Ohne an dieser Stelle näher darauf einzugehen, welche Kritik letztlich berechtigt ist und welche Punkte sich nicht auf den Globalisierungsprozess zurückführen lassen, soll im folgenden aber eine Seite der Globalisierung vorgestellt werden, welche tatsächlich erhebliche praktische Probleme mit sich bringt. Gemeint ist die Betrachtung der polit. Globalisierung oder, anders formuliert, die Fragestellung, inwieweit die Globalisierung die polit. Ebene erfasst hat. „Wenn wir uns die Frage stellen, warum wir uns hier über die Rolle der Politik in der Globalisierung unterhalten wollen, so ist es doch deshalb, weil wir feststellen müssen, dass der Spielraum der Politik - d.h. das Feld der Freiheit, in dem polit. Handeln mgl. ist - durch weltwirtschaftl. Entwicklungen, die mit der Globalisierung zusammenhängen, zunehmend eingeengt wird.“[98]
Will man aber untersuchen, inwiefern der Handlungsspielraum der Politik im Zuge der Globalisierung eingeschränkt wurde bzw. wird, so muss man sich darüber im klaren werden, dass die Globalisierung neue Probleme mit sich gebracht hat, die, gemessen an den Mglkt. einzelner Nationen nicht ohne eine globale Kooperation gelöst werden können.
Wenngleich, wie oben festgestellt, die Unternehmen selbst den Globalisierungsprozess maßgeblich vorantreiben, so ist es dennoch auch die Wirtschaft selbst, welche das erste Problemfeld im Zusammenhang mit den Wirkungen der Globalisierung darstellt.
Ein wichtiger Punkt ist dabei das Schlagwort „Standortwettbewerb“, also die Konkurrenz von Staaten um Produktionsfaktoren. Eine Hauptfolge der wirtschaftl. Globalisierung ist nämlich die den Unternehmen eingeräumte Mglkt., unterschiedliche Standortfaktoren in den verschiedenen Ländern für sich optimal auszunutzen. Wirtschaftl. Globalisierung bedeutet nicht nur die Erschließung neuer Absatzgebiete, sondern eben auch die Wahl neuer Produktionsstandorte. Die Attraktivität des Investitionsstandortes bemisst sich v.a. an Faktoren wie der Qualifikation der Arbeitskräfte, der Höhe der Löhne, der Höhe der Steuern, der Qualität der Infrastruktur oder an eventuellen Regulierungen. Wenn es also bspw., wie so oft, um die Senkung der Herstellungskosten für ein Produkt geht, wird das Unternehmen den Standort wohl eher in sog. Niedriglohnländer, also in Länder, in denen große Teile des Bruttosozialprodukts durch niedrig entlohnte Arbeitskräfte erbracht werden, verlagern. Wollen sich nun die einzelnen Nationen Unternehmensstandorte und die damit verbundenen Faktoren wie z.B. den Erhalt bzw. die Schaffung von Arbeitsplätzen oder aber die Steuereinnahmen, erhalten, so sind sie gefordert, den Unternehmen mglst. günstige Rahmenbedingungen zu schaffen. Ein in diesem Zusammenhang häufig anzutreffendes Schlagwort und gleichzeitig ein Hauptproblem des Standortwettbewerbes ist das des „Sozialdumpings“. Dies bedeutet, dass Anbieter aus Ländern, in denen nicht die gleichen arbeits- und sozialrechtlichen Standards gelten wie im eigenen Land, ökonomische Güter billiger anbieten und deshalb Länder mit höheren rechtlichen und sozialen Standards sowie höheren Löhnen dazu verleiten, diese abzubauen, um sich auf diesem Wege Wettbewerbschancen zu sichern.[99] Folge einer solchen Tendenz wäre zwar eine Flexibilisierung der Unternehmer, jedoch gleichzeitig auch eine Erhöhung des Ausbeutungsgrades der Arbeitnehmer.
Ein weiteres Problem, was sich aus den eben getroffenen Überlegungen ergibt, ist das der „unkontrollierbaren Multis“. Letztlich betrifft dieser Punkt, den bereits im Rahmen der globalisierungskritischen Bewegungen unter B III 1 angerissenen Fakt, dass die Unternehmen, welche primär auf internat. Ebene agieren, mittlerweile eine Dimension erreicht haben, welche eine Reglementierung ihres Handelns auf nat. Ebene nicht nur äußerst schwer, sondern sogar fast unmgl. macht. Der Hauptgrund hierfür dürfte darin liegen, dass die Länder, die sich, wie eben erläutert, ohnehin schon einem immensen Standortwettbewerb ausgesetzt sehen, im Falle von zu starken Kontrollen und Beschränkungen der Unternehmen eine weitere Welle von Standortverlagerungen befürchten, weil im Ausland die Mglkt. unternehmerischer Entfaltungen vielleicht etwas größer sind. Diese Angst führt jedoch dazu, dass Unternehmen im Einzelfall in der Lage sind, Regierungen gegeneinander „auszuspielen“ und, dass die Drohung, man werde den Standort wechseln, im Ergebnis dazu führt, dass sich nicht die Wirtschaft nach der Politik, sondern vereinzelt die Politik nach der Wirtschaft richtet.
