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Demokratisierung in der Organisation

Das Verantwortungsprinzip und das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit

AutorDietmar Borsch, Helmut Borsch
VerlagSchäffer-Poeschel Verlag
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl413 Seiten
ISBN9783791044224
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis62,99 EUR
Demokratisierung in der Organisation: Das Buch ist ein Versuch, das Verhältnis von individueller Autonomie und den Zielen von Führung und Organisation, also der sozialen Ordnung im Betrieb, neu zu durchdenken. Die Autoren plädieren für die grundsätzliche Weisungsfreiheit aller Mitarbeiter - einer im Rahmen der Rechtslehre im Bereich Management seit langem entwickelten Vorstellung - und beleuchten eine Reihe grundlegender Managementaufgaben aus dieser Perspektive. Führungskräfte erweitern ihr praktisches Wissen um alle Herausforderungen rund um die Themen Management, Mitarbeiterführung, Führungsorganisation und Organisationsrecht. Sie schaffen ein gemeinsames Verständnis für diese Themen im Unternehmen als Grundlage zukünftigen verantwortlichen Führungshandelns. Mitarbeitern bietet das Buch die notwendige Argumentationsgrundlage, um Veränderungen 'von unten' zu den Themen Mitarbeiterführung und Führungsorganisation durchzusetzen.

Helmut Borsch, studierte Öffentliche Verwaltung und Betriebswirtschaft. Er ist Bürgermeister a. D. und verfügt über jahrzehntelange Führungserfahrung in Unternehmen. Seit 1971 ist er als Dozent und Gesellschafter an den Harzburger Akademien tätig. Seit 1981 arbeitet er als Unternehmensberater. Er ist Autor mehrerer Studienbücher der afw Wirtschaftsakademie Bad Harzburg GmbH sowie des Loseblattwerks 'Haftung technischer Führungskräfte'. Er unterrichtet als Dozent an der Akademie für Volkswirtschaft Moskau.

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Leseprobe

Grundgedanken und Aufbau des Buches


Grundgedanken des Buches

Zusammengefasst liegen diesem Buch folgende wesentlichen Ideen und Überlegungen zugrunde:

