Der Begriff der Organschaft wurde im deutschen Steuerrecht erstmals vom Preußischen Oberverwaltungsgericht[8] in seinem Urteil zur Gewerbesteuer vom 31. Mai 1902 verwendet. Dieses neu geschaffene Rechtsinstitut sollte eine Umgehung der preußischen Steuer verhindern, da diese aufgrund der Zersplitterung des Deutschen Reiches in zahlreiche Länder sehr gestaltungsanfällig war. Im Rahmen der sogenannten Angestelltentheorie wurde die rechtlich selbständige Organgesellschaft als Angestellte des Organträgers betrachtet, soweit sie im Auftrag und für Rechnung der Muttergesellschaft tätig wurde.[9]
Für Zwecke der Körperschaftsteuer griff der Reichsfinanzhof[10] diese Überlegungen zur Organschaft erstmals in seinem Urteil vom 11. November 1927 auf. Hintergrund der Übertragung dieses Rechtsinstituts auf eine weitere Steuerart war jedoch kein weiteres Vorgehen gegen mögliche Steuergestaltungen, sondern die Vermeidung einer steuerlichen Doppelbelastung von Beteiligungserträgen innerhalb eines Konzerns. Der Reichsfinanzhof hat mit der finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung der Organgesellschaft in den Organträger Anforderungen für die Anerkennung als Organschaft entwickelt, die bis zur Einführung des Steuersenkungsgesetzes[11] zum Jahr 2001 für die Körperschaftsteuer Bestand hatten.[12]
In der Folge hat der Reichsfinanzhof die bisherige Angestelltentheorie aufgegeben und die sogenannte Zurechnungstheorie entwickelt. Nach dieser Überlegung führt die Organgesellschaft ihren Betrieb auf eigene Rechnung, jedoch ist das Ergebnis bei Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags dem Organträger hinzuzurechnen.[13]
Die Rechtsprechung zur Organschaft wurde auch durch den Bundesfinanzhof ohne gesetzliche Grundlage für dieses Rechtsinstitut fortgeführt[14], jedoch forderte der BFH den Gesetzgeber zunächst auf, eine entsprechende Rechtsgrundlage zu schaffen[15] und lehnte in einem weiteren Schritt eine künftige Anerkennung der Organschaft ohne rechtliche Kodifizierung[16] ab.[17] Der Gesetzgeber führte daraufhin im Jahr 1969 mit dem § 7a KStG[18] erstmals den Begriff der Organschaft in das Körperschaftsteuergesetz ein und setzte damit seine Ankündigung aus dem Jahr 1965 im Zuge der Verabschiedung des Aktiengesetzes um.[19] Diese Regelung wurde unverändert in den § 14 KStG im Rahmen der Unternehmenssteuerreform 1977 übernommen[20] und hat dort im Wesentlichen[21] immer noch Bestand.
Die Regelungen zur körperschaftsteuerlichen Organschaft sind in den §§ 14 - 19 KStG festgelegt. Demnach bilden die Muttergesellschaft (Organträger) und die Tochtergesellschaft (Organgesellschaft) einen Organkreis. Neben weiteren Anforderungen an die Eigenschaften der beteiligten Unternehmen sind der Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags und die finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft in das Unternehmen des Organträgers die Voraussetzungen für die Begründung einer Organschaft.[22]
An die Rechtsform des Organträgers werden keine Anforderungen gestellt. Diese Funktion können unbeschränkt steuerpflichtige Personen, Personengesellschaften, Kapitalgesellschaften und andere Vermögensmassen einnehmen, soweit diese gewerblich tätig sind und der Ort der Geschäftsleitung im Inland ist (einfacher Inlandsbezug).[23]
Das Körperschaftsteuergesetz[24] knüpft für die Definition der gewerblichen Tätigkeit an die Voraussetzungen gemäß § 2 GewStG an. Während Kapitalgesellschaften bereits kraft Rechtsform gewerblich tätig sind, müssen Personengesellschaften und natürliche Personen Einkünfte aus Gewerbebetrieb beziehen. Eine gewerbliche Prägung nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG oder ein Abfärben nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG genügt hierbei für Personengesellschaften nicht.[25]
