Risikofaktoren
Einfluss von Risikofaktoren auf die Intelligenzentwicklung
(Gabarino)
Zahl der Risikofaktoren Durchschnitts-IQ der Kinder
keine Risikofaktoren 119
ein Risikofaktor 116
zwei Risikofaktoren 113
vier Risikofaktoren 93
acht Risikofaktoren 85
"SOCIAL TOXICITY" SHOWING EFFECTS IN CHILDREN
Risikofaktoren für die kindliche Entwicklung sind unter anderem
Sowohl absolute Armut als auch relative Armut
Arbeitslosigkeit der Eltern
eine eigene Behinderung
Bildungsarmut der Eltern
Mutterlosigkeit
sehr junge Eltern
Vaterlosigkeit
Drogenmissbrauch der Eltern
psychische Krankheit der Eltern
eine hohe Anzahl an Geschwistern
Unterversorgung mit Wohnraum
Fast jedes Kind trägt einen Risikofaktor, doch erst das Zusammenwirken vieler Risikofaktoren führt zu einem messbaren Unterschied.
Das Konzept der multiplen Deprivation in der Praxis
In der Praxis konnte gezeigt werden, dass ein Risikofaktor alleine in vielen Fällen noch keine Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung hat. Wenn jedoch mehrere Risikofaktoren zusammenkommen, ist die kindliche Entwicklung gefährdet.
Es wurde untersucht, welchen Einfluss Risikofaktoren auf die intellektuelle Entwicklung des Kindes haben. Bei ein oder zwei Risikofaktoren scheint die Entwicklungsbehinderung nicht besonders gravierend zu sein. Ab vier Risikofaktoren war die kindliche Entwicklung jedoch stark beeinträchtigt.
In Deutschland wurde das Konzept unter anderem bei der AWO-Studie genutzt. Es konnte gezeigt werden, dass arme Kinder oft auch multipel depriviert waren. Das heißt, sie waren auch noch anderen Risikofaktoren ausgesetzt als nur der Armut. Diese Risikofaktoren lagen in der Grundversorgung, der Gesundheit, der sozialen Lage und der kulturellen Lage.
Folgen
Folgen schwerwiegender Deprivation können sein
Reaktive Bindungsstörungen im Kindesalter; Symptome gemäß ICD-10 abnormes Beziehungsmuster zu Betreuungspersonen (widersprüchliche soziale Reaktionen, Mischung aus Annähern und Vermeiden), Emotionale Störung (Mangel an Ansprechbarkeit, Apathie), psychosozialer Minderwuchs
Bindungsstörungen im Kindesalter mit Enthemmung; Symptome gemäß ICD-10 Diffusität im selektiven Bindungsverhalten während der ersten fünf Lebensjahre, Anklammerungsverhalten im Kleinkindalter, aufmerksamkeitssuchendes Verhalten in der frühen Kindheit, Schwierigkeiten beim Aufbau enger Beziehungen zu Gleichaltrigen, Störungen des Sozialverhaltens
Hospitalismus
Pseudodebilität
Zweiphasensystem VII & OUF
Säuglingsheim
Dauerheime für Säuglinge und Kleinstkinder in der DDR
Literatur
René A. Spitz. Vom Säugling zum Kleinkind. Naturgeschichte der Mutter-Kind-Beziehungen im ersten Lebensjahr, Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 1996, ISBN 3-608-91823-X (englische Erstausgabe The First Year of Life, 1965). Die Originalstudie wurde als „Hospitalism An Inquiry into the Genesis of Psychiatric Conditions in Early Childhood“, in The Psychoanalytic Study of the Child, Bd. 1 (1945), und „Hospitalism A Follow-Up Report“, in The Psychoanalytic Study of the Child, Bd. 2 (1946) publiziert.
John Bowlby. Maternal Care and Mental Health. World Health Organization, Genf 1952
Mary Ainsworth et al. Deprivation of Maternal Care. A Reassessment of its Effects. World Health Organization, Genf 1962
Josef Langmeier und Zdenek Matejcek, Psychische Deprivation im Kindesalter, Kinder ohne Liebe. Verlag Urban & Schwarzenberg, München 1977.
