Radtour von Budapest nach
Istanbul 2005
Wir haben den 28. August 2005 und meinen Freund Manfred und mich zieht es mal wieder hin zu spektakulären Fahrradtouren und so haben wir uns dieses Jahr vorgenommen, die Fortsetzung von Kaliningrad nach Budapest anzugehen und nach Istanbul zu radeln. Die Fahrt vor fünf Jahren von Kaliningrad nach Budapest wurde bereits mit viel Kopfschütteln kommentiert und so manch einer belächelte unser Vorhaben.
Nun bei unserem 2. Abschnitt sollte es von Budapest, also Ungarn über Serbien nach Rumänien, Bulgarien bis in die Türkei nach Istanbul gehen. 5 Länder in 2 Wochen und einer Distanz von ca. 2000 Kilometern. Da kamen dann Fragen auf wie „Habt ihr sie noch alle?“ oder „Wie kann man sich das nur freiwillig antun?“ oder „Wisst ihr wirklich, was ihr da tut?“ Diese Fahrt war eigentlich schon für den 17. September 2003 geplant. Genau an diesem Tag starb mein Vater, sodass aus der Tour nichts wurde. Die Identität des Datums beschäftigte mich lange und es kamen Gedanken auf, ob es sich hier wirklich nur um einen Zufall handelte.
Nun, fast genau zwei Jahre danach, wollen wir unsere Ost-Route bis an den südlichsten Punkt Istanbul fortsetzen. Erst einen Tag vor Abfahrt kam die innere Unruhe auf, auf die ich schon tagelang gewartet hatte. Bei Manni schien dieses schon früher der Fall gewesen zu sein, denn als ich ihn am Tag vor unserer Abfahrt besuchte, bekam ich von verschiedenen Seiten den Hinweis, dass Manni völlig durch den Wind wäre und wie “Falschgeld“ durch die Gegend läuft. Er hatte sein Fahrrad fein säuberlich im Garten aufgestellt, tip-top gereinigt und schraubte an seiner, wie ich sagen muss, bemerkenswerten Gepäckträgerkonstruktion herum. Wir stimmten noch einmal genau ab, wer welches Werkzeug mitnehmen sollte, damit auf keinen Fall bestimmte Teile doppelt eingepackt werden. Auch unser übriges Gepäck wurde abgeglichen, um ein wenig Gewicht einsparen zu können.
1. Tag – 28. August 2005
Am frühen Morgen um ca. 6.oo Uhr holte ich Manni mit dem Auto ab und wir machten uns auf den Weg nach Düsseldorf, wo unser Flugzeug nach Budapest um 11.30 Uhr starten sollte. Sonntagmorgen und gähnende Leere auf den Autobahnen. So hatten wir eine angenehme Fahrt und fanden auch etwas abgelegen einen Dauerparkplatz. Von dort aus radelten wir zum Flughafen bei schönem Wetter und einer jungfräulichen Morgenstimmung. Es sollte alles wieder so perfekt klappen wie bei unserer letzten Tour von Kaliningrad aus. Wir schraubten unsere Pedale ab, stellten die Lenker quer, ließen ein wenig Luft aus den Reifen und gaben unser Gepäck auf. Dann gingen wir Kaffee trinken und schauten uns die Starts und Landungen auf der Rollbahn an. Zum ersten Mal wurde die anstehende Tagesetappe besprochen und das Ziel festgelegt. Wir schwärmten uns gegenseitig vor, wie gut wir vorbereitet seien, wie effizient gepackt worden ist und dass zwei 59iger eigentlich durch nichts zu erschüttern sind. In dem Zusammenhang erzählte Manni mir, dass er noch tags zuvor sich jede Menge Backsteine in seine Packtaschen gestopft hatte um dann mit dem gesamten Gewicht noch einmal die Hausstrecke abzufahren. Ich habe mich schlapp gelacht, als er mir diese Geschichte erzählte. Aber nichts sollte dem Zufall überlassen sein. Und so waren wir denn auch guten Mutes, dass nichts schieflaufen könnte.
Die erste Pleite kam schon relativ schnell, denn bei der Sicherheitskontrolle wurde mein Pfefferspray reklamiert, das ich abgeben musste und unser Waffenarsenal war somit halbiert worden. Ich war deshalb ziemlich genervt und sah mich all den Kriminellen gegenüber, die auf unserer Route nur auf uns lauern sollten, ziemlich entwaffnet gegenüberstehen. Meine Ausgangssituation war ohnehin sehr bescheiden. Seit Wochen hatte ich massive Rückenbeschwerden, sodass Manni sogar mein Handgepäck tragen musste. Im Bereich des rechten Kniegelenks hatte ich eine Sehnenzerrung. Die letzten 5 Tage war ich täglich beim Zahnarzt, um eine entzündete Zahnfleischtasche spülen zu lassen, was jedes Mal eine ziemliche Tortur war und meine linke Gesichtshälfte machte mächtig Theater, sodass ich kurz vor unserer Fahrt noch den Neurologen aufsuchen musste. Wie man sieht, beste Bedingungen um ein solches Abenteuer bestehen zu können. Als nächstes erhielten wir die Mitteilung im Flugzeug, dass in Budapest Regen auf uns wartet mit Temperaturen von 16° C. Aber es sollte noch besser kommen, denn als wir unsere Fahrräder in Budapest zurückbekamen, freuten wir uns über das Kunstverständnis des Flughafenpersonals, das eine wunder-schöne acht in das Hinterrad von Mannis Fahrrad gezimmert hatte. Eine sehr unfreundliche, feiste Dame war zunächst nicht in der Lage uns zu sagen, wo wir die Räder bekommen könnten. Ich war wahrscheinlich so genervt, dass sie vielleicht die künstlerische Arbeit in Auftrag gegeben hat.
