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E-Book

Der bittere Weg Teil 1

Heroin

AutorJens Otto Holländer
Verlagneobooks Self-Publishing
Erscheinungsjahr2018
ReiheHeroin 1
Seitenanzahl157 Seiten
ISBN9783742743138
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,99 EUR
Seit Jahren kifft J. und trinkt gerne auch Bier. Selbst harte Drogen hat er schon probiert. Doch seit 10 Jahren läuft alles recht normal. Dann, an einem freien Montag, er ist Friseur, trifft er in einem Cafe auf einen Mann, den er anspricht. Der nimmt ihn mit und nun hat J. eine Adresse, bei der er immer Heroin kaufen kann. Ein langsamer Abstieg beginnt. Nüchtern, sachlich, jedoch auch mit Humor beschreibt J, seine Suchtbiographie. Selbst der Richter, der ihn verurteilte, war beeindruckt.

Jahrgang 63. Friseur, dann FH und Studium zum Sozialarbeiter. Seit 30 Jahren suchtkrank. Stationen: Bundeswehr, Materialbuchhalter, Paketpost, Staplerfahrer , Fließbandarbeiter, Akkordarbeit, Blechstanzer, Lagerist, Student, Häftling, JVA Bücherei geleitet, zwei Therapien, aktiv in der Drogenarbeit uvm. Hobbies: schreiben, lesen, schwimmen, joggen, radfahren, essen, trinken.

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Leseprobe

Das Ende vom Anfang


Es war brütendheiß. Ich stand am Fenster im Schlafzimmer und wartete auf Anja, die meine Wohnung mieten wollte. Ihre Mutter hatte angerufen und mich auf etwas später vertröstet.

Meine Habseligkeiten, die ich wohl brauchen würde, hatte ich gepackt. Die Wohnung, so gut ich es hin brachte, geputzt. Viel Inventar war nicht mehr drin. Paar Bücher, eine Schrankwand mit Regal, eine kleine Spüle, Kühlschrank, etwas Geschirr, ein großer Karton mit ungeöffneter Post. Eine alte Matratze. Luft.

Nun war ich bereit zur Schlüsselübergabe.

Am kommenden Tag, Montag, sollte meine Entgiftung im Bürgerhospital, Stuttgart, beginnen. Und dann…Therapie.

Aber das war erst Morgen. Paar Stunden blieben mir noch.

Wenn doch die blöde Kuh endlich käme.

Ich hatte Angst vor dem Entzug. Und ich war völlig fertig. Es klingelte.

Mit einem Satz war ich an der Türe und drückte den Türöffner. Er funktionierte noch, oh Wunder. Der Rest der Wohnung war in einem schäbigen Zustand und der völlig abgenutzte Teppichboden, den zu erneuern ich mir beim Einzug vor einem Jahr, vorgenommen hatte, hielt mir täglich vor Augen, wie es um mich und meine Vorsätze stand.

Ich hörte Stimmen. Mit schwerem Gepäck kamen Anja, eine Auszubildende und ihr Begleiter, irgendein Typ, die Treppen hoch.

Wir stellten uns kurz vor, doch ich hörte gar nicht zu. Auf meine Frage, ob alles geklappt hätte, gab mir Anja 1000 DM Kaution. Zehn knisternde blaue Hunderter. Die Sonne ging auf in meinem düsteren Inneren. Nun hatte ich es sehr eilig. Ich hörte nur mit einem Ohr zu, während wir durch die Wohnung gingen und ich paar Fragen beantwortete.

Dann gab ich ihr meinen Schlüsselbund. Nun hatte ich nicht mal mehr einen eigenen Schlüssel in der Tasche.

Mit ein paar Floskeln und einem erzwungenen Lächeln, schnappte ich mir meine Stoff-Leder-Tasche aus Tunesien und verließ die Bude, in der Hoffnung, dass meine Eile nicht zu komisch wirkte. Aber es war ja auch egal. Zwei Stockwerke runter. Es roch muffig und staubig nach Keller. Ich war froh, dort weg zu kommen.

Die Hitze traf mich wie ein Hammerschlag. Es war Hochsommer, Sonntagmittag gegen zwei. Es war unglaublich heiß und im Auto kam man fast um vor Hitze. Ich stieg ein und mir brach augenblicklich der Schweiß aus. Jogi, den ich angerufen hatte, nachdem Anja eingetroffen war, hatte schon dagestanden. Wir düsten Richtung Innenstadt.