Der internat. Wettbewerb, der besser als Kampf charakterisiert sein sollte, fordert aber auch noch an einer weiteren Stelle seinen Tribut: So führte insbes. der Steuerwettbewerb dazu, dass die Finanzierung öffentlicher Aufgaben weltweit sehr erschwert und schließlich in einigen Teilbereichen aus Gründen des Geldmangels der Öffentlichen Hand sogar zurückgefahren wurde.[100] Dies Problem betrifft dabei nicht nur die nat., sondern geht herunter bis zur kommunalen Ebene. Verdeutlichen lässt sich dies am Beispiel der staatl. Entwicklungshilfeausgaben der Industrieländer. So hatten sich die OECD-Länder in den 70er Jahren bzgl. des Umfanges ihrer Entwicklungshilfeausgaben eine Zielmarke von 0,7% des Bruttoinlandsprodukts gesetzt. Noch im Jahre 1992, auf der UNO-Umwelt- und Entwicklungskonferenz, wurde diese Verpflichtung erneuert. Tatsächlich nahm der Prozentsatz der Entwicklungshilfeausgaben am Bruttosozialprodukt danach stetig ab. „Nach jüngsten OECD-Zahlen liegt der Wert heute nur noch bei 0,22% des Bruttosozialprodukts.“[101]
Die wirtschaftl. Globalisierung stellt die Politik also v.a. vor das Problem des notwendigen Standortwettbewerbes. Der Konkurrenzdruck, insbes. der durch sog. Niedriglohnländer, droht dabei die Industrieländer dazu zu verleiten, Standortvorteile durch die Aufgabe garantierter, sozialer
Standards zu erlangen. Noch weiter verschärft wird diese Situation dadurch, dass internat. Unternehmen mit der Drohung von Standortverlagerungen bzw. -aufgaben eine für sich günstige Umgebung in den einzelnen Ländern zu erzwingen versuchen. Die Notwendigkeit, Unternehmen im einzelnen Land zu halten, um so v.a. bestehende Arbeitsplätze zu sichern, bzw. neue zu schaffen, führt schließlich dazu, dass Staaten in bestimmtem Maße auf Steuereinnahmen verzichten, was wiederum zur Folge hat, dass ihnen zu wenig finanzieller Spielraum zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben zur Verfügung steht.
Darüber hinaus birgt das durch die Globalisierung hervorgerufene Wachstum der Weltwirtschaft erhebliche Gefahren für die Umwelt. „Insbes. in Schwellenländern wird die Notwendigkeit des Umweltschutzes noch nicht erkannt und die Industrieanlagen verschmutzen die Umwelt.“[102] Hinzu kommt die verstärkte Nutzung der Umwelt als kostenloses Rohstofflager und als Deponie. Die daraus resultierenden Umweltgefahren und Umweltschäden sind mannigfaltig: Zu nennen sind bspw. die Luft-, Boden- und Wasserverschmutzung bzw. der Mangel an sauberem Trinkwasser, wachsende Abfallberge, der Klimawandel, das Ozonloch in der oberen Atmosphäre, gentechnisch veränderte Lebensmittel, die Abnahme der Ur- bzw. Tropenwälder, das Aussterben zahlloser Tier- und Pflanzenarten, die Abnahme der Bodenfruchtbarkeit oder die ungelösten Fragen der Atomenergie.[103] „Der mit diesen Problemen verbundene Produktions- und Konsumstil ist nicht globalisierbar: würden alle Menschen auf der Welt den gleichen Umweltverbrauch haben, so brauchten wir fünf Erdkugeln. Deshalb kann die Globalisierung, d.h. der Versuch der Industrieländer, ihr jetziges Wirtschaftssystem beizubehalten und überall in der Welt durchzusetzen, auf Dauer nicht gelingen.“[104] Auf der anderen Seite lassen sich die globalen Umweltprobleme aber auch nicht im Alleingang einzelner Nationen lösen.[105] „Solange aber verschiedene Staaten wirtschaftl. miteinander konkurrieren, besitzt ein Land mit schärferen Umweltschutz-Gesetzen in der Globalisierung einen Wettbewerbsnachteil ggü. einem Land mit geringeren Umweltschutzvorschriften.“[106]
Darüber hinaus bringt die globalisierte Welt auch globale sicherheitspolit. Probleme mit sich. In diesem Zusammenhang ist zunächst an die Tatsache zu denken, dass die Delinquenten nicht mehr nur aus dem eigenen Land, sondern vielmehr aus allen Teilen der Welt stammen, was eine Klassifizierung in bestimmte Tätergruppen erheblich erschwert, wenn nicht gar faktisch unmgl. macht. Darüber hinaus geht mit der Öffnung nat. Grenzen auch eine Zunahme der grenzüberschreitenden Kriminalität einher. Schließlich kann auch von einer Globalisierung der (organisierten) Kriminalität gesprochen werden....