Während diese Frau an Unfreundlichkeit nicht zu überbieten war, bekamen wir an einem anderen Schalter für Touristenservice eine erstklassige und nette Auskunft, was genau zu tun ist und wo das Fahrrad repariert werden könnte.
Wir machten Mannis Fahrrad so gut es ging fahrtüchtig und fuhren mit gemäßigtem Tempo nach Budapest hinein. Abgase, Gestank und Lärm begleiteten uns. Die Straßen waren eine einzige Katastrophe. Wie gesagt, alles lief fast so perfekt wie bei unserer ersten Fahrt, aber eben nur fast. Zum Glück hatte sich der Regen und die Temperatur von 16 ° C nicht bewahrheitet.
In Budapest fanden wir ein gutes Zwei-Zimmer-Appartement und nahmen uns fest vor, den Abend schön ausklingen zu lassen. Wir gingen in eines der besten Straßenrestaurants direkt an der Donau und aßen Fisch, denn aus den vergangenen Radtouren hatten wir einiges gelernt, nämlich, dass man um Fleisch einen großen Bogen machen sollte bei hoher körperlicher Belastung, denn sonst kann es passieren, dass man bis spät in die Nacht hinein wach liegt, weil der Puls zu hoch ist. Ungarische Folklore verwöhnte unsere Ohren. Doch spätestens als die Musiker von Tisch zu Tisch gingen und schließlich auch bei uns ankamen, wurde es mir doch zu viel. Direkt neben meinem linken Tinnitus-Ohr wollte der Violinist sein Solo zum Besten geben. Ich erklärte ihm, dass das nicht ginge, da ich links Probleme hätte. Daraufhin schlug er vor, die Seite zu wechseln, was ich ihm aber ebenfalls ausreden konnte und so gingen sie dann endlich einen Tisch weiter. Auf dem Rückweg tranken wir noch an einem sehr schönen Stadtplatz ein Bier und genossen die entspannte Stimmung, die sich langsam breitmachte. Eine letzte Panne an diesem Tag musste ich feststellen, als ich meine Sachen abends packte und sah, dass jeder zweite Brausebeutel (mit Vitaminen und Mineralien) geplatzt war und die Hälfte in meiner Packtasche lag wo es nun mächtig klebte. Es war eben ein durch und durch erfolgreicher Tag.
2.Tag – 29. August 2005
Der Tag begann wie der vorherige endete. Geweckt wurden wir von dem tosenden Lärm eines Müllwagens direkt unter unserem Fenster und auf den Hotelservice mussten wir eine viertel Stunde warten, um unsere Schlüssel los zu werden. Das war ein kleines Büro, das sich zur Aufgabe machte, Appartements und Zimmer in der Innenstadt zu vermieten.
Wir fuhren nun los, und suchten eine Werkstatt für Mannis Fahrrad. Die meisten Werkstätten hatten noch gar nicht auf und andere waren nicht in der Lage, Rennräder zu reparieren. Schließlich half uns ein netter Ungar, der deutsch sprach, und gab uns den entscheidenden Tipp. Während der Reparaturzeit, die ca. 3 Stunden dauerte, bekam Manni ein Ersatzrad, sodass wir ein bisschen durch die Stadt radeln konnten und wir schauten uns bei der Gelegenheit das Parlamentsgebäude von außen an. Es war nunmehr zwei Uhr, bevor wir aus Budapest losfahren konnten, nachdem mir beim Aufpumpen meines Vorderrades das Ventil weggeplatzt war und ich einen neuen Schlauch einziehen lassen musste. Es dauerte über eine Stunde, um aus der Stadt heraus zu kommen, bei chaotischem Verkehr und einem kaum messbaren Sauerstoffanteil in der Luft. Die Straßen waren in einem erbärmlichen Zustand, da jede Menge LKW wegen einer nahegelegen Großindustriellenanlage unterwegs waren. Am Fahrbahnrand war der Asphalt teilweise so hoch gedrückt durch das Gewicht der LKW, dass ein Höhenunterschied zur Fahrbahn von über einem halben Meter die Folge war. Die LKW donnerten an uns vorbei, nebelten uns in ihre Düfte ein und jedes Mal machten wir innerlich ein Kreuzzeichen, dass wir auch diesen Wagen wieder überlebt hatten.
Durch die schlechte Straßenbeschaffenheit fing Mannis Sonderkonstruktion am Gepäckträger an zu rutschen, womit ich ehrlich gesagt auch irgendwann gerechnet hatte. Dadurch geriet seine Trägerstange an die Kette und ich vernahm hinter ihm ein ständiges Klack, Klack, Klack. Manni griff nach hinten, zog mit einem kräftigen Ruck den Gepäckträger nach oben, wodurch ein kurzes „Fiep“ ertönte, dass durch den Hinterreifen verursacht wurde. Dieses ständige klack, klack, klack mit dem endenden Fiep war mir schließlich so vertraut, dass man fast die Uhr danach stellen konnte, wann es wieder losgeht.
Nach 120 km hatten wir...