  • In allen Organisationen wird eine vertikale Gewaltenteilung durch eine starke Stellung der Geschäftsleitung als »Zentrum« und eine weitgehende Dezentralisierung bis in die Peripherie1 realisiert.
  • Die die autoritäre Führung kennzeichnende Gesamtverantwortung der Führungspersonen wird aufgegeben, vorbehaltlich einer ethischen Bewertung des verantwortlichen Einstehens für das jeweilige Ganze, etwa bei Entscheidungen mit erheblichen Technikfolgen in ökonomischen Bereichen.
  • Verantwortung wird im Sinne von Antwort- und Rechenschaftspflichten eingefordert; Vertrauen ist unverzichtbar als sozialer Mechanismus in Beziehungen.
  • Zuständigkeiten werden durch das Subsidiaritätsprinzip geregelt: So wie in der Organisation jeder Beschäftigte vor dem willkürlichen Zugriff vorgesetzter Stellen geschützt wird, so werden höhere Stellen Hilfe leisten, wo »die kleine Einheit« ihr Erfolgsziel allein nicht erreichen kann.
  • Nach dem Kongruenzprinzip sind alle von einer Entscheidung Betroffenen am Zustandekommen dieser Entscheidung zu beteiligen. Dieses Prinzip rechtfertigt sich aus dem Verständnis von Menschen als selbstbestimmte Akteure, die Mitsprache bei den Angelegenheiten haben sollten, die sie betreffen, und deren Interessen bei der Entscheidungsfindung gleichgewichtig berücksichtigt werden sollten. (vgl. Take, 2012)
  • Die grundsätzliche Weisungsfreiheit aller Beschäftigten ist Voraussetzung für ihre Selbststeuerung, also »von sich aus« Entwicklungsprozesse herbeizuführen.
  • Das gesetzliche Weisungsrecht der Führungskräfte wird bei Sachaufgaben aufgegeben. Anstelle einer Weisungshierarchie entsteht eine Kompetenz- und Verantwortungshierarchie. Jeder Vorgesetzte2 nimmt sein Weisungsrecht ausschließlich im Rahmen der Führungsaufgaben wahr.
  • In Führungs-Mitarbeiter-Verhältnissen entstehen gegenseitige Sorgfalts- und Unterstützungspflichten in klarer Abgrenzung zur Handlungsverantwortung (alle Mitarbeiter in der Organisation) und Führungsverantwortung (alle Personen mit zusätzlichen Führungsaufgaben).
  • Zur vertikalen Gewaltenteilung gehört, dass Mitarbeiter nicht (wie beim Delegationsprinzip) im Namen eines Vorgesetzten oder der Geschäftsleitung handeln, sondern in eigenem Namen und in Vollmacht der Organisation.
  • Auf allen hierarchischen Ebenen erfüllen Menschen Sachaufgaben im Rahmen von Zielen, Kompetenzen und Handlungsverantwortung. Sachaufgaben der Führungskräfte sind Leitungsaufgaben.
  • Die herkömmliche Stellenbeschreibung wird aufgegeben und durch neue Dokumentationsmittel ersetzt. Soweit betrieblich erforderlich, gehören dazu der Stellennachweis sowie die Kompetenzmatrix. Beide sollten umfassend vereinfacht und möglichst – hauptsächlich aus Rechtsgründen (Arbeitssicherheit, Verkehrssicherungspflichten, Produkthaftung) – präzise gefasst werden.
  • Führung wird der zwischenmenschlichen Seite des Führungs-Mitarbeiter-Verhältnisses zugerechnet. Sie ist der personengerichtete Teil eines jeden Entscheidungsprozesses im Rahmen der Führungsaufgaben.
  • Bei vertikaler Gewaltenteilung gilt: Vorgesetzte delegieren nicht. Es ist delegiert; noch mehr: Ziele, Kompetenzen und die daraus resultierende Handlungsverantwortung werden verbindlich und dauerhaft dezentralisiert.
  • Bei der Organisationsgestaltung ist das Team ein Führungsmittel, das von Fall zu Fall zweckgerichtet eingesetzt wird, und zwar dann, wenn es eine Aufgabe zu lösen gilt, die ein Mitarbeiter allein nicht lösen kann oder lösen soll.
  • Jede Organisation muss effiziente Corporate-Governance-Strukturen und -Prozesse mit Compliance und Integrität etablieren.
  • Die originären Topaufgaben der Organisationsspitze sind von der Geschäftsleitung vorrangig wahrzunehmen und von Ressortaufgaben (als operative Aufgaben) klar zu trennen.
  • Die »Beauftragten-Organisation« ist im Hinblick auf die originären Aufgaben der Geschäftsleitung neu zu ordnen.
  • Die Führungsaufgabe höherer Vorgesetzter ist durch das Führungsmittel der Selbstinformation zu ergänzen.
  • Voraussetzung für eine weitere Demokratisierung sind eine klare Aufgabenteilung zwischen Geschäftsleitung und weiteren »Organen« sowie eine Aufwertung der Organe Aufsichtsrat und Beirat sowie Betriebsrat und Wirtschaftsausschuss.
  • Im Organisationshandbuch werden sämtliche innerbetrieblichen Rechtsnormen und wichtige Dokumente aller Art zusammengefasst.
  • Die Verantwortlichkeit von Führungskräften erstreckt sich auf Führungs- und Organisationspflichten sowie auf das Ziel, eine gerichtsfeste Organisation sicherzustellen.
Aufbau des Buches

Wir beginnen in Kapitel 1 »Einführung« mit der Einführung in das Buch, formulieren das Gesamtziel unserer Überlegungen zur Demokratisierung in Organisationen und erkennen, dass diese nur funktionieren kann, wenn sowohl die optimale Persönlichkeitsentfaltung als auch eine optimale Erreichung der Organisationsziele und die Erledigung der Sachaufgaben ermöglicht werden.

