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Das Sexprojekt

Wie ich (mich) auszog, die beste Liebhaberin der Welt zu werden

AutorAlexandra Reinwarth
Verlagmvg Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl220 Seiten
ISBN9783864152405
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,99 EUR
Alexandra Reinwarth will es wissen: Sie will die beste Liebhaberin der Welt werden. Dazu macht sie sich auf die Suche nach dem G-Punkt und der teuersten Hure Deutschlands, sie stürzt sich in die Lingam-Massage und absolviert einen Oralsexkurs. Wilde Sex-Toys und ein ausgebauter Beckenboden, weiße Magie und ein Bett im Kornfeld, alles wird ausprobiert. Nur der homophobe Freund sträubt sich noch gegen die Sache mit der Prostata . . .

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Leseprobe

Einleitung


Sex ist die schönste Sache der Welt. Heißt es.

Die vollkommene Vereinigung zweier Menschen bis zu völligen Selbstaufgabe, ein unbeschreibliches Einswerden, gipfelnd in einem orgiastischen Sturm der Leidenschaft.

Nun ja. Das ist schön, keine Frage. Aber ich finde das Strawberry-Cheesecake-Eis von Häagen-Dazs auch eine schönste Sache der Welt. Oder Schuhe von Manolo Blahnik.

Warum habe ich den Verdacht, dass es irgendwo dort draußen Erotikgeheimnisse geben muss, die Häagen-Dazs-Eis und Blahniks in den Schatten stellen? Größere Erotikgeheimnisse als, sagen wir, sich gegenseitig mit einem Strickschal ans Bettgestell zu fesseln?

Mit leichtem Unwillen denke ich an halbgare Sexexperimente zurück: das Sexgeflüster, das scharfe Worte in schale Peinlichkeiten verwandelte. Ein aufgestellter Spiegel, der wippende Problemzonen und den Labrador im Hintergrund zeigte. Ganz zu schweigen von dem Tipp, ein bisschen Abwechslung ins Schlafzimmer zu bringen, indem frau sich nackt in Klarsichtfolie hüllt. Ich kann immer noch nicht fassen, dass ich das gemacht habe. Und den Gesichtsausdruck meines Freundes werde ich auch nie vergessen. Das kann doch nicht der Gipfel der Lust gewesen sein. Oder?

Warum bekommt man Sex eigentlich nicht beigebracht? Praxisnah und bunt gefächert? Die schönste Sache der Welt (neben Strawberry-Cheesecake-Eis) und man muss alles im Selbstversuch herausfinden. Das ist doch ein Witz! Da lernt man in der Schule alles über Hoden, Nebenhoden und Beckenböden, aber was man damit anfangen soll, das lernt man nicht. Ein herzliches »Toi, toi,toi!« und der Hinweis auf Aids und Empfängnisverhütung. Das war’s.

Und das, obwohl Sex etwas ist, was wir alle haben können, jederzeit, überall. Es kostet (meistens) nichts und wir haben das nötige Equipment immer dabei! Ich fordere vorbeugende Kurse in Sachen sexuelles Krisenmanagement! Ich will Anleitungen mit Rollenspielen und Video-Feedback!

Vielleicht ist das ein traditionelles Weitergeben eines Traumas, von den Eltern an die Kinder, nach dem Motto: Wir wussten auch nicht, wo oben und unten ist, wieso solltet ihr es da besser haben?

Ich persönlich habe das jährliche Knecht-Ruprecht-Trauma an Sankt Nikolaus schon nicht gut verwunden. Da können Sie sich ungefähr vorstellen, in welcher Verfassung ich mich befand, als mir meine beste Freundin Beate erzählte, nachts wachse das Pipi der Väter auf doppelte Größe an (sie war damals fünf, sie hat das inzwischen relativiert), um sodann in der Mumu der Mama versenkt zu werden. Was denkt da eine vernünftige Fünfjährige?

So etwas Entsetzliches würden meine Eltern niiiiiee machen. Wobei – andererseits lassen sie auch jedes Jahr an Nikolaus diesen schrecklichen Mann mit der Rute und dem Sack für unartige Kinder ins Haus ...

Kinder haben es auch nicht leicht.

Die völlig absurde Vorstellung von Monsterpipis und Mama-Mumus wurde nur noch von dem eierlegenden Hasen an Ostern getoppt, wobei mir die Sache mit dem Hasen wesentlich plausibler erschien. Die Verwirrung war spätestens dann komplett, als das Wort Eier von den Erwachsenen mehrdeutig verwendet wurde.

Diverse Doktorspiele mit den Kindergartenkollegen brachten nicht die erhofften Erkenntnisse, höchstens die eine: Dass Bubenzipfel aussehen wie Schupfnudeln. Erst später wird daraus, wie Walter Moers schon so treffend menschliche Genitalien beschrieb, radioaktiv verstrahltes Gemüse aus dem Weltall.

