mähren". Hierin heißt es, daß seit der "Eingliederung des Gebietes" sich eine Entwicklung vollziehe, "die durch die völlige Ausschaltung der Juden aus dem öffentlichen, wirtschaftlich- und gesellschaftlichen Leben gekennzeichnet ist".[90]

 

Die "Lösung der Judenfrage im Protektorat" wurde während einer Besprechung am 10. Oktober 1941 thematisiert, an der neben Heydrich und Eichmann weitere hochrangige SS-Offiziere teilnahmen. Anlaß dieser Besprechung war, daß der "Presse des Protektorats" eine klare Richtlinie für die zukünftige Vorgehensweise vorgestellt werden sollte.

 

In dem Bericht wurde die Anzahl der im 'Protektorat' lebenden Juden auf "etwa 88. 000" geschätzt, wovon allein in Prag etwa 48.000 Juden ansässig waren. Es war deshalb vorgesehen, mit der "Evakuierung" am 15. Oktober in Prag zu beginnen.[91] In der Besprechung wurde deshalb "die Möglichkeit der Ghettoisierung im Protektorat" diskutiert. Hierbei wurde darauf hingewiesen, daß "nur ein etwas abgelegener Vorort (...) oder ein kleines Dorf oder eine kleine Stadt" als Standort in Frage kommen könnte.[92] Bereits während einer Besprechung am 10. Oktober 1941 wurde auf Theresienstadt[93] als möglicher Standort hingewiesen. Das Lager war hierbei nicht als dauerhafter Ort für Juden geplant, sondern vielmehr als Sammellager.[94]

 

In einem Bericht vom 11. Oktober 1941 unterrichtete Heydrich Hitler von der Planung eines Ghettos im Protektorat. Dieses Ghetto habe die Funktion eines "Auswanderungslagers", bis die Juden endgültig "nach dem Osten evakuiert" würden.[95]

 

Der Ablauf der geplanten Judenvernichtung in bezug auf Theresienstadt läßt sich in drei Phasen aufteilen: Zuerst sollte die tschechische Bevölkerung aus Theresienstadt ausgesiedelt werden,[96] danach, nachdem die Protektoratsjuden im Lager zusammengefaßt worden waren, sollten sie etappenweise in die Vernichtungslager deportiert werden, um im dritten Schritt Theresienstadt zu einer 'deutschen Mustersiedlung' auszubauen.[97]

 

Ein Bericht vom 10. Oktober 1941 wies darauf hin, daß die "finanziellen Mittel für den Ankauf des gesamten Geländes (...) gut angelegt" seien.[98] Die zeitliche Begrenzung der Funktion Theresienstadts als Judenlager wird in dem Bericht Heydrichs an Hitler bestätigt.[99]

 

Am 19. November 1941 ordnete SS-Obersturmführer Dr. Siegfried Seidl, der erste Kommandant des Lagers, für den 24.November die Bereitstellung eines Aufbaukommandos von 342 Mann aus Prag an.[100] Als das Aufbaukommando in Theresienstadt eintraf, waren jedoch keine Vorbereitungen für den Aufbau des Lagers getroffen worden. Die SS überließ es dem Fleiß, der Erfindungsgabe und dem Improvisationsvermögen der Insassen, diese Probleme zu bewältigen.[101] Beim Eintreffen der ersten Transporte waren die Arbeiten jedoch noch nicht abgeschlossen. Die ersten KZ-Insassen fanden "nackte Fußböden in unzureichenden Räumen" vor.[102]

 

Die Protektoratsjuden wurden sukzessive, nachdem sie in Theresienstadt zusammengefaßt worden waren, in die Vernichtungslager deportiert. Für sie wurde Theresienstadt zu einem Transitlager in den Tod.[103] Während sich die Geschichtsschreibung hauptsächlich auf die "Mythologie" des Theresienstädter Lagers konzentriert, darf die Bedeutung des Lagers als Durchgangslager in die Vernichtung nicht in den Hintergrund rücken.[104]

 

5b. Theresienstadt als 'Sterbelager'


 