Dort kauften wir in den nächsten drei, vier Stunden für 800 Mark Kokain und fuhren dazwischen immer wieder zu ihm, wo wir es uns drückten (Injektion). Immer wenn es aus war- wieder ab in die City. Jogi sagte zu mir, ich sei die reinste Drogenvernichtungsmaschine. Ich saß auf seinem Sofa, nackt bis auf die Shorts, schweißüberströmt, mit zerstochenen blutigen Armen und riesen Pupillen. Ich war kurz vor dem Durchdrehen und fühlte die letzten Sicherungen langsam durchbrennen.

Es war ein Zwang weiter zu machen, immer weiter und weiter. Und wieder die Nadel ins Fleisch, auf der hektischen Suche nach einer Vene und dann die wenigen Sekunden, in denen dich das Koks in die Höhe reißt und dann der unbefriedigende totale Absturz. Mit zusammen gebissenen Zähnen saß ich da, keines Gedankens fähig und voller Frust und Gier nach dem nächsten Kick.

Irgendwann waren dann nur noch 200 Mark übrig. Es war gegen Abend, aber noch lange nicht dunkel und wir fuhren nochmal auf die Szene.

Inzwischen herrschte Hochbetrieb, denn sonntags kamen die Leute erst gegen Abend. Es wimmelte von Vermittlern und jeder wollte Dir seinen Schrott andrehen.

Nach einer Weile des Rumschauens, kaufte ich von einem Mädchen, das ich flüchtig kannte für 160 Mark Heroin, offen aus einem Beutel. Das Zeug sah gut aus und roch vielversprechend. Es war ziemlich dunkel und nach ein paar Sekunden auf der Zunge wurde es bitter. Das sah vielversprechend aus, so musste es sein. Sie warnte uns und meinte, das Zeug sei mordsstark. Jaja, winkte ich ab. Blahblah. Das Mädel sah allerdings völlig breit aus

Es dämmerte nun. Ich verabschiedete mich von Jogi. Er war, wie ich voll drauf. Wir kamen zusammen drauf. Ich gab ihm die Hälfte ab, er hatte schon etliche Male für mich bezahlt. Er ging, als würden wir uns morgen wieder sehen, doch ich ahnte, es war ein Abschied für sehr lange.

Bei einem Weihnachtsessen etliche Jahre später erfuhr ich, dass er vor Jahren an einer Überdosis gestorben war. Kein Unfall. Er wollte nicht mehr.

Nachdem Jogi weg war, schluckte ich die bitteren Gedanken runter und schlenderte vom Rotebühl Platz die Tübinger Straße entlang in Richtung Paulinenbrücke, wo es eine öffentlich Toilette gab. Mir war elend. Der bevorstehende Entzug und die anschließende Therapie lagen mir im Magen.

Das gesamte Geld war futsch. 1000 Mark weg. Verballert in paar Stunden. Ich war angespannt und fühlte mich ausgebrannt nach dem Kokainexzess und ich erhoffte mir nur noch einen guten Törn von dem Heroin, bevor ich zu meiner Mutter fahren würde, um dort die letzte Nacht zu verbringen. Der Gedanke ihr noch zu begegnen, gab mir den Rest. Bloß kein Psycho mehr heute. Ab morgen würde Schluss sein, es war nun alles egal. Ich war völlig fertig und ich konnte nicht mehr.

Dann war ich da. Ein paar Penner standen an der Treppe zum Klo runter und laberten mich blöde an. Ich schlappte die Treppe zum Scheißhaus hinunter und hoffte, dass es offen war. Es stank etwas nach Pisse und Zigarettenrauch. Es war offen.

Ich trat ein. Im Vorraum war alles voller Scherben, ein Spiegel war zu Bruch gegangen. Drei offene Zellen. Ich holte am Waschbecken Wasser, suchte mir die sauberste Toilette aus und schloss mich ein.

