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E-Book

Dein Angesicht GOTT suche ich

AutorPaul Josef Kardinal Cordes
VerlagMedia Maria Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl288 Seiten
ISBN9783945401774
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Der Hinweis auf die 'Gottvergessenheit' unserer Tage durchzieht wie ein roter Faden die Lehre und Verkündigung Joseph Ratzingers/Papst Benedikts XVI. Sein Appell nötigt dazu, eindeutig und verstärkt an Gott zu erinnern. Der allmächtige Gott hat die Weltgeschichte geprägt: Sein Handeln und seine Selbstbekundung schufen das Alte und Neue Testament. In der fortdauernden Heilsgeschichte faszinieren beeindruckende Glaubenszeugen und Heilige wie Teresa von Avila, Blaise Pascal, John Henry Kardinal Newman oder Charles de Foucauld. Paul Josef Kardinal Cordes möchte dem heutigen Menschen, der von der 'Gottesfinsternis' (Martin Buber) gequält ist, einen neuen Zugang zum oft vergessenen Gott eröffnen.

Paul Josef Kardinal Cordes wurde 1934 in Kirchhundem/Westfalen geboren. Er empfing 1961 das Sakrament der Priesterweihe, promovierte 1971 bei Karl Lehmann und wurde 1976 zum Bischof geweiht. Nach seiner Berufung in den Vatikan 1980 förderte er die neuen Apostolischen Bewegungen und initiierte die Weltjugendtage. Papst Benedikt XVI. formulierte 2010 in einem öffentlichen Glückwunsch: Du hast 'sofort das Lebendige gespürt, das da aufgebrochen war - die Kraft des Heiligen Geistes, der neue Wege schenkt und in unvorhergesehener Weise die Kirche immer wieder jung erhält'.

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Leseprobe

HINFÜHRUNG: VON KARDINAL RATZINGER ANGESPORNT – EINIGE ERINNERUNGEN


»Wenn der Heilige Vater mich nicht nochmals ausdrücklich darum bittet, komme ich nicht nach Rom.« Das sind die Worte, die Kardinal Joseph Ratzinger im November 1980 mir gegenüber äußerte. Er sagte sie nach der Bischofssynode »Die christliche Familie in der Welt von heute«. Bei dieser hatte er die wichtige Funktion des vom Papst »Delegierten Präsidenten«, und er war der Aufgabe mit gedanklicher Tiefe sowie sprachlicher Eleganz nachgekommen. Während der Versammlung des Weltepiskopats hatte er seine Bleibe im Collegio Teutonico, dem bekannten Studienhaus deutschsprachiger Kleriker auf vatikanischem Grund und Boden. Auch ich wohnte dort, seit ich zu Ostern desselben Jahres in den Päpstlichen Rat für die Laien berufen worden war.

Damals kursierte im Vatikan das Gerücht, Johannes Paul II. wolle sich den hochgeschätzten deutschen Theologen als engen Mitarbeiter sichern. Später – etwa in »Salz der Erde« (2010) oder »Letzte Gespräche« (2016) – macht der Umworbene keinen Hehl daraus, dass der Papst auf seiner Absicht hartnäckig insistierte und welche Einwände und Widerstände er selbst gegen sie anführte, um in Bayern zu bleiben.

Nach Abschluss der Bischofssynode war er sofort nach München geeilt und kam später nochmals in unser Haus, um einige zurückgelassene Habseligkeiten zu holen – sicher, dass sein Platz in der Heimatdiözese war. Es traf sich, dass wir uns dort kurz vor seinem Weggang am Aufzug des Kollegs begegneten. Obwohl wir uns nicht nahestanden – wir siezten uns damals noch –, riskierte ich eine indiskrete Herausforderung: »Herr Kardinal, werden Sie nun bald in den Vatikan kommen?« Seine Antwort habe ich schon erwähnt. Später musste ich aus ihr schließen, dass Papst Johannes Paul II. ihn nach unserer Begegnung offenbar noch einmal gedrängt hatte.

