2.1.2 Der Grundsatzbeschluss des Großen Senats vom 25.06.1984
dungen der Finanzgerichte und in über 210 Beiträgen in Fachzeitschriften, u. Ä. zitiert, was seine Bedeutung für die weitere Rechtsprechung der FG und des BFH belegt. 21
Mit diesem Beschluss antwortete der Große Senat auf einen Vorlagebeschluss des IV. Senats des BFH, der über die Rechtmäßigkeit von negativen Gewinnfeststellungen der Jahre 1969 bis 1971 für eine GmbH & Co. KG zu entscheiden hatte. Das Unternehmen war 1969 auf Veranlassung einer New Yorker Reederei gegründet worden und hatte als Unternehmensgegenstand den Bau und Betrieb eines
Container-Schiffes (sog. „Bremer Modell“). Zugleich diente der o. g. Beschluss als Antwort auf einen Vorlagebeschluss des I. Senats vom 17.02.1982. 22 Der Große Senat äußerte sich in diesem Grundsatzbeschluss überwiegend zur Gewinnerzielungsabsicht, die für die einkommensteuerlich relevanten Tätigkeiten im Sinne des § 2 Abs. 1 Nrn. 1-3 EStG (Gewinneinkunftsarten) von Relevanz ist. Der Begriff „Liebhaberei“ wurde allerdings nicht explizit verwendet. Aus der Urteilsbegründung ergibt sich jedoch, dass das Vorliegen oder Fehlen der Einkünfteerzielungsabsicht nicht nur für die betrieblichen Einkünfte von Relevanz ist, sondern auch die einkommensteuerlich relevanten Tätigkeiten im Sinne § 2 Abs. 1 Nrn. 4-7 EStG (Überschusseinkunftsarten) betroffen sind. 23 Der Große Senat legte in seinem Beschluss fest, dass für das Vorliegen einer Einkunftsart gemäß § 2 Abs. 1 Nrn. 1-7 EStG eine Einkünfteerzielungsabsicht 24 vorausgesetzt werden müsse. Die Argumentation des Großen Sentas lautete wie folgt: „Bei der Ermittlung des Einkommens für die Einkommensteuer sind nur solche positiven oder negativen Einkünfte anzusetzen, die unter die Einkünfte des § 2 Abs. 1 Nrn. 1-7 EStG [sic] 25 fallen. Kennzeichnend für diese Einkunftsarten ist, daß [sic] die ihnen zugrunde [sic] liegenden Tätigkeiten oder Vermögensnutzungen auf eine größere Zahl von Jahren gesehen der Erzielung positiver Einkünfte oder Überschüsse dienen. Fehlt es an dieser Voraussetzung, so fallen die wirtschaftlichen Ergebnisse auch dann nicht unter eine Einkunftsart, wenn sie sich ihrer Art nach unter § 2 Abs. 1 EStG [sic] einordnen ließen.“ 26 Daraus folgt, dass jede unter den objektiven Tatbestand einer Einkunftsart fallende Tätigkeit, die ohne Einkünfteerzielungsabsicht ausgeführt wird, als Liebhabereibetätigung zu definieren ist. Zudem wird das Merkmal einer generellen Einkünfteerzielungsabsicht gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG abgeleitet, das als immanentes Merkmal aller Einkunftsarten zu verstehen ist. 27
Der Große Senat begründete diese Entscheidung mit dem Zweck des EStG, der in der Beschaffung von Mittel für die öffentliche Hand liege. Dabei sei der Steuerpflichtigen entsprechend seiner Leistungsfähigkeit heranzuziehen. Um diesen Zweck zu erreichen, könnten bzw. sollten auf die Dauer gesehen nur positive Ein-
künfte für die Besteuerung erfasst werden. 28 Dementsprechend sind neben Verlusten und Gewinnen/Einnahmen, die durch eine Tätigkeit erwirtschaftet werden, die zu keiner der sieben Einkunftsarten zugeordnet werden können (Lotteriegewinne; Preise, die jemand für sein Lebenswerk erhält, ...) 29 , auch Verluste und Gewinne/Einnahmen, die ohne Einkünfteerzielungsabsicht erwirtschaftet wurden (Liebhaberei) nicht steuerbar. 30 Der Verlustbegriff ist nur unzulänglich in die Terminologie des EStG integriert, aus diesem Grund soll im Rahmen der Bearbeitung Verluste als negative Einkünfte verstanden werden, bei denen Überschüsse der Erwerbsaufwendungen über die Erwerbsbezüge vorliegen. 31
Der Große Senat stellte klar, dass die Einkünfteerzielungsabsicht eine innere Tatsache sei, die nur anhand äußerlicher Merkmale beurteilt werden könne. Aus diesem Grund müsse aus „objektiven Umständen“ auf das Vorliegen oder Fehlen der Absicht geschlossen werden, wobei einzelne Umstände einen „Anscheinsbeweis (prima-facie-Beweis)“ liefern könnten, der vom Steuerpflichtigen entkräftet werden könne. 32
