2. Der Therapiehund – eine Definition
Was ist eigentlich ein »Therapiehund«?
Kaum wird eine neue Einsatzmöglichkeit für Hunde in der Öffentlichkeit populär, entstehen häufig Tendenzen zur Vermarktung von bestimmten Hunderassen. Gravierende Missverständnisse und Vorurteile, Unkenntnis und Informationsmangel wecken falsche Erwartungen. Die Folgen eines Mode-Trends sind hinreichend bekannt: Die Züchtung bestimmter Hunderassen ist hinsichtlich ihrer Qualität stark infrage gestellt worden.
Um dieser Entwicklung vorzubeugen, sei an dieser Stelle deutlich zum Ausdruck gebracht: Es gibt kein einziges Hunde-Gen, welches die Behauptung begründen könnte, dass bestimmte Hunderassen eine Anlage zum »Therapiehund« mitbringen! Dies ist eine unumstrittene Erkenntnis aus der Forschung, die auch von der weltweit anerkannten Genetikerin Prof. Dr. Sommerfeld-Stur von der Veterinärmedizinischen Universität in Wien vertreten wird.
Alle Rassen und deren Mischlinge werden heute weltweit erfolgreich als Therapiehunde eingesetzt – es kommt auf den jeweiligen Bereich und die spezifischen Anforderungen an!
In den angelsächsischen Ländern waren schon in der Anfangszeit der ersten Einsätze sowohl Neufundländer, Cocker Spaniels als auch Jack Russell Terrier als Therapiehunde aktiv. Auch die unterschiedlichsten Mischlinge wurden damals – wie heute – mit durchschlagendem Erfolg für Therapieeinsätze verwendet. Es muss also nicht unbedingt ein Labrador oder Golden Retriever sein – fast die Hälfte aller Bewerber-Teams treten bei den aktuellen Tests der Ausbildungsanbieter mit Mischlingen an. Und bestehen diese auch.
Es ist darüber hinaus nicht zwingend notwendig, dass ein hoffnungsvoller Kandidat für die Therapiehundearbeit eine Abstammung aus einer Therapiehundefamilie nachweisen kann. Selbst wenn beide Elternteile sich als geeignete Therapiehunde entwickelt und präsentiert haben, ist diese Tatsache keine Garantie für ebensolche verwendbare Nachkommen! Ein verantwortungsvoller Züchter kann zwar für eine entsprechende Welpenprägung und Junghundesozialisation sorgen, aber eine Gewährleistung für diese später gewünschte Eignung ist mit aller Vorsicht zu genießen.
Es sei davor gewarnt, sich der Hoffnung hinzugeben, man könne einen einsatzfähigen Therapiehund schon als Welpen erwerben – diese Erwartungshaltung ist falsch und die Enttäuschung groß, wenn sich die Vorstellungen nicht bestätigen.
Ein Therapiehund sollte allerdings einige Anlagen mitbringen, um sich gut sozialisieren zu lassen und durch sein menschenbezogenes, freundliches Wesen die Basis für eine weitere Ausbildung zu gewährleisten (vgl. Kapitel 2).
Dies können auch Hunde aus dem Tierheim, aus Tierschutzprojekten und aus Auffangstationen im südlichen oder östlichen Ausland sein – in der aktuellen Praxis werden zahlreiche Exemplare mit einem oftmals bedauernswerten Lebensschicksal einer neuen Lebensperspektive zugeführt. Nach Absolvierung einer Eignungsprüfung und fundierter Ausbildung sind einige dieser Mixe heute schon gefragte Co-Therapeuten.
Ein Therapiehund ist nicht das Ergebnis einer bestimmten Rasse-Züchtung!
Ein Therapiehund wird auch nicht als ein solcher geboren!
Ein Therapiehund muss keiner bestimmten Rasse entstammen!
Ein jeder Hund kann sich zum Therapiehund entwickeln!
Ein guter Therapiehund kann nicht gezüchtet werden – er braucht aber eine kompetente Ausbildung.
Foto: Karl Mayer
Viele eingekreuzte Mixe, vor allem kleinere Hunde, werden mit Erfolg als ausgebildete Therapiehunde eingesetzt.
Was unterscheidet einen Therapiehund von anderen Hunden, die als Helfer auf vier Pfoten tätig sind?
Überwiegend werden Hunde mit helfenden Aufgaben im Rehabilitationsbereich eingesetzt, deswegen werden sie auch als sogenannte »Reha-Hunde« bezeichnet. Es sind eigens für ihre speziellen Aufgaben ausgesuchte und ausgebildete Hunde, die »ihrem« behinderten oder kranken Menschen den Weg in ein möglichst selbstständiges Leben unterstützen und erleichtern sollen.
Es sind dies:
Blindenführhunde
Ihre Aufgabe ist es, den sehbehinderten oder blinden Menschen jederzeit, in jeder Umgebung und an jeden Ort sicher zu leiten und zu führen.