Die Verfügbarkeit Kardinal Ratzingers dem Papst gegenüber sowie das Hintansetzen seines eigenen Lebensentwurfs vertieften in mir den Respekt ihm gegenüber; sie kamen mir oft in den Sinn, wenn sich in der nun beginnenden anschließenden Zeit des gemeinsamen kurialen Dienstes unsere Wege kreuzten. Nach seinem Ortswechsel ergaben sich ja manche Gelegenheiten für Gespräche und Begegnungen.

Kardinal Ratzinger wohnte während seiner ersten römischen Monate im Kolleg. Wir nahmen die Mahlzeiten dort gemeinsam ein und hatten unsere Plätze in der vom Rektor vorgesehenen Tischordnung. Das bedeutete, dass ich ihm normalerweise gegenübersaß oder wenigstens in seiner Nähe.

Nachdem er eine eigene Wohnung in einem Apartment des Vatikans genommen hatte, kam er regelmäßig donnerstags zur Feier der Eucharistie ins Haus, sodass wir uns trafen und immer gemeinsam frühstückten.

Als ich gleichfalls aus dem Kolleg ausgezogen war und im Sant’Uffizio lebte, begegneten wir uns dort häufig, wenn er nach Büroschluss das Haus verließ und ich zur Mittagspause zu meiner Wohnung kam. Er nahm sich dann die Zeit, mit mir ein paar Worte zu wechseln.

Die Namenstage – St. Josef sowie St. Peter und Paul – waren uns durchweg Anlass zusammenzukommen, kleine Mitbringsel zu überreichen oder auch miteinander zu essen.

Als er im November 1992 unter die Mitglieder der französischen Académie des Sciences morales et politiques aufgenommen wurde, durfte ich ihn begleiten. Die feierliche Zeremonie für seine Aufnahme in den Kreis der sogenannten »Unsterblichen« der Académie française steht mir noch heute vor Augen.

Schon aus Gründen des vatikanischen Protokolls machten wir die Reisen Johannes Pauls II. miteinander. Beim zweiten Deutschlandbesuch des Papstes flogen wir Begleiter die verschiedenen Zwischenstationen in recht abgenutzten Militärhubschraubern mit wackeligen Sitzen und schlecht schließenden Fenstern an. Einmal stieg ich ein und fand einen verängstigten Kardinal, der in einer Ecke kauerte. Ich setzte mich zu ihm. Er darauf: »Da bin ich froh, dass du mit mir fliegst.«

Regelmäßig entfloh ich im August der römischen Hitze durch meinen Urlaub in Brixen/Südtirol. Mehrfach erholte sich dort auch Kardinal Ratzinger. Er wohnte im Brixener Priesterseminar. Wir trafen uns dann gelegentlich zu lockerem Gesprächsaustausch – über die Kirchenfragen und über theologische und pastorale Probleme.

So lernte ich durch all die Jahre den Wirklichkeitssinn und die feine Menschlichkeit des Kardinals kennen. In mir wuchs eine Beziehung zu ihm, die ich meinerseits als freundschaftliche Sympathie bezeichnen möchte.

Fraglos war es solches Beisammensein, das meine Öffnung für sein Wort und seine Weisung stark förderte. Ich hörte ihm genauer zu und lernte ihn besser kennen.

Er nahm mich für sich ein durch seine Aussagen zu Gottes Wort. Es waren die überraschenden, neuen Aspekte, die er in gewinnender, unverbrauchter Sprache darlegte. Das alles stand im Kontext einer zutreffenden, auch besorgten Sicht der Gegenwart und wurde mir zu wichtiger Mahnung sowie zu aufbauender Weisung.