Zusätzlich geben wir unter Abschnitt 1.2 »Leitbegriffe« Hinweise zu bestimmten Leitbegriffen. Denn es ist zum Beispiel klarzustellen, dass die beiden Begriffe »Führung« und »Management« gleichbedeutend sind. Zu klären sind beispielsweise auch »Rechtsstaat« und »autoritäre Führung«. So gilt heute immer noch das GmbH-Gesetz aus dem Jahr 1892, das eindeutig den autoritären Führungsstil zementiert, der im vorigen Jahrhundert in kleinen und mittleren Unternehmen herrschte, wonach Führungskräfte und Mitarbeiter grundsätzlich keine eigenverantwortlichen Entscheidungen treffen dürfen. Wie kann eine weitere Demokratisierung einer GmbH über die bisher erreichten Fortschritte wie Mitbestimmung etc. hinaus erreicht werden?

Wir bieten hier eine Lösung an: Falls die vertikale Gewaltenteilung als Organisationsprinzip von der Geschäftsleitung beschlossen und Ziele, Kompetenzen und Verantwortung bis an die Peripherie der Organisation dezentralisiert werden, wird die allgemeine Subordinationsregel aufgehoben, dass Mitarbeiter grundsätzlich den Weisungen der Vorgesetzten unterworfen sind.

In Abschnitt 1.8 »Rechtsordnung« und Abschnitt 1.9 »Der Status des Mitarbeiters« findet der Leser insbesondere Artikel 2 des Grundgesetzes, der durch seine Anwendung den innerbetrieblichen Prozess der Demokratisierung erheblich fördern kann, sowie Hinweise zum Betriebsverfassungsgesetz, wonach sinngemäß dem Arbeitnehmer kraft seiner eigenen Souveränität ein weisungsfreier Eigenbereich verbleiben müsse.

Da wir in diesem Buch die Gewaltenteilung als tragendes Organisationsprinzip betrachten, unternehmen wir in Kapitel 2 »Staatsführung und Gewaltenteilung« einen Ausflug in die Entstehungsgeschichte dieses Begriffs. Wir leiten danach über zu Fragen der Demokratisierung in Staat und Gesellschaft, denn die Fragen der »Volksherrschaft«, der unmittelbaren Demokratie zum Beispiel in Parteien und Verbänden, die sich dem Demokratiegebot stellen müssen, haben direkten Einfluss auf Organisationen aller Art. Es ist ja auch allgemein bekannt, dass der demokratische Prozess in Parteien und Unternehmen gleichermaßen dringend transparenter, interaktiver und partizipativer werden sollte.

In Abschnitt 2.5 »Vertikale Gewaltenteilung in der Exekutive« gehen wir konkret auf die vertikale Gewaltenteilung in der Bundesregierung ein. Hier finden wir im Verhältnis Bundeskanzler–Bundesminister ein Beispiel für die organisatorische Demokratisierung in Führungs-Mitarbeiter-Verhältnissen. Hier setzt das Grundgesetz in diesem Fall an die Stelle des in Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung immer noch üblichen Vorgesetztenermessens mit umfassender Weisungsbefugnis die funktionsgerechte Arbeitsteilung in ein gegenseitiges Pflichtenverhältnis von Kanzler und Minister. Wir zeigen hier, dass das Grundgesetz in diesem Fall bedingungslos mit der autoritären Führung bricht.

In Kapitel 3 »Die Weisungsfreiheit des Mitarbeiters« behandeln wir die Weisungsfreiheit der Mitarbeiter als eine der Kernbotschaften weitreichender Demokratisierung in Verbindung mit dem Grundsatz der Subsidiarität. Hier legen wir die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde, wonach sich der Arbeitgeber hinsichtlich der Weisungsfreiheit entsprechend erklären kann. Dabei werden die Grenzen der Weisungsfreiheit deutlich, insbesondere in Krisensituationen und Notfällen.

Die vertikale Gewaltenteilung bedingt naturgemäß einen neuen Führungsstil, der das bisherige Führungsverhalten – oft autoritär und mit rechtlichen Risiken behaftet – ablöst. In Kapitel 4 »Führung und Führungsstile« gehen wir auf Führung und...

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