Die Motivation für meinen Forscherdrang war, wie bei den meisten Kindern zwischen zwei und fünf Jahren, die Frage: Woher komme ich und wie kam ich auf diese Welt? Gott sei Dank wusste meine Freundin Beate auch über das Wie Bescheid: »Der Bauch explodiert.«

Zufrieden mit dieser Antwort, konnte ich mich den Rest meiner Kindheit wichtigeren Dingen widmen. Gummihüpfen zum Beispiel.

In diese Zeit fällt auch die erste Erinnerung an eine sexuelle Handlung. Natürlich mit Beate. Wir badeten des Öfteren abends vor dem Zubettgehen zusammen, wenn die eine bei der anderen schlief, weil es schier unvorstellbar war, sich erst am nächsten Morgen wiederzusehen. Während der Badezeremonie spielten wir dann manchmal das Engelchen-Teufelchen-Spiel: Das Engelchen legte sich dabei längs in die Wanne, das Teufelchen legte sich darauf und rutschte ein bisschen auf und ab. Danach explodierte in unserem Spiel der Bauch des Engelchens und es wurde ein imaginäres Baby aus der Wanne gehoben und dem Verantwortungsbereich des Badewannenvorlegers übergeben. Dann wurden die Rollen getauscht. Das Spiel provozierte ein kleines, süßes Ziehen in meinem Inneren, einen wunderbaren und geheimen Sog, der Großartiges versprach. »Bald«, flüsterte er, »noch nicht jetzt, aber bald.« Ein Appetizer.

Die doofen Jungs machten erst Jahre später auf sich aufmerksam durch Haareziehen, Rocklupfen und blöde Sprüche. Ein Wunder, dass wir sie damals nicht einfach erschlagen haben. Irgendwann, und von mir zunächst völlig unbemerkt, haben dann die Pubertätsgene KiSS1 und KiSSR beschlossen, es sei an der Zeit, mit der Arbeit zu beginnen. KiSS kommt von dem Peptidhormon Kisspeptin und hat nichts mit der bekannten Hardrock-Band zu tun. Die echte Geschichte ist noch besser: Das Gen KiSS1 wurde von Forschern in Hershey, Pennsylvania, USA, entdeckt, und sie benannten es nach dem berühmtesten Exportartikel ihrer Stadt: dem Schokobonbon Kiss der Hershey Foods Corporation. Das nenne ich Lokalpatriotismus. Was die Pubertät allerdings mit süßen Schokoladendrops zu tun hat, bleibt das Geheimnis der Wissenschaftler in Hershey. Entweder hatten die keine Kinder im relevanten Alter oder einen sehr, sehr trockenen Humor.

Es geht ja die Mär um, die Kinder kämen immer früher in die Pubertät. Jeder weiß von einem Kind von einem Bekannten eines Verwandten, das praktisch direkt nach der Geburt anfing zu pubertieren. Und wissen Sie was: Die Mär stimmt. Also nicht, dass Kinder schon nach der Geburt pubertieren, aber darauf könnte es hinauslaufen. Seit über 140 Jahren hält der Trend an, dass die Pubertät immer früher einsetzt. Und die Sexualwissenschaftler berichten, dass es noch nicht zu einem Stillstand gekommen ist.

Seit 1980, so eine Studie der Universität Landau, rückt die Geschlechtsreife jährlich um zwei Monate vor. Sehen Sie, was ich sehe? Wenn man das linear weiterführt, beginnen die Kinder im Jahr 2035 zu pubertieren, bevor sie eingeschult werden! Da bekommen die Mädchen Flügelbinden und Einführhilfen in die Schultüten!

Jahr

Menstruation
Mädchen

Samenerguss Jungs

1860

16,6

1920

14,6

1950

13,1

1980

12,5

14,2

1994

12,2

12,6

2001

11,5

11,5–12

2010

10,3

10,5

(Das heißt nicht, dass Jungs vor dem Jahr1980 keinen Samenerguss hatten, es waren nur keine entsprechenden Aufzeichnungen vorhanden. Herren, die diesbezüglich ein Mitteilungsbedürfnis verspüren, mögen sich direkt an den Verlag wenden.)

Und wer ist schuld daran? Schuld an allem sind die dicken Kinder (von Landau). Je mehr Körperfett, desto früher geht’s los. Wie Karl Lagerfeld im Zuge der Diskussion um magersüchtige Models schon so schön bemerkte: »Problematisch sind doch eher die dicken Leute.«

Hand in Hand mit diesem Trend geht eine Angleichung des Entwicklungsunterschieds. Die Entschuldigung zahlreicher Mütter von hummeldummen Jungs: »Die Mädchen sind den Buben ja um Jahre voraus!«, stimmt nicht mehr. Mädchen sind im Durchschnitt den Jungs in ihrer Entwicklung nur noch wenige Monate voraus. Auch wenn das im Straßenbild ganz, ganz anders...

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