Einen Esslöffel hatte ich dabei. Mit den kleinen gab ich mich nicht ab. Als ich das H auf den Löffel schüttete, erschrak ich, weil es ganz schön viel war. Aber zwei Drucks? Einen für morgen früh? Nein. Lieber einen richtigen Knaller und überhaupt morgen war Feierabend, also gab ich Ascorbinsäure dazu (Vitamin C Pulver), dann Wasser, rührte mit dem Plastikkäppchen der Kanüle das Gemisch um und kochte es langsam und ganz behutsam auf. Ich war nun ganz ruhig. Vielleicht, nein hoffentlich, der allerletzte Druck. Nach einer halben Minute fing die Lösung an zu köcheln, schäumte kurz auf, voila, fertig. Ein köstlicher Duft breitete sich in der Toilette aus. Leicht säuerlich und so, wie gutes Dope beim aufkochen eben riecht. Als ich die cognacfarbene, leicht ölige Flüssigkeit, durch ein Stückchen von einem Zigarettenfilter in die Spritze aufzog, kamen mir nochmal Bedenken.

Ich stellte ein Bein auf die Schüssel, band den Arm ab und stütze ihn auf das Bein. Klopfte auf die die Stelle im Unterarm, wo ich die Vene vermutete. Und dachte: wenn Du wieder aufwachst, dann gehst Du auf Therapie, und wenn nicht, dann ist es auch o.k. Es war ein ganz unsentimentales Gefühl und ich wusste es war mir ernst. Angst vor dem Tod hatte ich nicht, und das Leben konnte nicht schlimmer werden.

Ich stach die Nadel durch die Haut und traf auf Anhieb eine Vene. Als ich ganz vorsichtig den Kolben anzog, schoss das Blut in einer kleinen, wirbelnden Fontäne in die Spritze und mischte sich mit dem Heroingemisch.

Dann drückte ich mir das Zeug mit einer zügigen Bewegung in die Vene.

Eine warme Welle und eine Euphorie, wie ich es lange nicht gehabt hatte, trugen mich weg. Es wurde immer mehr. Mein Kopf wurde heiß und ich rang nach Luft. Ich hatte den Geschmack nach Kaffee im Mund. Mir wurde schwindelig. Ich dachte noch: für dieses Feeling gehe ich durch die Hölle. Eine Hand presste mein Herz zusammen und mir blieb die Luft weg. Der ferne Straßenlärm und das Gelächter der Penner verschwanden. Ich spürte eine Beklemmung in der Brust und Panik stieg in mir auf. Mir wurde siedend heiß und ich dachte, ich muss hier raus. Beim Versuch richtig aufzustehen kam ich auf die Spülung, sah das Wasser rauschen, aber ich hörte nichts. Ich drehte mich zur Türe um und es wurde schwarz.

Ich wurde wieder wach. Das erste, was ich wahrnahm, war der Geschmack von Blut im Mund.

Mein Hemd war halb nass. Neben mir lagen Brille, mein Gürtel, Kippen, der Löffel, die Spritze, Feuerzeug und das leere Briefchen. Der Geldbeutel, mit knapp 40 Mark war auch noch da. Und meine Tasche aus Tunesien.

Ich hatte eine Beule und eine aufgebissene Lippe. Es war vielleicht eine halbe Stunde vergangen. Ich bog die Brille wieder gerade und setzte sie, schmierig wie sie war auf.

Ich war völlig deprimiert. Abwesend suchte ich meinen Kram zusammen, Pumpe und Löffel warf ich weg. Dann machte ich mich auf den halbstündigen Heimweg.

Ich war innerlich wie erstarrt. Jegliche Emotion in mir war erfroren.

Eine Stunde später war ich oben in der Wohnung meiner Mutter, schlich hinauf ins Gästezimmer und pennte sofort ein. Es war eine Etagenwohnung und mein Zimmer war oben auf der Empore.

Gegen Morgen erwachte ich und war mit einem Schlag hellwach. Die Panik traf mich wie ein Hammerschlag. Ich rannte runter zum Klo und musste mich übergeben. Es kam nicht viel und ich würgte vor mich hin. Ich wartete, bis sich meine Magennerven etwas beruhigt hatten und nahm eine dicke Dosis DHC Saft (Dehydrocodein), mit dem damals kurzzeitig substituiert wurde.

Meine Mutter war zum Glück bei der Arbeit. Wie immer hatte sie das Frühstück stehen lassen, obwohl ich nie frühstückte. Ich stellte das Zeug in den Kühlschrank. Dann nahm ich meine Tasche, verließ die Wohnung, warf den Schlüssel in den Briefkasten und holte mir beim Edeka zwei Chantre. Mit diesem Stoff im Gepäck und dann im Bauch, machte ich mich den Hügel hinab auf, in Richtung Hospital. Als mir die Wärme des Alkohols und des Codeins die Glieder und die...

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