Doppeltansässige Kapitalgesellschaften können Organträger sein, falls diese ihre Geschäftsleitung im Inland haben.[26] Unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften, die ihren Sitz im Inland und ihre Geschäftsleitung im Ausland haben, sind weiterhin von der Organschaft ausgeschlossen. Ausnahmsweise kann gemäß § 18 KStG auch ein ausländisches gewerbliches Unternehmen ohne Sitz und Geschäftsleitung im Inland Organträger sein, wenn es im Inland eine in das Handelsregister eingetragene Zweigniederlassung unterhält.[27]
Die Organgesellschaft kann ausschließlich in der Rechtsform einer Europäischen Gesellschaft, Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung geführt werden.[28] Weitere wesentliche Voraussetzung ist, dass diese Kapitalgesellschaft ihren Sitz und ihre Geschäftsführung im Inland hat. Durch diesen doppelten Inlandsbezug können Gesellschaften mit Sitz oder Geschäftsführung im Ausland keine wirksame Organschaft begründen, auch wenn sie im Inland der unbeschränkten Körperschaft-steuerpflicht unterliegen.[29]
Zur Begründung der Organschaft muss zwischen der Organgesellschaft und dem Organträger ein Gewinnabführungsvertrag i. S. d. § 291 Abs. 1 AktG geschlossen werden. In diesem gesellschaftsrechtlichen Vertrag verpflichtet sich die Organgesellschaft zur Abführung ihres gesamten Gewinns an den Organträger. Der gesamte Gewinn ist in diesem Zusammenhang der handelsrechtliche Jahresüberschuss der Gesellschaft, lediglich gemindert um die Zuführung zur gesetzlichen Rücklage und den weiteren Gewinnrücklagen in den engen Grenzen des § 301 S. 2 AktG i. V. m. § 14 Abs. 1 Nr. 4 KStG und § 17 KStG. Im Umkehrschluss verpflichtet sich der Organträger zur Übernahme der Verluste der Organgesellschaft im Rahmen der Organschaft.[30]
Um steuerrechtlich anerkannt zu werden, muss der Gewinnabführungsvertrag vor Beginn des Wirtschaftsjahres auf eine Dauer von mindestens fünf Jahren notariell beurkundet abgeschlossen, ins Handelsregister eingetragen und während der gesamten Laufzeit tatsächlich durchgeführt werden. Eine vorzeitige Kündigung des Vertrags ist nur unschädlich für die Anerkennung der Organschaft, wenn sie aus wichtigem Grund erfolgt.[31]
Die finanzielle Eingliederung zur wirksamen Durchführung der Organschaft liegt vor, falls der Organträger ununterbrochen von Beginn des Wirtschaftsjahres des Organs an die Mehrheit der Stimmrechtsanteile der Organgesellschaft besitzt.[32] Falls das Statut der Körperschaft eine höhere qualifizierte Mehrheit festlegt, wird diese als Voraussetzung für die wirksame Organschaft betrachtet. Der Organträger soll auf diesem Weg zur Durchsetzung seiner eigenen Interessen bei der Organgesellschaft in der Lage sein.[33]
Bei der Ermittlung der Stimmrechte dürfen neben unmittelbaren Beteiligungen auch mittelbare Stimmrechtsanteile berücksichtigt werden, soweit die zwischengeschalteten Gesellschaften ebenfalls die Voraussetzungen für die finanzielle Eingliederung erfüllen.[34] Für die Zusammenrechnung der verschiedenen Beteiligungen gibt es kein Additionsverbot. Die Stimmrechte müssen sich jedoch aus wirtschaftlichem Eigentum ergeben, daher sind z. B. Stimmrechtsvollmachten ausgeschlossen.[35]
Die Gesellschaften im Organkreis bleiben auch während der Durchführung der Organschaft körperschaftsteuerrechtlich selbständig und unbeschränkt steuerpflichtig, so dass das Einkommen für jede Gesellschaft zunächst getrennt ermittelt werden muss.[36]
Auf Ebene der Organgesellschaft mindert zunächst aufgrund der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz die Gewinnabführung den Unterschiedsbetrag auf der ersten Stufe der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 1 EStG. Auf der zweiten Stufe der Einkommensermittlung wird jedoch die handelsrechtliche Gewinnabführung wieder hinzugerechnet, um das zutreffende Einkommen[37] der Organgesellschaft zu...