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E-Book

Auf dem Weg

AutorArthur Garfunkel
VerlagS. Fischer Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783104906164
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
***The Sound of Art Garfunkel*** Art Garfunkel schreibt über sein Leben vor, während und nach seiner Zeit mit Simon & Garfunkel - dem erfolgreichsten Duo aller Zeiten. Er erzählt von seiner Kindheit im Queens der 1940er und 1950er Jahre und der Entdeckung der eigenen Stimme, von seiner Freundschaft mit Paul Simon und ihrem ersten Erfolg als Tom & Jerry, vom Durchbruch mit 'The Sound of Silence', von ihren unterschiedlichen Persönlichkeiten und späteren Zerwürfnissen und berichtet offen über ihre Trennung ... Einfühlsam und poetisch nimmt uns Art Garfunkel mit auf seine ganz persönliche Reise zurück in die Zukunft.

Art Garfunkel wurde am 5. November 1941 in New York City geboren. Er ist Schauspieler, Musiker und studierter Mathematiker. Zusammen mit seinem Schulfreund Paul Simon gründete er 1957 Simon & Garfunkel. 1970 trennte sich das Duo, kam jedoch mehrmals wieder zusammen, u.a. für das legendäre Konzert im Central Park vor über einer halben Million Zuschauern im September 1981. Art Garfunkels Solokarriere umfasst zwölf Alben. Er lebt in New York.

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Leseprobe

I


Ich war mit den Nerven am Ende, als ich am 2. Januar 1969 mitten in der Nacht meine Sachen zusammenpackte. Da stand ich nun in meinem Junggesellen-Apartment mit den unverputzten Backsteinwänden auf der East 68th Street und war dabei, das Leben als frauenjagende Studioratte, das ich in den vergangenen vier Jahren geführt hatte, hinter mir zu lassen. Ich wollte mein Glück als Schauspieler versuchen. Als Popstar ohne Schauspielerfahrung war ich mir schmerzhaft bewusst, dass ich ein absoluter Quereinsteiger war.

Ja, die Panavision-Kamera ist quasi wie das Neumann-Mikrophon (die Leute bauschen Kleinigkeiten so gern auf), doch wie würde man mich in Mexiko unter den ganzen erstklassigen Schauspielern auf dem Gesellschaftsparkett willkommen heißen – unter Alan Arkin, Jon Voight, Orson Welles? Ich zitterte vor Angst, als ich mich am nächsten Tag auf den Flug in Mike Nichols’ dritten Spielfilm vorbereitete, den Nachfolger von Wer hat Angst vor Virginia Woolf? und Die Reifeprüfung – die während des Zweiten Weltkriegs spielende schwarze Komödie Catch-22.

*

Wieso hat Mike ausgerechnet mir die Rolle des Captain Nately, des Unschuldigen, gegeben? Was war mit meinem berühmten Gesangspartner? Solche Fragen stellte ich mir nicht. Ich war durch und durch von der Richtigkeit überzeugt, meine persönliche Hälfte von Simon & Garfunkel stärken zu dürfen. Paul schrieb die Songs. Paul spielte die Gitarre. Ich war der Sänger, Co-Produzent der Alben, der darauf wartete, dass die Songs für unser fünftes und letztes Album geschrieben würden. In meinen Augen hatte ich den Part des Unterlegenen.

Ich weiß noch, wie Paul als Schauspieler für diesen Film zur Diskussion stand. Oder anders ausgedrückt: Wir beide wurden gecastet und Paul dann fallengelassen. Musiker reden nicht viel. Wir waren zu cool, um verletzte Gefühle von innen nach außen zu kehren. Niemand nahm es Ringo übel, als er »They’re gonna put me in the movies« (Ich komme ins Kino) sang. Es stieß auf Zuneigung. Mike wusste, dass auch ich ein Recht darauf hatte. Erinnern Sie sich, er hatte früher ebenfalls einen brillanten Partner, in seinem Fall eine Frau.