Walter G. Runciman Relative Deprivation and Social Justice a Study of Attitudes to Social Inequality in Twentieth-Century Britain (1966)
Im Internet
Rene Spitz's Film Psychische Erkrankung in der Kindheit (Psychogenic Disease in Infancy) (1957)
"Kinder ohne Liebe" 1963, gekürzte deutsche Fassung auf DVD, 2008
Resilienz (u.a. zu Risikofaktoren für die kindliche
Vulnerabilität
Resilienz
Hospitalismus
Klassifikation nach ICD-10
F43 Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen
F94.1 Reaktive Bindungsstörung des Kindesalters
F94.2 Bindungsstörung des Kindesalters mit Enthemmung
ICD-10 online (WHO-Version 2013)
Unter Hospitalismus (ursächlich auch Deprivationssyndrom genannt) versteht man alle negativen körperlichen und psychischen Begleitfolgen eines Krankenhaus- oder Heimaufenthalts oder einer Inhaftierung. Dazu gehören auch mangelnde Umsorgung und lieblose Behandlung von Säuglingen und Kindern, in der Psychiatrie Symptome infolge von Heimaufenthalt, Folter oder Isolationshaft. Der Ausdruck Deprivationssyndrom stammt vom Begriff Deprivation (lateinisch deprivare „berauben“) in Bezug auf Reize und Zuwendung.
Ursächliche Bezeichnungen
Je nach Ursache und Schweregrad spricht man beim Hospitalismus auch von psychischem Hospitalismus (Deprivationssyndrom, psychische Deprivation) oder von infektiösem Hospitalismus. Ist die Vernachlässigung hauptsächlich seelischer/emotionaler Art, spricht man von psychischem Hospitalismus (Deprivationssyndrom, emotionale Deprivation). Besteht die Vernachlässigung im Vorenthalten pflegerischer sowie fürsorgerischer Maßnahmen oder ist die seelische oder psychische Deprivation so schwerwiegend, dass sie sich sowohl seelisch als auch körperlich manifestiert, spricht man von infektiösem Hospitalismus. Eine klare Trennung der Termini kann jedoch nicht oder nur grob erfolgen, denn die Übergänge sind fließend, und es sind stets die individuellen Umstände zu berücksichtigen. Es wird davon ausgegangen, dass eine schwere seelische Deprivation auch körperliche Folgen nach sich zieht und umgekehrt bei schwerer pflegerischer Vernachlässigung auch psychische Symptome auftreten.
Hospitalismus in der ICD-10-GM
Je nach Art der Störung werden für die Bezeichnung Hospitalismus in der klinischen Praxis verschiedene ICD-10-Diagnoseschlüssel verwandt, nämlich folgende
Reaktive Bindungsstörung, ICD-10 F94.1 (dieser Diagnoseschlüssel wird meistens verwendet)
Ungehemmte Bindungsstörung, ICD-10 F94.2
Anpassungsstörung, ICD-10 F43
Ursächliche Differenzialbezeichnungen werden intern und individuell verwendet, besitzen jedoch keinen eigenen ICD-10-Diagnoseschlüssel.
Kaspar-Hauser-Syndrom
In Medizin und Psychologie verwendet man für die schwerste Form von Hospitalismus oft den Begriff „Kaspar-Hauser-Syndrom“ bei völligem Reizentzug in Kombination mit Misshandlung bzw. falscher Haltung/Einpferchung. Der Begriff wird sowohl für Kinder (selten) als auch für Tiere (häufiger) verwendet, die über lange Zeit völligem Reizentzug und Misshandlungen ausgesetzt waren und somit in ihrer Entwicklung gestört wurden. Es äußert sich neben körperlicher und geistiger Unterentwicklung auch in extremer Ängstlichkeit.
Ein Beispiel für das „Kaspar-Hauser-Syndrom“ (neben Kaspar Hauser selbst) ist die Geschichte des Hundes "Michi", der seit seinem sechsten Lebensmonat in einem Käfig in der amtlichen Hamburg-Harburger Hundeverwahrstelle gehalten wurde. Als dieser Hund in eine Familie kam, wies er deutliche Zeichen sozialer Deprivation auf. Er verhielt sich außerhalb des Zwingers extrem ängstlich. Selbst auf Hunde reagierte er zunächst ängstlich. Alle Reize der belebten und unbelebten Umwelt ängstigten ihn stark. Die beschriebene Kaspar-Hauser-Symptomatik kann wohl auf die isolierte Zwingerhaltung in Harburg zurückgeführt werden. Ein anderes Beispiel für das „Kaspar-Hauser-Syndrom“ sind Kinder aus den Waisen- und Kinderheimen in Rumänien, besonders unter der Herrschaft Ceau?escus. Im Heim „Cighid“ lebten bis 1990 über 100...