MITARBEITERLEBENSZYKLUS: DER ETWAS ANDERE PRODUKTLEBENSZYKLUS
Im Marketing ist vor allem eines wichtig:
herauszufinden, warum die einen Produkte
so erfolgreich sind und die anderen zum
totalen Flop werden. Welche Hilfsmittel
haben Manager, die ihre Produkte zu
Cash Cows werden lassen, oder um
rechtzeitig zu erkennen, wann das Produkt
sich am Markt nicht etablieren kann?
Gibt es hier eine Leitlinie oder so etwas
wie ein eisernes Gesetz, woran sich die
Marketingverantwortlichen halten müssen?
Ich musste in all den Jahren erkennen, dass es dieses Gesetz tatsächlich gibt. Im Grunde genommen orientiert es sich am Grundmodell des Produktlebenszyklus. Um den Mitarbeiterlebenszyklus besser zu verstehen, ist es von großer Bedeutung, die fünf wesentlichen Phasen des Grundmodells des Produktlebenszyklus zu verstehen.
Abbildung 1: Die Kurve des Produktlebenszyklus
EINFÜHRUNGSPHASE
Das Produkt wird erstmalig am Markt eingeführt und hat zu Beginn mit Kaufwiderständen zu kämpfen. Der gezielte Einsatz von Werbung, PR und verkaufsfördernden Maßnahmen sowie eine aggressive Preistaktik sind die wichtigsten Elemente einer Einführungsstrategie im Marketing. In der Einführungsphase entscheidet sich bereits, ob das Produkt am Markt überleben kann oder ob es ein Flop wird.
PHASE DES SCHNELLEN WACHSTUMS
Diese Phase ist erreicht, wenn das Produkt grundsätzlich am Markt eingeführt wurde und anfängt, ohne Unterstützung durch die Marktkommunikation zu wachsen. Gezielte Werbung kann nun jedoch das Wachstum beschleunigen. Preis- und Konditionspolitik wird jetzt immer wichtiger, weil Konkurrenten versuchen, ähnliche oder gleiche Produkte auf den Markt zu bringen und damit von den Einführungsanstrengungen des Erstanbieters kostengünstig zu profitieren.
REIFEPHASE
Produktreife liegt vor, wenn das Produkt sich so weit am Markt etabliert hat, dass das Wachstum stagniert. Es stellt keine Neuigkeit, keinen Trend mehr dar, aber im besten Fall ein Must-have. Ein Unternehmen sollte danach streben, die Reifephase so weit wie möglich zu strecken, weil sie zumeist die profitabelste ist. Erhaltungsmarketing und Produktdiversifikation sind hier angesagt, um weitere Marktsegmente zu erschließen.
SÄTTIGUNGSPHASE
DiesePhaseisterreicht,wennkeinezusätzlichenMärkeundMarktteilnehmer mehr zu erschließen sind. Die Nachfrage ist also nahezu befriedigt und hängt im Wesentlichen nur noch von Größen wie der technischen Lebensdauer des Produkts (Erstkäufer), dem Bevölkerungsdurchsatz (Neukäufer) und dem Wandel von Mode und Geschmack (Erneuerungskäufer) ab. Weitere Diversifikation und erste Preissenkungen sind charakteristische Strategien für diese Phase.
DEGENERATIONSPHASE
Diese Phase liegt vor, wenn der Absatz des betrachteten Produkts irreversibel zurückgeht, also absehbar ist, dass das Produkt nicht mehr lange am Markt vorhanden sein wird. Das Produkt sollte aber so lange am Markt gehalten werden, wie seine Deckungsbeiträge positiv sind und zumindest mittelfristig eine über dem Break Even liegende, also kostendeckende Menge verkauft werden kann.
Kurzum: Es überlebt kein Produkt ewig am Markt. Zwischen der ersten Produktidee und dem letzten Verkauf eines Produkts kann eine Menge passieren. Die Eigendynamik des Wettbewerbs fordert, dass Marketingstrategien im Verlauf der Lebenszeit eines Produkts den Gegebenheiten angepasst werden.
Nun ja, was hat das ganze jedoch mit derTheorie des Mitarbeiterlebenszyklus zu tun? Besteht hier überhaupt ein Zusammenhang? Ja, zwischen dem Produkt- und dem Mitarbeiterlebenszyklus bestehen Ähnlichkeiten, die ich im Folgenden erläutern werde.
Das Konzept des Mitarbeiterlebenszyklus geht von der Annahme aus, dass ein Mitarbeiter während seiner Beschäftigung in einem Unternehmen verschiedene Phasen durchläuft – wie ein Produkt von der Einführungs- bis zur Degenerationsphase.
