[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Säen, gießen und beschneiden
Sie haben sich gefunden. Nun liegt die Liebe wie ein weiter Garten vor Ihnen.
Nehmen Sie Ihren Garten in Augenschein: Was macht Sie glücklich? Woran wollen Sie sich gemeinsam freuen? Wo wäre noch ein Plätzchen, um sich gemeinsam zu verwirklichen?
Erst mal gilt es, ein gemeinsames Tempo zu finden, sowohl für das Genießen als auch für die gemeinsame Arbeit. Sie werden gemeinsam Entscheidungen treffen, was einmal leichter und einmal schwerer fällt. Sie werden Zierpflanzen und Nutzpflanzen setzen.
Manchmal kann der Blick in Nachbars Garten inspirieren – dann kann sogar ein wenig Neid zu einer positiven Kraft werden.
Bevor Sie in diesem Kapitel graben, können Sie sich mithilfe folgender Checkliste einen Überblick verschaffen.
Checkliste »Säen, gießen und beschneiden«
Unser Lebenstempo
Ich denke, wir müssten unser Lebenstempo eher einmal verlangsamen. □ Ja □ Nein
Ich finde, in manchen Bereichen unseres Lebens könnten wir ruhig einen Zahn zulegen. □ Ja □ Nein
Unser Lebenstempo ist ganz ähnlich, wenn wir unsere Freizeit gestalten. □ Ja □ Nein
Unser Lebenstempo ist ganz ähnlich, wenn wir gemeinsam an etwas arbeiten. □ Ja □ Nein
Unsere Entscheidungen
Bei Entscheidungen geht es mir vor allem darum, etwas Tolles zu erleben oder etwas aufzubauen. □ Ja □ Nein
Bei Entscheidungen geht es mir vor allem darum, Gefahren und Risiken so klein wie möglich zu halten. □ Ja □ Nein
Ich entscheide eher nach meinem Bauchgefühl. □ Ja □ Nein
Ich entscheide erst, wenn ich eine Sache gründlich durchdacht habe. □ Ja □ Nein
Bei unseren Entscheidungen gebe ich vielleicht zu sehr nach. □ Ja □ Nein
Bei unseren Entscheidungen setze ich meine Vorstellungen vielleicht zu häufig durch. □ Ja □ Nein
Unsere Bindung
In meinem Elternhaus habe ich Geborgenheit und einen feinfühligen Umgang mit meinen Bedürfnissen erlebt. □ Ja □ Nein
Unter Stress neige ich etwas zum Anklammern. □ Ja □ Nein
Unter Stress neige ich manchmal dazu, mich zu distanzieren oder zu fliehen. □ Ja □ Nein
Es fällt mir leicht, deine Bedürfnisse zu erkennen und feinfühlig auf sie einzugehen. □ Ja □ Nein
Ich kann meine Gefühle und Bedürfnisse gut spüren und zeigen. □ Ja □ Nein
Mir fällt es leicht, mich trösten zu lassen, wenn ich traurig bin. □ Ja □ Nein
Mir fällt es leicht, Hilfe anzunehmen und mir etwas abnehmen zu lassen. □ Ja □ Nein
Mir fällt es leicht, so viel von mir zu zeigen, dass du mich auch verstehen kannst. □ Ja □ Nein
Unsere Gefühle
Ich bin in unserer Beziehung wohl diejenige/derjenige, die/der Gefühle offener mitteilt. □ Ja □ Nein
Du bist in unserer Beziehung wohl diejenige/derjenige, die/der Gefühle offener mitteilt. □ Ja □ Nein
Ich bin in unserer Beziehung wohl diejenige/derjenige, die/der sich von Gefühlen weniger mitreißen lässt. □ Ja □ Nein
Du bist in unserer Beziehung wohl diejenige/derjenige, die/der sich von Gefühlen weniger mitreißen lässt. □ Ja □ Nein
Wenn du Gefühle zeigst, dann verstehe ich die Botschaft deiner Gefühle und weiß, was sie mir sagen sollen. □ Ja □ Nein
Wenn ich Gefühle zeige, dann verstehst du die Botschaft meiner Gefühle und weißt, was sie dir sagen sollen. □ Ja □ Nein
Unsere Sehnsüchte
Ich bin in unserer Beziehung diejenige/derjenige, die/der mehr unerfüllte Lebensträume in sich trägt. □ Ja □ Nein
Manchmal bin ich neidisch auf das, was andere Paare oder Familien in ihrem Leben genießen. □ Ja □ Nein
Deine Lebensträume bringen mich manchmal unter Druck, weil ich das Gefühl habe, wir müssten noch mehr erreichen. □ Ja □ Nein
Ein gemeinsames Tempo finden
Nur selten haben Ehepartner das gleiche Lebenstempo. Wo sich der eine erst warmläuft, geht dem anderen manchmal schon die Puste aus. Die Unterschiede zeigen sich ganz früh: Manche Kinder sind immer in Bewegung, andere träumen auch einmal vor sich hin. Manche wollen immer Neues entdecken, andere lieben ihre Höhlen.
