EINS
WIE WEIT WILLST DU GEHEN?
Lebenswege winden und wenden sich. Es gibt nicht zwei Mal den gleichen Weg. Doch die Lebenslektionen liegen auf dem Weg und nicht im Ziel.ii Worauf strebst du zu? Welchen Sinn gibst du deinem Hiersein? Diese Fragen versuchen wir alle zu beantworten. Es ist wichtig zu wissen, was deine Bestimmung ist, aber noch wichtiger ist es zu verstehen, wie du in deine Bestimmung hinein kommst. Es ist gut, das Ziel der Reise zu kennen, aber die Reise selbst gestaltet das Ende mit. Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832), ein brillanter deutscher Dichter des 18. Jahrhundert, sagte einst, dass Wissen allein nicht reiche, wir müssten es anwenden.
Wenn wir unser Wissen anwenden, öffnen sich Türen zu neuem, praktischem Verständnis und wir begegnen gleichzeitig bisher unbekannten Fragestellungen. Ich habe viele Typen mit Magisterstiteln auf verschiedenen Fachgebieten getroffen und dabei Folgendes entdeckt: Wissen ist kein Ersatz für Erfahrung und gesunden Menschenverstand. Das Leben lernt man nicht im Klassenzimmer oder Hörsaal zu verstehen. Akademische Studien sind kein Ersatz für das, was auf dem Weg durchs Leben gelernt wird.
Während ich dieses Buch schreibe, arbeite ich selbst an meiner Dissertation. Mein Motiv dafür ist nicht großartig, sondern nur cool. Der Grund, warum ich diesen Doktortitel anstrebe ist, dass ich meinen Titel nehmen und all den ehrenkäsigen Leuten vor die Nase halten und sagen kann: „Ich habe einen Doktortitel, aber ich fahre immer noch den Sonntagsschulbus und kümmere mich um Kinder!“
Ich habe etwas sehr Wichtiges für das Lebens entdeckt. Es geht nicht darum Wissen zu sammeln und anzuhäufen. Es geht darum, auf junge Menschen einzuwirken und sie zu prägen.
Darum kann das Leben niemals in einer Bildungseinrichtung „erlebt“ werden. Dort kannst du Handwerkszeug fürs Leben erwerben, doch es ist kein Ersatz für die Herausforderungen des Wegs, der Leben heißt und für die Dinge, die auf diesem Weg gelernt werden.
Ich erinnere mich, dass ich einst bei einer Konferenz sprach und später ein Jungendlicher auf mich zu kam und sagte: „Ich möchte das erreichen, was du erreicht hast.“ Total begeistert erzählte er mir: „Ich habe alle deine Bücher gelesen und will einfach das erreichen, was du erreicht hast.“ Ich schaute den Jugendlichen an und dachte: „Mann, du hast keine Ahnung von dem, was du da willst.“
Niemand will angeschossen werden. Niemand will wirklich Fahrer eines Sonntagsschulbusses sein. Ich schwieg einen Moment, schaute ihm fest in die Augen und sagte dann: „Junge, du weißt nicht mal recht wie es gerade um dich stehst. Und wenn du wüsstest, wie es um mich steht und was es gekostet hat dorthin zu kommen, würdest du dann immer noch durch all das durch wollen?“ Der oberflächliche Beobachter hat keine Vorstellung davon, was es mich kostete dahin zu kommen, wo ich heute bin. Und wenn er es sich vorstellen kann, bin ich mir sicher, dass er diesen Weg nicht wählen würde. Wir wollen die Ehre – aber wollen wir auch das Kreuz? Wir müssen verstehen, dass der Weg zu der Herrlichkeit der Auferstehung der Weg des Kreuzes ist.
Das Wunder auf dem Weg
Ziele sind wichtig. Wenn man eine Zielvorstellung hat, kann man sein Leben darauf ausrichten. Aber es gibt einen Haken: Sich über seine Zukunft Gedanken zu machen ist etwas völlig anderes, als sich für seine Zukunft abzumühen. Letzteres ist der wenig begangene Weg. Träumen zu können ist gut, aber es reicht nicht aus. Träume werden nicht durch irgendeinen Zauber plötzlich wahr. Wir werden nicht durch einen Zaubertrunk oder einen Dornröschenkuss in unsere Zukunft katapultiert. Deinen Traum musst du mit Leidenschaft würzen – mit einer Leidenschaft, die dich zur Jagd nach dem antreibt, was andere aus Furcht nicht wagen.
Beim Erfolg geht es darum, die ganze Strecke zu meistern. Die beiden schwierigsten Teile eines Rennens sind der Start und der Abschluss. Das Leben gleicht mehr einem Marathon als einem Spurt. Wettläufer brauchen sich keine Gedanken darüber machen, dass sie „gegen die Wand“ laufen. Marathonläufer sprechen davon, dass „der Mann mit dem Hammer kommt“ wenn sie nach " 30 Kilometern gegen die Wand laufen. Der ganze Körper ist in Aufruhr und schreit nach Aufgeben.