Im Sommer 1969 brachte Mike den Film nach Rom, und Pauls Texte wandelten sich von »I know you’re part’ll go fine« – Worte einer tiefen Freundschaft (»The Only Living Boy in New York«) – zu »Why don’t you write me?« – Worte der Enttäuschung.

*

Ich habe diese Stimmbänder. Zwei. Seit ich fünf bin und mit dem Gefühl einer mich durchströmenden Gottesgabe zu singen begann, vibrieren sie vor Liebe zum Klang. In der sechsten Klasse fand ich einen Freund, der meinem Gesang sexy Gitarrenrhythmen und Gesangsharmonien beifügte. Zwölf Jahre alt waren wir, als der Rock ’n’ Roll geboren wurde. In unseren Zwanzigern machten wir ein paar besondere Aufnahmen. Sie erfreuten unsere Ohren und die auf der ganzen Welt. Ich versah diese Schönheiten mit Namen und Copyright.

*

Wieso habe ich ihm nicht geschrieben?

 

Es bestand kein Zweifel daran, dass Paul und ich unser Leben gegenseitig aufs Unermesslichste bereichert haben. Woher dieser Spleen, sich von diesem wundervollen Duo fortbewegen zu müssen? Aus Kränkung. Aus Verrücktheit.

Wenn Paul das Gefühl hatte, Mike habe es mir ermöglicht, »es ihm zu zeigen«, wer weiß, womöglich tat ich genau das. Wieso habe ich ihm nicht geschrieben? Wer sind diese beiden empfindsamen jüdischen Jungs, die so sehr geliebt werden von ihren Müttern? Wer wirft den ersten Stein, und wer erwidert ihn? Wessen Stein existiert nur in der Vorstellung? Wessen Stein ist real?

*

Ich wuchs unweit der Jewel Avenue und der Main Street im Stadtteil Queens in New York auf, als mittlerer von drei Jungs. Hitler war am Siegen im Jahr 1941, doch Rose und Jack brachten ein Kind nach Hause in ihr neues Backsteinhaus in den Kew Garden Hills.

Auf halbem Weg zwischen der Jamaica und der Forest Hill Highschool waren die Häuser Doppelhaushälften, mit zwischenliegenden Auffahrten und hintenliegenden Garagen, die sich wiederum neben drei mal neun Meter großen Rasenflächen befanden. Punchingball war das Größte. Zwölf von uns Jungs spielten es auf der Straße. Irgendjemand rief garantiert immer »Auto« und unterbrach damit das Spiel.

Ganz oft bin ich den Gully runter, in die Kanalisation, um den Hüpfball zu holen. Wir blätterten uns durch Baseball-Karten, fuhren Fahrrad (standen auf dem Lenker). Wir fingen Glühwürmchen, Japankäfer, wuschen uns fürs Abendessen – Abendmahl hieß es bei uns – oberhalb der Handgelenke, tagsüber spielten wir Schach und sahen uns abends die Brooklyn Dodgers im Fernsehen an, all das in unseren Veranda-Wintergärten. Die Abendspiele waren etwas Neues; die Dodgers spielten im Flutlicht, in weißer Seide. Duke Snider sah gut aus. Für mich aber war Stan Musial der stille König.

*

Das Bild eines Jungen unter Mänteln

 in einem Wintergarten während des Gewittersturms.

Er rückt seinen Stuhl dorthin,

 wo das Wasser eindringt,

  näher an das Blitzen und das Regenmeer.

 

Ein blinder Passagier ist er.

*

Wir gehörten zur unteren Mittelschicht. Mein Dad baute mir einen Klapptisch in mein Zimmer mit dem blauen Linoleumboden. Bruder Jerome wohnte am anderen Ende des Flurs. Wir tranken Starlac und Alba (ein verdünntes Milch-Imitat); darin wurde ein weichgekochtes Ei verquirlt. Ekelhafte kleine Eiweißtupfer schwammen obenauf.