Zunehmend imponierten mir der Scharfsinn seiner intellektuellen Wahrnehmung von Mensch und Welt und die Präzision seines Denkens. Damit stand ich nicht allein – wie etwa sein öffentlicher Dialog mit einem als führend geltenden deutschen Philosophen unserer Tage, Jürgen Habermas, in München (2004) zeigt.

Bei all der Reflexionskraft trübte sich nie seine Glaubenssicht auf Kirche und Welt. Mich persönlich – ich war damals Vizepräsident des Päpstlichen Laienrats – bestärkte etwa seine positive Wertung der neuen Geistlichen Bewegungen. Zwar hatte der heilige Johannes Paul II. vor ihm schon mehr als einmal gelehrt, dass die kirchliche Sendung neben der hierarchischen eine charismatische Dimension habe; ja, er hatte diese sogar »koessenzial« genannt.1 Doch stießen diese Bewegungen trotzdem in manchen Ortskirchen nicht selten auf wenig einsichtige Vorbehalte. So war ich froh, dass auch Kardinal Ratzinger sie guthieß und entschieden förderte.

Die neuen Geistlichen Bewegungen kamen seinem Wunsch entgegen, den Glauben personal zu verstehen. Später äußerte er, der jüdische Philosoph Martin Buber habe ihn beeinflusst, und dessen »Ich-Du-Prinzip« zähle wohl zum Ausgangspunkt auch seines eigenen philosophischen und theologischen Denkens.

In der Mitte seines Forschens, Schreibens und Betens steht die Gestalt des Gottessohnes. Sein dreibändiges Werk »Jesus von Nazareth« ist gleichsam seine Summa theologica. Sie wendet sich »gegen bestimmte Typen von Exegese«, die – wie er selbst sagt – die Wahrheit über den Herrn »einfach zerstören und zerreden«. Sogar als Papst wagte er es, sich »auf den Dschungelkampf der Details« einzulassen und »in diesen Streit einzutreten«. Wen faszinierte nicht solche Kenntnis und solcher Mut?

Andererseits ist seine Bescheidenheit entwaffnend. Einmal aß ich mit ihm allein zu Abend. Unser Gespräch kam auf das stupende Werk des Schweizer Theologen Hans Urs von Balthasar: dessen geniale Neuentwürfe der Glaubenswelt, seine Forschungen, seine Übersetzungen, der Aufbau eines Verlags und sein Anstoß zu der neuen Internationalen Zeitschrift, der Communio. Dann schienen beim Reden plötzlich für Kardinal Ratzinger er selbst und sein eigenes eindrucksvolles Œuvre total unwichtig. Er sagte unvermittelt über Balthasar: »Welche Gnade ist es, einen solchen Mann gekannt zu haben.«

All die kleinen Wegmarken und großen Zueignungen – Joseph Ratzinger würde sie wohl der »Vorsehung« zuschreiben – fügten es, dass mein Zutrauen in seine theologische Sicht und Weisung an Festigkeit gewann.

Besonders freute es mich verständlicherweise, dass Kardinal Ratzinger auch mir seinerseits Zeichen seines Wohlwollens gab. Meine Zuwendung zu ihm blieb demnach offenbar nicht unerwidert.

Am 5. September 2004 hatte ich einige Angehörige, Freunde und Bekannte nach Köln zur Vollendung meines 70. Lebensjahres eingeladen. Trotz eines vollen Terminplans machte auch er den weiten Weg nach Köln und gab durch seine Predigt dem Tag Glanz und geistliches Gewicht.

Eine andere Überraschung erlebte ich in den Tagen seiner Wahl zum Papst. Nach dem Tod des heiligen Johannes Paul II. war ich trotz allen dramatischen Getriebes zu einem wichtigen Termin nach Warschau geflogen. Anscheinend fiel Kardinal Ratzinger meine Abwesenheit auf. Nach meiner Rückkehr traf ich kurz vor Beginn des Konklaves am 18. April 2005 seinen Sekretär, Mons. Gänswein,...

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