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Das Tier im Künstler: Tiere als Alter Ego und Religionsfigur in der Kunst Franz Marcs, Max Ernsts und Joseph Beuys'

AutorMarc Schlegel
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl78 Seiten
ISBN9783955497200
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Tierdarstellungen gehören zu den ältesten Zeugnissen menschlicher Kunst. Von altsteinzeitlicher Höhlenmalerei, über Dürers Feldhasen bis hin zu Damien Hirsts Formaldehyd-Experimenten: Das Tier hat Künstler jeder Epoche inspiriert und beschäftigt. Einige von ihnen gehen jedoch weit über die bloße Abbildung oder künstlerische Zurschaustellung hinaus - für sie wird das Tier zum Zweiten Ich, zum Ausdruck ihrer eigenen Animalität oder zum Sinnbild religiöser und philosophischer Ideale, die sie in der Menschheit vermissen. Diese besondere, spirituelle Bindung zwischen Mensch und Tier findet ihren Höhepunkt im späten 19. und 20. Jahrhundert. Initiiert durch Franz Marcs sensible Annäherung an Seele und Charakter des Pferdes, das zum Symbol seiner utopischen Zukunftsentwürfe wird, entwickelt sie sich über Max Ernsts teils skurrile, teils plakative Verschmelzung mit dem Vogel-Alter Ego Loplop zu einem wichtigen Element des Künstlercharakters. Sie gipfelt schließlich in den para-schamanistischen Ritualen Joseph Beuys', in denen er die Eigenschaften des Tieres auf sich zu übertragen und als Gesellschaftsheiler Tier- und Menschenwelt wieder zu vereinen versucht. Anhand exemplarischer Beispiele aus dem Oeuvre Franz Marcs und Max Ernsts, sowie Joseph Beuys' Aktionen 'Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt', 'I like America and America likes me: Coyote I' und dem Goldhasen der '7000 Eichen' werden in dieser Arbeit sowohl die reellen Grundlagen dieser Entwicklung in den einzelnen Künstlerbiographien als auch ihr großer Nutzen als nie versiegende Inspirationsquelle diskutiert.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 2.2.2.2, Spielende Formen, 1914: 1914 entsteht Marcs letztes großes Gemälde, das bezüglich seiner animistischen Qualität und als Weiterentwicklung der 'Tierkomposition' angesprochen werden sollte, auch wenn es nur bedingt als Tierdarstellung verstanden werden kann. Eine detaillierte Beschreibung der abstrakt aufgefächerten querformatigen Fläche würde wohl den Rahmen des Kapitels sprengen. Auf der linken Seite finden sich die quaderförmigen Strukturen der 'Tierkomposition' von 1913, hier in sanften Pastelltönen gestaltet und von tentakelartigen, organischen Formen bewachsen. Diese Zone geht in ein undurchdringliches Gemisch aus rundlichen, violett- und karminroten Feldern über, das in die rechte Bildregion greift. Sie wird von vegetabilen Halm- und Blätterformationen aus kühlen Grün- und Blauschattierungen belebt. Auch inhaltlich lassen sich die 'Spielenden Formen' in drei Bereiche aufteilen. Die eckig geometrischen Figuren links lassen, wie schon in der 'Tierkomposition', Assoziationen zu kantigen Felslandschaften zu. Durch die feinen Farbtöne noch verstärkt, erinnern sie teilweise an bauklötzchenhafte Dach- oder Gebäudestrukturen. Ein milder, in Delaunayscher Abstraktion verborgener Hinweis auf Stadt bzw. Zivilisation scheint möglich. Die Formationen des rechten Bilddrittels sind am durchschaubarsten: ein Dschungel saftgrüner Ranken und Blätterpflanzen, die dem oberen Bildrand entgegen wuchern. Geschickt eingesetzte Blau- und Gelbschattierungen verstärken die imaginative Tiefe des Dickichts zusätzlich. Problematischer und assoziativen Zugängen eher verschlossen zeigt sich der rote Kern in der Mitte des Werks, der nicht nur aufgrund seiner Farbe als der Fokus, das Herz des Ganzen erscheint. Jede Interpretation von Absoluter Malerei, die Marc nun endlich erreicht hat und die ihn vollkommen von der Form emanzipiert, mag tendenziell, oft auch erzwungen wirken. Doch zieht man zum Vergleich den direkten Vorgänger der 'Spielenden Formen', die 1913 vollendeten, großformatigen 'Stallungen' heran, so ist die Versuchung groß, aus den pulsierenden roten Körpern die Rundungen von Pferdeleibern herauszulesen, prismatisch in die Unkenntlichkeit aufgebrochen. Sie erinnern stark an das im Profil gezeigte orangerote Pferd der 'Stallungen', in dessen abstrahierten Körper sich ähnlich flammende Formungen finden. Auch der Schwung der beiden Halme, die sich aus der rechten Bildzone in die Mitte verirrt haben, ist nah an dem der Pferdeschweife in der Vorstufe von 1913. Marc selbst schreibt einige Monate später in einem Brief an seine Frau, dass 'abstrakte Bilder ohne Gegenstand' nicht existieren. Er 'steckt immer drin, ganz klar und eindeutig, nur braucht er nicht immer äußerlich da und augenfällig zu sein.' Dennoch sind solche Interpretationsversuche immer derart subjektiv, dass ihnen nicht zu viel Bedeutung eingeräumt werden sollte. Es wäre aber falsch davon auszugehen, Marc habe in seinen abstrakten Werken völlig frei von natürlichem Bezug gemalt. Es würde weder zu seinen zeitnahen Aussagen noch zu seiner bisherigen Malerei passen. Seinen Weg in die Abstraktion, 'in (der) das Lebensgefühl ganz rein klingt', erklärt er ein Jahr später als Suche nach dem Reinen und Guten. Doch darf man diese Begriffe nicht nur im romantischen, religiösen Sinne verstehen, der in Aussagen des frommen Franz Marc sicher mitschwingt. Als das Reine versteht sich auch die animistische Kraft der Natur, das Wesen der Dinge, hinter ihrer äußeren Fassade. Marc, der den Tod als Erlösung sieht, als 'die Zerstörung der Form, damit die Seele frei wird', versucht in seiner abstrakten Malerei eben dieser Energie nachzuspüren, indem er die Körper seiner Tiere auflöst, tötet, und ihre anima freisetzt. So führt er am Ende seiner künstlerischen Karriere 'die Kreatur wieder in den Kreislauf der Schöpfung zurück', die sich ausschließlich aus den titelgebenden 'Spielenden Formen' zusammensetzt. Einem Fenster gleich bietet er uns einen Einblick in sein pantheistisches Utopia, in dem die Lebenskräfte der Natur, ganz gleich ob von Erde, Pflanzen oder Tieren, unauflöslich miteinander verbunden sind. Er verschmilzt sie 'zu einer neu von ihm eroberten Weltanschauung.'
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