Die Mitarbeiterlebenskurve wird im Gegensatz zum Produktlebenszyklus in nur vier Phasen unterteilt. Diese reichen völlig aus, um ein genaues Bild der Mitarbeiterentwicklung und deren Auswirkungen auf das Umfeld (Unternehmer, Kollegen, Familie usw.) darzustellen. Diese sind:
- Die Rekrutierungs- und Einführungsphase (Onboarding, auch Aufschwungphase)
- Die Wachstumsphase
- Die Reifephase
- Die Abschwungphase (auch Gewohnheitsphase)
Abbildung 2: Angepasste Mitarbeiterlebenszykluskurve
Jeder Mensch durchläuft im Verlauf seines beruflichen und privaten Lebens unterschiedliche Phasen. Im beruflichen Bereich könnte ein Jobwechsel in ein neues Unternehmen oder eine interne Beförderung einen Phasenwechsel darstellen. Auch eine Kündigung seitens der Geschäftsleitung stellt einen markanten Einschnitt dar. Im privaten Bereich wird ein Phasenwechsel eingeleitet, wenn man beispielsweise eine neue Beziehung eingeht und sich dadurch innere Werte und Einstellungen verschieben. Auch eine Heirat, Kinder oder ein neues Umfeld mit neuen Freunden können Menschen auf eine andere Ebene, oder besser gesagt, auf eine andere Zyklusstufe heben. Diese Phasenwechsel möchte ich mit einer kleinen Geschichte über eine Führungskraft, die ich sehr gut kenne, veranschaulichen:
Herr Karl begann als Lehrling vor 25 Jahren in einem Unternehmen, das gerade am Beginn ihrer Expansion stand. Herr Karl machte in diesem Unternehmen Karriere. Nach seiner Lehrzeit, die er hervorragend abschloss, wurde er als Verkäufer im Unternehmen eingestellt. Er war extrem ehrgeizig und machte in kürzester Zeit (innerhalb eines Jahres) einen Karrieresprung zum Abteilungsleiter. Erstmals mit Personalverantwortung betraut, konnte er auch diese Aufgabe zur vollsten Zufriedenheit seines damaligen Chefs erledigen. Herr Karl war so auf die Arbeit versessen, dass er alles andere um sich herum nicht mehr wahrnahm. Seine Freunde wollten nichts mehr von ihm wissen, da er ja sowieso keine Zeit für sie hatte. Eine feste Beziehung einzugehen, stand zu dieser Zeit nie zur Debatte. In dieser Zeit war er so hungrig nach Erfolg, dass er kein Fortbildungsseminar ausließ, das im Unternehmen angeboten wurde. Das Managen musste ja irgendwie gelernt werden, zumindest in der Theorie. Rhetorik, Besprechungstechnik, Mitarbeiterführung, Persönlichkeitsbildung gehörten für ihn zu den Dingen, die ein zukünftiger Top-Manager einfach beherrschen muss.
Sich mit all diesen Themen auseinanderzusetzen, machte ihm eine Menge Spaß. Er lernte viel und schnell, sodass er weiter befördert wurde und die Erfolgstreppe emporstieg. Mittlerweile war er schon Marktleiter und voll verantwortlich für alle betriebswirtschaftlichen Kennzahlen und für immer mehr Mitarbeiter. Nach einigen Jahren wurde Herr Karl wieder befördert, dieses Mal zum Gebietsleiter. Auch in dieser Position galt nur eines, nämlich Erfolg um jeden Preis. Dem Eigentümer konnte gar nichts Besseres passieren, als so einen engagierten Mitarbeiter in den eigenen Reihen zu haben. Herr Karl war ein Vorzeigemitarbeiter für die gesamte Belegschaft, ein Aushängeschild für eine Musterkarriere, an der alle sehen konnten, dass man mit Fleiß und Ehrgeiz alles in diesem Unternehmen erreichen kann. Alsbald wurde Herr Karl in den Vorstand für Vertrieb, ins Top-Management befördert – dahin, wo sprichwörtlich die Luft immer dünner wird. Hier sind echte „Steher-Qualitäten“, das Beherrschen der hohen Kunst der „psychologischen Kriegsführung“ von großer Bedeutung. Am Anfang lief es für Herrn Karl gar nicht so schlecht. Es gab sogar noch eine kleine Beförderung zum Gesamtvorstand für Vertrieb/Einkauf/Logistik. In dieser Position konnte er sich jedoch nicht lange halten, und es begann der unausweichliche, rasante Abstieg.
Sie werden sich jetzt folgende Fragen stellen: Was ist schiefgelaufen? Warum konnte Herr Karl sich in dieser Position nicht mehr behaupten? Warum kam für Herrn Karl das plötzliche Aus? War nicht schon vorher absehbar, dass er dieser Aufgabe nicht mehr gewachsen war? Warum hatte der Manager nicht erkannt, dass er am Limit seiner Leistungsfähigkeit stand? Wie so oft im Leben erkennt man ein Problem erst dann, wenn es zu spät ist. Ich möchte Ihnen jedoch nicht vorenthalten, was in dieser Fallgeschichte schieflief und vor allem, zu welchem Zeitpunkt es schon erkennbar hätte sein müssen, dass Herr Karl seine große Aufgabe nicht mehr bewältigen konnte.
An diesem Beispiel ist der Verlauf des Mitarbeiterlebenszyklus sehr deutlich zu erkennen. Die Aufschwungphase begann, als Herr Karl sich mehr als alle anderen Mitarbeiter für das Unternehmen einsetzte. Dadurch fiel er seinen Vorgesetzten immer wieder positiv auf. Sein Engagement war einzigartig, und es gab keine Minute, in der er nicht an das Unternehmen dachte. Er war für den Unternehmer ein Mitarbeiter, der leicht zu führen war und von hohem Eigenantrieb geprägt war. Herr Karl war ein Mitarbeiter, der zu allem Ja sagte, auch wenn dies bedeutete, seine Familie und sein Privatleben immer mehr in den Hintergrund zu rücken. In der Anfangsphase war er kreativ, immer offen für Neues und sehr flexibel. Keiner konnte ihn stoppen. Er wusste ganz genau, wohin er wollte, und ging dann konsequent seinen Weg.
Wer sich schnell entwickelt und dann plötzlich einen Rückschlag erfährt, kommt oftmals nur schwer darüber hinweg – manche schaffen das sogar nie. In der Aufschwungphase kommt es sehr schnell zu Karrieresprüngen. Die Psyche kann mit diesem...