Signalhunde
Sie sind ausgebildet, um dem hörbehinderten oder gehörlosen Menschen jederzeit und überall wichtige Geräusche zu melden und mitzuteilen. Darüber hinaus sind sie in der Lage, einem anfallkranken Menschen – oder seiner Umgebung – bevorstehende Schübe oder Anfälle rechtzeitig anzuzeigen.
Assistenz- oder Servicehunde
Sie sind dazu erzogen, dem körperbehinderten oder anfallkranken Menschen immer und überall aktive Hilfeleistungen auszuführen, indem sie adäquate Tätigkeiten verrichten, die jene aufgrund von fehlender Beweglichkeit oder Kraft nicht selbst durchführen können.
Alle diese hervorragend ausgebildeten Hunde haben eines gemeinsam – sie werden auf ihre spezifischen Aufgaben von Fachleuten lange vorbereitet und intensiv geschult, um danach an die betroffenen Menschen abgegeben zu werden. Diese Hunde leben dann als neuer Partner des Hilfsbedürftigen ununterbrochen an dessen Seite und teilen ihr Leben nur mit ihm.
Auch Mischlinge aus den südlichen Ländern entwickeln sich nach fundierter Ausbildung als zuverlässige Co-Therapeuten.
Therapiehunde oder Therapiebegleithunde
Diese Hunde dagegen verbleiben als ausgebildete Hunde bei ihrem ebenfalls geschulten Besitzer – beide, Mensch und Hund, arbeiten zukünftig als »Team« an wechselnden Einsatzorten und mit unterschiedlichem Klientel. Zu betonen ist, dass ein Therapiehund niemals als ein Mittel zum Zweck eingesetzt werden darf – er dient auch nicht als therapeutisches Allheilmittel. Seine Aufgabe kann er nur in Zusammenarbeit mit seinem Menschen optimal erfüllen – er begleitet ihn als tierische Unterstützung. Um diesen Ansatz deutlich zu machen, benutzt man in den deutschen Formulierungen nicht nur den Begriff »Therapiehunde-Team«, sondern auch die Bezeichnung »Therapiebegleithunde-Team«.
Da vielerorts nicht nur Hunde als Co-Therapeuten eingesetzt werden, sondern auch einige andere Tierarten, wie beispielsweise Katzen und Kaninchen, Schildkröten und Schnecken, Lamas und Pferde, spricht man im Allgemeinen von einer »tiergestützten« Arbeit oder Intervention.
Die ursprüngliche englische Definition erklärt es deutlicher – es wird von »pet-facilitated« oder »animal-facilitated-therapie« gesprochen, zu deutsch: der »tiergestützten Aktivität« oder der »tiergestützten Therapie«.
Ein Therapiehund- Team arbeitet nur zusammen mit der Fachkraft und immer unterstützend im speziellen Wirkungskreis.
Die Definitionen und Begriffsverwendungen in Anlehnung an die amerikanische Organisation »Delta Society«
Die angelsächsischen Länder waren alle in der Entwicklung um den therapeutischen Einsatz von Tieren im Allgemeinen – und Hunden im Besonderen – sehr engagiert. Eine der Organisationen spielt auch heute noch eine maßgebliche Rolle in der Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung – die »Delta Society«, welche 1977 in Portland / Oregon (USA) gegründet wurde (vgl. Seite 17).
Diese Vereinigung von Fachleuten der verschiedensten Disziplinen aus Forschung und Wissenschaft formulierte eine grundlegende Unterscheidung der spezifischen Einsatzbereiche von Therapiehunde-Teams und anderen tiergestützten Maßnahmen.
Es sind die folgenden Bezeichnungen im Gebrauch:
Animal-Assisted-Activities (AAA) Zu deutsch: »Tiergestützte Fördermaßnahmen«
Mit diesem Begriff werden sogenannte »Tierbesuchsprogramme oder -dienste« bezeichnet, bei denen der Tierhalter mit seinem Tier eine spezielle Institution und ihre Bewohner oder Patienten über einen bestimmten Zeitraum lediglich aufsucht, sich aber nicht an einer gezielten Behandlung beteiligt.
Die Anwesenheit der Tiere und ihre Begleiter dienen der allgemeinen Abwechslung in einem tristen Alltag und einem gesteigerten Wohlbefinden der Betroffenen – meistens handelt es sich dabei um Bewohner von Senioren- oder Pflegeheimen.
Regelmäßig besucht Therapiehundefürerin Friderike Hofer mit ihrem Mischlingshund Flipsy die alten Menschen im Pflegeheim.
Animal-Assisted-Therapie (AAT) Zu deutsch: »Tiergestützte Therapie«
Diese Bezeichnung wird verwendet, wenn der Einsatz des Tieres vor dem Kontakt mit dem betroffenen Patienten eine genaue und begründete Zielsetzung hat und der Verlauf der Therapie dokumentiert wird. Der Besitzer des Tieres – sofern er nicht selbst eine professionelle Ausbildung hat – darf nur in Anwesenheit des jeweiligen Spezialisten und unter dessen Anleitung sein Tier in den Behandlungsprozess integrieren.
Als Fachkraft hat Ergotherapeutin Ellen Steinegger langjährige Erfahrung im Umgang mit Therapiehunden und ihren Patienten...