Solche Persönlichkeitseigenschaften bestimmen bis ins Erwachsenenalter unser Temperament. Später kommen andere Eigenschaften hinzu, die sich auf das Lebenstempo auswirken. Wer ehrgeizig ist, muss sich in Bewegung setzen. Wer sich dagegen gern in eine Sache vertieft, muss verweilen und anderes an sich vorüberziehen lassen. In der Liebe ziehen sich solche Gegensätze an.
Der Ruhige bewundert die Kontaktfreudigkeit seiner Partnerin – er ahnt noch nicht, dass zahllose Besuche über sein ruhiges Leben hereinbrechen werden. Die Ehrgeizige kommt bei ihrem gelassenen Partner zur Ruhe. Später wird sie seinen Lebensstil als Bedrohung erleben, weil sie auch die gemeinsamen Ziele sehr hochsteckt.
Während des Verliebtseins treffen sich zwei Menschen häufig in der Mitte und jeder genießt die Veränderung des eigenen Lebenstempos. Mit dem Alltag kehren jedoch die alten Gewohnheiten zurück und fordern im gemeinsamen Leben ihr Recht. Dann drückt ein Partner aufs Gaspedal, während der andere bremst. Das setzt beide unter Stress.
Der Langsamere fühlt sich angetrieben und seiner Lebensqualität beraubt. Den schnelleren Partner packt die Angst, zu verkümmern und das Leben zu verpassen. Auf der Instinktebene betrachtet: Während einer den Herztod des Gejagten fürchtet, fürchtet der andere den Tod des lebendig Begrabenen.
Wichtig ist, dass beide wieder eine sichere Basis spüren: »Ich verstehe dich in deinen Bedürfnissen und schenke dir, was du zu deinem Glück brauchst.« Wie das praktisch werden kann, mag folgendes Beispiel zeigen.
Wenn Ruhe nervös macht
Micha bietet gern seine Hilfe an. Am Wochenende rufen manchmal mehrere Bekannte an, die seinen Rat oder seine Unterstützung suchen. Nach einem Ausflug mit seiner Frau macht Micha meist noch einen Umweg, um sich bei jemandem um ein Computerproblem oder Ähnliches zu kümmern. Hanna wird dann zwar auch immer freundlich empfangen, aber eigentlich sind ihr die vielen Besuche zu viel. Am Wochenende sehnt sie sich nach Ruhe und Zweisamkeit.
Einmal hat Hanna vorgeschlagen, dass sie am Samstagabend mit Freunden ins Kino gehen und das übrige Wochenende gemütlich zu zweit verbringen. Im Laufe dieses Wochenendes wurde Micha aber immer gereizter. Die erzwungene Ruhe machte ihn nervös. Die vielen Stunden kamen ihm unausgefüllt und langweilig vor.
In solchen Momenten fragen sich beide Partner, wie sie je einen gemeinsamen Rhythmus finden sollen.
Eine naheliegende Lösung ist für Micha und Hanna befreiend: Auch wenn sie unter der Woche nicht viel Zeit miteinander verbringen konnten, müssen sie nicht das ganze Wochenende zusammen sein. Wenn Micha am Samstagmorgen schon einige Besuche und Telefonate erledigt hat, kann er einen Nachmittag zu zweit im Grünen genießen. Und Hanna, die schon einen gemütlichen Morgen und einen entspannten Nachmittag hinter sich hat, geht dann abends gerne unter Leute.
Auf eine Formel gebracht, hieße diese erste Lösung: Auszeiten schaffen, in denen jeder in seinem Tempo leben kann.
Verlangsamen und Beschleunigen
Zwei weitere Lösungen sind schwieriger umzusetzen: Verlangsamen und Beschleunigen.
Was würde es für Micha bedeuten, sein Lebenstempo etwas zu drosseln? Schnellen Menschen begegnet dabei meist eine innere Leere. Wer einmal Schweigetage im Kloster erlebt hat, kennt vielleicht das unbehagliche Gefühl, vor scheinbar leerer Zeit zu stehen. Ein hilfsbereiter Mensch wie Micha wird sich wahrscheinlich nutzlos fühlen, wenn er einmal »nichts« tut. Andere sehen ihre Konkurrenten an sich vorüberziehen oder haben die Vorstellung, dass sich gerade jetzt anderswo das richtige Leben ereignet.
Doch wenn schnelle Menschen solche Gefühle eine Weile ertragen, dann entdecken sie die Qualitäten eines verlangsamten Lebens: Sie werden achtsamer und leben im Augenblick. Sie spüren sich selbst besser und erkennen ihre wahren Bedürfnisse. Sie entdecken, wie Erlebnisse in ihnen nachklingen und wie interessant es ist, sich mit dem Partner darüber auszutauschen.
Auch die Langsamen können Neues entdecken. Wenn Hanna ihr Lebenstempo beschleunigt, wird sie – wie alle Langsamen, die Fahrt aufnehmen – ab und zu aus dem inneren Gleichgewicht geraten. Hanna ist lieb und gewinnend, sie kann sich zurücknehmen und spürt schnell, wie sie auf andere eingehen muss. Dadurch fällt sie anderen nicht zur...