Das Leben musste ein wenig grässlich sein. Also schuf Gott die jüdische »Sonntagsschule«. Bei meinem jüdischen Unterricht ging es rein gar nicht um einen fünftausend Jahre alten Glauben. Wer weiß schon, woran die Juden glauben? Uns nach der Schule vom Spielplatz fernzuhalten? Es ging um die Langeweile des Lesens, um das Abfragen dieser Zeichen, ohne die Bedeutung der Worte zu kennen. Es ging um das Hören der Worte von der hintersten Reihe aus, während ich das Schild meiner Kappe über die geschlossenen Augen gezogen hatte.

UND UM DAS SINGEN DIESER WORTE.

*

Mit neun sang ich »Too Young« von Nat Cole in den Talentwettbewerben der Grundschulen. In einem Schultheaterstück spielte ich Stephen Foster und sang.

Mein Mitschüler Paul Simon muss zugesehen haben. Ich kannte ihn damals noch nicht; und ich wusste auch noch nichts von der Wirkung, die ich mit meinem Singen auf die Mädels hatte. Doch in der Synagoge, in dem Tempelraum mit den hohen Decken und den mitschwingenden Holzwänden, da wusste ich, dass ich beim Singen dieser uralten andächtigen Melodien in Moll erwachsene Männer in den Reihen vor mir zu Tränen rührte. Paul Simon sagt, bei meiner Bar-Mizwa war es rappelvoll.

*

Nur im Geheimen konnte mein Singen entstehen.

Der Geschichte wird alles entgehen.

Die Winzlinge unter den Mikroskopen, sie warten,

 bis die Lichter des Labors aus sind,

und nachschauen wird kein einziger Wissenschaftler.

 

Alles wartet darauf, dass man es nicht bemerkt.

Alles Dokumentierte wurde nur für die Show aufgeführt.

 

Selbst Einstein applaudierte Köpfen, die klüger

 als sein eigener sein sollten,

die sich jedoch partout nicht auftreiben lassen wollten.

 

Die Wahrheit liegt im Innern, allein der Ersatz für sie ist manifest.

Napoleons Grandeur – die innere Unrast.

*

Ich traf Paul Simon bei unserem Abschlusstheaterstück, hinter den Kulissen von Alice im Wunderland. Wir standen kurz vor der Mittelstufe. Er war das weiße Kaninchen (das zu spät kam). Ich war die Grinsekatze. Er war ZUM WEGSCHMEISSEN. Damals hat er angefangen, mich zum Lachen zu bringen, und von da an konnten wir kaum das Kichern unterdrücken. Für ihn war ich der blonde Sängerjunge. Für mich war er der aufgeregte Junge von nebenan, der Sohn eines Bandleaders am Bass, der aus Newark in unsere Nachbarschaft gezogen war. Wie James Dean in … denn sie wissen nicht, was sie tun gab er den Außenseiter.

*

Singen ist ein Kitzeln hinten im Hals, ein Flattern im Bauchraum, der Stimmbänder, genannt Vibrato. Es wird von Gott durch das Herz gesandt, und es ist nicht analysierbar.

Manche Menschen können es einfach. Sie hören Radio und fangen an, das Gehörte nachzuahmen. Mit fünf oder sechs sang ich die Lieder, die dort liefen, wie etwa »You’ll Never Walk Alone«, und sie inspirierten mich. Ich hörte meine Eltern im Wohnzimmer »Bye Bye Blackbird« singen – zweistimmig. Dass ich das auch konnte, das bereitete mir eine Freude, die mich an Orte führte, wo der Nachhall Fortsätze an den Noten wachsen ließ – wunderbare Klangausdehnungen. Ich verliebte mich in den verstärkenden Effekt gefliester Räume, Gänge und Treppenhäuser. Wenn keiner zuhörte, probierte ich, schöne Vokallaute hinzubekommen, nur um meiner eigenen Ohren willen. Mein Privatvergnügen. Während ich rhythmisch über Gehwegritzen schritt, sang ich meine Melodie. Und sang sie danach in der nächsthöheren Tonlage. Ich war auf dem Weg in die Grundschule.

Schreibe das Gedicht laut heraus

Autorisiere das...

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