1 Bevor ich aufhörte, den Bauch einzuziehen
Keine Angst, ich werde jetzt nicht ausschweifend über meine Vergangenheit berichten, sondern nur bewusst einen Teil meiner Geschichte mit dir teilen, um dir Mut zu machen, an deinem Selbstbild und Selbstwertgefühl zu arbeiten. Meine Lebensfreude und mein Selbstbewusstsein habe ich mir hart erarbeiten müssen und ja, es kommen auch Rückschläge. Da spült man sich mit Tränen den einen oder anderen Frust von der Seele. Aber glaube mir, es lohnt sich: Ich meine die Arbeit an dir selbst – dich selbst zu lieben. Es ist der einzige Weg zu einem authentischen Ich. Du hast die Wahl und kannst dich entscheiden, ob du dich als Opfer der Geschehnisse siehst oder ob du erwachst, aktiv wirst und dich somit bewusst entscheidest, Schöpfer deines Lebens zu werden. Diese Entscheidung ist im Übrigen unabhängig von deiner Kleidergröße, deinem Gewicht, deiner sexuellen Orientierung, deinem Besitz, deiner Stellung in der Gesellschaft usw. – egal was ist, wir sind und bleiben immer Choreographen unseres Daseins. Es gibt stets die Möglichkeit, ein anderes Tempo oder eine andere Perspektive zu wählen. Aus welchem Blickwinkel du aufs Leben schaust und welche großen Gedanken du dir zutraust, das beeinflusst am Ende auch, wie zufrieden und glücklich du bist. Wir entscheiden selbst, welche Werte wir unserem Leben zugrunde legen und ob wir Teil eines Problems sein wollen oder Teil einer Lösung. Das Leben zu bejahen, einen Draht zu seinem Urvertrauen zu haben und mutig zu sein, das sind Grundvoraussetzungen, um seine eigene Wahrheit herauszufinden und zu leben.
Ich weiß, dass wir alle beigebracht oder sogar anerzogen bekommen haben, dass »die Welt« (= das Leben) so sei, wie sie sei, und wir das, was wir dort vorfinden, am besten so hinnehmen und keinen großen Ärger deswegen machen sollen. Großen Hindernissen gehe man besser aus dem Weg, so sagt man. Doch was wäre das Leben ohne leidvolle Erfahrungen, durch die man wächst; was ohne Herausforderungen, die man bewältigt; was ohne die großen Mauern, die man einreißt, um sich zu befreien? Es lohnt sich, über den Tellerrand hinauszuschauen, wo unbegrenzte Möglichkeiten auf dich warten, die du nur wahrnehmen musst. Du musst endlich den von Angst durchfluteten Gedanken loslassen, dass du das Leben einfach nur so hinnehmen müsstest, und es stattdessen mit offenem Herzen umarmen.
Menschen, die die Welt oder ihr Leben verändern wollen, werden sehr oft belächelt, nicht ernst genommen oder für ein wenig verrückt gehalten. Sie fallen auf. Weshalb? Ganz einfach: weil sich in dem, was sie tun, eine leidenschaftliche Energie zeigt, die magisch ist und ganz ihnen selbst entspricht. Sie ist die Antwort auf die Frage, wieso du morgens aufstehen sollst. Auch dein »Warum« wartet bereits darauf, von dir gefunden zu werden.
Meine Worte sind mehr als esoterisches Gelulle, denn ich weiß, wovon ich spreche. Auf meiner noch relativ kurzen »Abenteuerreise« – ich bin 28 – ist zu Beginn einiges schiefgelaufen, dennoch liebe ich das Leben, vielleicht aufgrund dieser Erfahrung erst recht. Durch sie konnte ich lernen:
An seinem Ärger festzuhalten, fühlt sich an, als nähme man ein gegrilltes Marshmallow in die Hand, um es nach jemanden zu werfen. Es ist nicht nur eine große Schweinerei, sondern du bist wahrscheinlich auch die Einzige, die sich dabei verbrennt.
Ich weiß schon, du möchtest nun in die tiefen Abgründe meiner Kindheit blicken. Dennoch will ich keine lange Leidensstory daraus machen, du sollst nur einfach wissen, von wo aus ich gestartet bin, bevor es so richtig losging mit meiner Abenteuerreise, der Suche nach mir selbst und einem Leben mit einem positiveren Fokus und größeren Selbstbewusstsein: Es fing damit an, dass meine Mamko (meine Mutter ist Tschechin) meinen Vater vor meiner Einschulung sitzen ließ. Das Leben für sie war danach ziemlich hart, so ganz allein und mit wenig Geld für uns zwei. Sie war ständig arbeiten, hatte wenig Zeit, dennoch irgendeinen Typen. Familie? Kannte ich nur aus irgendwelchen Büchern. Die Schule machte mich zusätzlich fertig. Diese Scheißnoten waren stets eine Bedrohung und offenbarten ein Bewertungssystem, das für die Entwicklung meines Selbstbewusstseins nicht gerade förderlich war. Das Geld reichte hinten und vorne nicht, und ich jobbte bereits als 11-Jährige, um mir meine eigenen Scheine zu verdienen. Stress war zu Hause an der Tagesordnung, es war also ständig trouble angesagt. Geborgenheit, Sicherheit und Liebe fehlten längst. Zuletzt war alles so schlimm, dass ich meinem Zuhause den Rücken kehrte, die Tür hinter mir zuschlug und nie wiederkam.