In einem Brief vom 31. Juli 1941 übertrug Göring Heydrich die Aufgabe, "alle erforderlichen Vorbereitungen (...) für eine Gesamtlösung der Judenfrage im deutschen Einflußgebiet in Europa" zu treffen.[105] Heydrich berief für den 20. Januar 1942 eine Besprechung für die 'Endlösung der Judenfrage' in eine Villa am Wannsee ein, an der 16 Vertreter verschiedener Behörden teilnahmen.[106]

 

Im Verlauf der sog. Wannseekonferenz vom 20.Januar 1942 gab Heydrich bekannt, daß alle Reichsjuden über 65 Jahren in ein Altersghetto zu bringen seien, um sie dort eines natürlichen Todes sterben zu lassen.[107] In dem Protokoll zur 'Wannseekonferenz' heißt es in bezug auf Theresienstadt, daß beabsichtigt werde, "Juden im Alter von über 65 Jahren nicht zu evakuieren, sondern sie einem Altersghetto - vorgesehen ist Theresienstadt - zu überstellen."[108] Als weitere Personengruppe sollten in diesem Lager die "schwerkriegsbeschädigten Juden und Juden mit Kriegsauszeichnung (EK I)" Aufnahme finden.[109] Als zahlenmäßig kleine Gruppe waren prominente Juden für einen Transport nach Theresienstadt vorgesehen.[110]

 

Einzelfallprüfungen sollten zudem den Juden zuteil werden, die in 'Mischehe' lebten. Mit Rücksicht auf einflußreiche arische Verwandte wurden auch sie nach Theresienstadt deportiert.[111]

 

Insgesamt war geplant, vier Personengruppen nach Theresienstadt bringen zu lassen: alte Juden sowie jüdische Veteranen, prominente Juden und jüdische Ehepartner, die in einer 'Mischehe' mit einem Arier lebten.[112]

 

Eichmann betonte später die Funktion Theresienstadts als das Lager, das den Juden "zum ständigen Aufenthalt" dienen sollte.[113] Entscheidend ist demnach, daß die Wannseekonferenz eine grundlegende Umorientierung der Funktion Theresienstadts zur Folge hatte. Theresienstadt war nicht mehr als Sammel- und Durchgangslager geplant, um später nach den Transporten der Insassen in die Vernichtungslager zur 'deutschen Mustersiedlung' zu werden, sondern war nun für die genannten Personengruppen zum dauerhaften Aufenthalt vorgesehen.

 

Bei den Gründen, die Heydrich bewogen, ein Ghetto für alte Juden zu errichten, war einkalkuliert, daß diese aufgrund ihres hohen Alters sowieso keine lange Überlebensdauer hatten.[114]

 

Das Kalkül auf das hohe Lebensalter und den damit verbundenen baldigen Tod zu spekulieren, war jedoch lediglich eines von mehreren Argumenten Heydrichs, welches für die Errichtung eines Lagers für alte Juden sprach. Anhand des Protokolls werden die entscheidenen Gründe für die Errichtung Theresienstadts deutlich.

 

Heydrich gab an, daß er Interventionen vermeiden wollte.[115] Dies war nicht nur auf das Ausland in bezug auf die prominenten Juden zu verstehen, sondern erstreckte sich auch auf die deutsche Reichsbevölkerung.[116] Diese könnte für alte Juden Partei ergreifen, da diese Juden aufgrund ihres Alters nicht zur "Standardbegründung" der Deportationen paßten, denn diese Juden waren offensichtlich keine "Gefahr für das Reich" und konnten auch nicht "nach dem Osten evakuiert" werden, um dort Schwerstarbeit, wie z.B. beim Straßenbau, zu verrichten.[117]

 

Die Veteranen hatten neben dem Argument, für Deutschland gekämpft zu haben, vor allem die Institution Wehrmacht als Fürsprecher ihrer Interessen.[118] Noch im Oktober 1941 hatte Heydrich erklärt, es solle "keine Rücksicht auf Juden mit Kriegsauszeichnungen genommen werden, sondern sie sollten "im Gegenteil im entsprechenden Prozentsatz mit evakuiert...

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