Während deine Beine dich weitertragen, lehnt sich dein Verstand auf und deine Motivation schwindet. Alles in dir schreit: „Schluss! Lass es! Gib auf!“ Nur ein Langstreckenläufer kennt das Gefühl. Er kennt aber auch die Freude, die entsteht, wenn man die Wand durchbricht und die volle Distanz läuft. Das nenne ich das Wunder auf dem Weg. Mitten auf der Strecke stehst du der denkbar größten Krise gegenüber und brichst zur denkbar größten Freude durch.
Wie man das erreicht? Wie kommt man vom Keller ins Dachgeschoss? Natürlich über die Treppen! Stufen sind Teil des Weges zum Ziel – sie sind aber nicht selbst das Ziel. Stufen haben nur den Zweck, dass du von hier nach da gehen kannst. Du lebst nicht auf der Treppe. Treppenhäuser wurden nicht als Lebensraum geschaffen. Man richtet sich dort nicht häuslich ein. Natürlich könnte man es tun, aber das wäre eher seltsam.
Du hast dieses Buch gekauft und daraus schließe ich, dass du vorankommen willst. Du wünschst dir in das hineinzukommen, was Gott für dich vorbereitet hat. Du willst in deiner Bestimmung leben. Der Wunsch brennt in dir. Die Frage ist, „Wie komme ich dahin?“
Es gibt vier Abschnitte des Weges, die du hinter dich bringen musst. Jeder beginnt seine Reise mit viel Begeisterung. Du strotzt vor geistlicher Kraft und fühlst dich, als könnte dich nichts zurückhalten. Irgendwann wirst du auf dem Weg gegen die Wand laufen und musst dann das Wunder auf dem Weg erleben. Wenn du den Lauf beenden willst, musst du dich gegen den Wind lehnen, dich über die Schmerzgrenze hinaus herausfordern und nicht aufgeben.
Um die vier Wegstrecken bewältigen zu können musst du dich selbst fragen: „Wie weit will ich wirklich gehen?“
Der Weg nach Emmaus – Der Weg des Erkennens
Und siehe, zwei von ihnen gingen an demselben Tage in ein Dorf, das war von Jerusalem etwas zwei Wegstunden entfernt; dessen Name ist Emmaus.
Lukas 24.13
Wer von hier nach dort will, hat einen Ausgangspunkt – zwei Männer gingen von Jerusalem weg. Die Jünger waren entmutigt. Sie waren enttäuscht, niedergeschlagen. Sie waren ernüchtert. Und warum das? Sie befanden sich auf dem Weg nach Emmaus, weg von Jerusalem. Vor nur wenigen Tagen sahen sie ihren Herrn einen hässlichen Tod am Kreuz sterben – wie ein gewöhnlicher Krimineller. Ihre ganze Hoffnung war auf Jesus gerichtet gewesen. Sie waren sich sicher, dass er der verheißene Messias sei. Er sollte sie von den Römern befreien und das Königreich Gottes auf Erden aufrichten. Sie kannten ihre eigene Stellung darin, sie sollten mit ihm auf Erden regieren. Die beiden Männer hatten sich an die Jesus-Show angehängt, weil sie dachten sie wüssten, wer er sei. Ihre Erwartungen waren so hoch gesteckt und sie wussten, sie würden einen besonderen Platz an seiner Seite haben. Und jetzt war alles vorbei. Auf tragische Weise ist er ihnen entrissen worden. Sie waren allein zurückgeblieben.
Sie dachten sie wüssten ganz sicher, worauf er aus gewesen war. Dummerweise haben sie es aber nie richtig verstanden. Er hat ihnen immer wieder Hinweise darauf gegeben, was geschehen würde, aber sie haben die Wichtigkeit seiner Worte nie erkannt. Ihre eigenen Vorstellungen hatten den Blick für die wahre Zukunft vernebelt. Sie hatte ihre Familie und Freunde verlassen, um ein Teil von Jesu Königreich zu sein. Die Zukunft lag einladend hell vor ihnen. Doch plötzlich glitt die schillernde Helligkeit ihrer Zukunft jäh in Finsternis ab und ihre falschen Vorstellungen wurden aufgedeckt.
Jetzt verließen sie Jerusalem. Hinter ihnen lagen ihre Träume und Bestrebungen. Die Hoffnung wich der Verzweiflung. Enttäuschung und Verzagtheit durchkrebste ihr Herz und verdunkelte ihre Vorstellung von der Zukunft. Sein schrecklicher Tod durch die Hand der Römer zerschmetterte all ihr Sehnen und Hoffen. Sie gingen weg, verließen den Ort ihrer enttäuschten Hoffnung. Sie gingen ohne zu wissen, wohin sie wollten und was zu tun wäre.
Ich bin mir sicher, dass viele von uns das schon erlebt haben – den Moment tiefster Enttäuschung. Da gab es Zeiten in deinem Leben, wo du dir deiner Bestimmung sicher warst. Deine Zukunft war hell und hoffnungsvoll. Auf dem Weg haben dich dann Menschen enttäuscht und Gott hat dich offensichtlich auch verlassen. Und jetzt weißt du nicht, was du tun, wohin du gehen sollst. Die Hinweise auf deine Zukunft hast du falsch verstanden und jetzt sitzt du im Dunkeln.
Plötzlich tauchte Jesus aus dem Nichts auf und ging an ihrer Seite. Sie gingen auf dem Weg Richtung Emmaus und – wie üblich – tauchte...