Es muss schon ziemlich viel schieflaufen, wenn man mit 15 Jahren ein Heim (Außenwohngruppe) dem eigenen Zuhause vorzieht. Ich denke, einer der Hauptgründe, die mich zum Auszug bewogen haben, war die Hilflosigkeit meiner Mutter. Sie wusste nicht, wie sie mit mir umgehen sollte, nachdem herausgekommen war, dass Bekannte unserer Familie mich sexuell belästigt hatten. Ich fühlte mich tief in meiner Würde verletzt und mit diesem Schmerz größtenteils alleingelassen. Zu Hause war kein Ort, wo ich Unterstützung finden konnte, also sorgte ich für mich und suchte mir einen neuen Lebensort, wo es mir besser gehen konnte. Ich habe mich bewusst dafür entschieden, davon hier zu erzählen, um deutlich zu machen, dass man immer die Wahl hat, etwas für sich und sein Leben zu verändern.
Tief in uns haben wir alle nicht nur das Bedürfnis, dass es uns gut geht, sondern auch das Wissen, wie wir dahin kommen können. Wir müssen nur lernen, uns wieder zuzuhören und uns zu vertrauen. Alles ist bereits in uns.
Nun zurück zur Außenwohngruppe, in die ich zog: Sie war dann doch ziemlich anders, als ich sie mir vorgestellt hatte, und tatsächlich alles andere als gemütlich. Aber wen wundert es, bei so viel Kummer auf so wenigen Quadratmetern. Wir waren acht Mädels und ein paar Betreuerinnen, und es gab nur einen einzigen Fernseher mit drei Kanälen. Doch gleich welchen Schmerz jede von uns hatte, saßen wir passend zu Beginn von »Sturm der Liebe« im Gemeinschaftsraum und ließen uns von diesem Blockbuster fesseln. Für alle, die die TV-Serie nicht kennen: Du hast echt nichts verpasst, denn »spannend« ist etwas anderes. Damals fand ich es richtig ätzend, dass es nicht mehr Kanäle zur Auswahl gab und wir dazu nur einen Gruppen-PC besaßen. Heute erkenne ich jedoch den großen Vorteil, der sich daraus ergab: Keine Ablenkungen zu besitzen, bedeutet auch viel Zeit zu haben, nach seinen tiefsten Sehnsüchten zu fragen und über den Sinn des Lebens nachzudenken.
Das Tanzen war unter anderem eine Antwort und wurde in meinem Leben ein immer größeres Thema. Mit 13 bekam ich bereits die Chance, in einem Jugendhaus einige Kids zu unterrichten. Die Teilnehmerzahl in meinen Kursen wuchs in kürzester Zeit an und schon bald stand fest, dass ich meine Berufung darin gefunden hatte. Zwar war die Ausbildung zur Tanzpädagogin nicht leicht und die anschließende Selbstständigkeit alles andere als ein gediegener Spaziergang, doch damit konnte ich mir den größten Schmerz, der sich seit meiner Kindheit in mir angestaut hatte, vom Leibe tanzen. Und für alles, was sich nicht so einfach wegtanzen ließ, hatte ich Silke Reichenbach, meine Heilpraktikerin, einen der liebsten und spirituellsten Menschen in meinem jetzigen Leben. Als ich damals zu ihr kam und mir meinen restlichen Kummer vom Leibe quatschen wollte, sagte sie zu mir: »Du hast das Leben bekommen, das du brauchst, um der Mensch zu werden, der du werden wolltest.« Das war für mich erst einmal ziemlich starker Tobak. Doch äußerst schnell brachte sie mich dazu, zu verstehen: Wenn ich meinen Gefühlen erlaube, da zu sein, mich mit ihnen annehme und begreife, dass mir nichts fehlt, ich sogar alles für meinen Weg zu mehr Selbstliebe in mir habe, dann steht mir die ganze Welt offen.
Als Tanzpädagogin hatte ich übrigens in meinen letzten zehn Berufsjahren große Freude daran, gemeinsam mit vielen unterschiedlichen Menschen meinen booty um die Wette zu shaken. Keine einzige Frau glich einer anderen. So viel Einzigartigkeit ist für mich immer noch ein abgefahrenes Wunder. Und dennoch habe ich bis heute das Gefühl, als wollten sie nur alle eins: so aussehen wie Models oder Promis aus Film, Fernsehen und Magazinen! Damit verleugnen die meisten nicht nur die allgemeine Vielfalt (besonders die weibliche), sondern übersehen auch ihre eigene Schönheit.
In der Gesellschaft verbreiten sich über die Medien epidemisch unerreichbare Schönheitsideale, die verursachen, dass unheimlich viele junge Mädchen und Frauen ein negatives und ungesundes Körperbild von sich selbst besitzen. Deshalb wollte ich damals unbedingt etwas erschaffen, das über den Tanzsaal hinausging. Also kreierte ich 2016 einen speziellen Frauen-Workshop, der nicht nur Spaß an Bewegung vermittelte, sondern auch der Seele und dem Geist Raum für Entwicklung bieten sollte. Durch Tanz, Vorträge und verschiedenste Meditationsformen wollte ich Frauen wieder daran erinnern, wie einzigartig sie sind. Heute sind unsere bekannten Love-Your-Belly-Workshops nicht nur voll ausgebucht, sondern Kim und ich touren damit mittlerweile auch durch Deutschland. Zudem soll es demnächst ein großes Love-Your-Belly-Event geben. Die bereits damals überwältigende Resonanz motivierte mich dermaßen, dass ich einen Sommer später mein eigenes Mode- und Lifestyle-Label »Bauchfrauen« gründete. Ich wollte das Verlangen nach Vielfalt neu erwecken. Bereits nach nur vier Monaten hatte ich mit meiner ersten »Du bist schön«-Kollektion hunderte T-Shirts in...