Der Große Senat führte in seinem Beschluss vom 25.06.1984 je ein Beweisanzeichen für und gegen das vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht an, die er als Merkmal des gewerblichen Unternehmens i. S. des § 15 Nr. 1 Satz 1 EStG als Streben nach Betriebsvermögensmehrung in Gestalt eines Totalgewinns 33 verstanden hat. In diesem Sinne sei der Gewinn im Begriff Gewinnabsicht als Kennzeichen eines gewerblichen Unternehmens als Totalgewinn aufzufassen, was sich aus der Funktion des Merkmals ergäbe. Zur Charakterisierung der in § 2 Abs. 1 Nrn. 1-3 EStG aufgeführten Gewinneinkünfte sei es erforderlich, auf den Totalgewinn abzustellen, weil nur so eine Abgrenzung von Tätigkeiten innerhalb und außerhalb einer der im EStG bezeichneten Einkunftsarten möglich sei. 34 Der Totalgewinn ist gemäß diesem Beschluss „als Gesamtergebnis des Betriebes von der Gründung bis zur Veräußerung oder Aufgabe oder Liquidation (§ 16 Abs. 2, 3
i.V.m. § 4 Abs. 1, § 5 EStG)“ 35 zu verstehen. Hierin besteht ein weiterer wesentlicher Unterschied zu der früheren Rechtsprechung, da diese nur den nachhaltigen, wenn auch nur bescheidenen, Gewinn nach Abschluss der Anlaufphase für maß- geblich hielt. Der BFH hat, in Anschluss an den Beschluss des Großen Senats vom 25.06.1984, jedoch die verlustbelastete Vergangenheit einschließlich der Anfangsverluste als zwingend ausgleichsfähig erachtet. 36 Diese Aussage ist gemäß der neuesten Entwicklungen in der Rechtsprechung allerdings nur noch begrenzt gültig, da der BFH z. T. von der o. g. Definition des Totalgewinns abweicht und darüber hinaus weitere Kriterien bei der Ermittlung des maßgeblichen Beurteilungszeitraumes, der sog. Totalerfolgsperiode, berücksichtigt. 37 Als Beweisanzeichen für das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht führt der Große Senat eine Betriebsführung an, „bei der der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen dazu geeignet und bestimmt ist, mit Gewinn zu arbeiten“. 38 Dieses erfordere eine in die Zukunft gerichtete und langfristige Beurteilung, wofür die Verhältnisse eines bereits abgelaufenen Zeitraums wichtige Anhaltspunkte bieten könnten. 39 Der oben zitierte Grundsatz wird in späteren Urteilen durch die verschiedenen Senate des BFH unterschiedlich ausgelegt. Dies ist im Wesentlichen - abgesehen von der Würdigung der Gesamtumstände des speziellen Sachverhalts - auf die Formulierungen „geeignet“ und „bestimmt“ zurückzuführen. In der Beurteilung der Geeignetheit dürfte allerdings ein größerer Auslegungsspielraum bestehen, als in der der Bestimmtheit eines Betriebes, Gewinne zu erzielen. Diese Problematik soll im Abschnitt 3.5.1 in Verbindung mit dem Anscheinsbeweis anhand von ergangenen Urteilen des BFH detaillierter erörtert werden.
Als Beweisanzeichen gegen das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht bei einer Personengesellschaft führt der Große Senat an, dass „wenn die Personengesellschaft nach Art ihrer Betriebsführung keine Mehrung ihres Gesellschaftervermögens in Gestalt eines positiven Totalergebnis erreichen kann und ihre Tätigkeit nach der Gestaltung des Gesellschaftervertrages allein darauf angelegt ist, ihren Gesellschaftern Steuervorteile“ 40 zu vermitteln. In diesem Fall liege der Grund für
die Fortführung der verlustbringenden Tätigkeit allein im Lebensführungsbereich der Gesellschafter. Diese seien dann nur daran interessiert, ihre persönliche Steuerbelastung aus anderen Tätigkeiten oder Vermögensnutzungen zu mindern oder zu vermeiden.
Die Gewinnerzielungsabsicht i. S. einer „bloßen Steuerersparnis“ ist für sich genommen nicht zur Kennzeichnung eines gewerblichen Unternehmens geeignet. 41 Im Umkehrschluss bedeutet diese Feststellung, dass sie im Regelfall allein ebenso wenig als Begründung für eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht geeignet ist. Ansonsten sieht der Große Senat die „planmäßig betriebenen Minderung von Personensteuern“ als einen „sonstigen wirtschaftlichen Vorteil“ im weiteren Sinne, der unter dem „mehrdeutigen“ Gewinnbegriff (§ 1 Abs. 1 GewStDV) subsumiert werden kann. 42 Dementsprechend führte der BFH in seinem Urteil vom 21.06.2004 aus, dass eine aus dem Verlustausgleich resultierende Steuerersparnis für sich genommen im Regelfall kein einkommensteuerrechtlich unbeachtliches Motiv im Sinne der Liebhabereirechtsprechung darstelle. Zur Begründung führte der X. Senat aus, dass in der bisherigen Rechtsprechung die Steuerersparnis nur dann tragend als persönliches Motiv für die Hinnahme von Verlusten herangezogen worden sei, wenn es sich um eine Verlustzuweisungsgesellschaft gehandelt habe, deren Geschäftskonzept darauf beruhe, zunächst buchmäßige Verluste auszuweisen, um zu einem späteren Zeitpunkt steuerfreie oder -begünstigte Veräußerungsgewinne erzielen zu können. ...