Vorwort und Danksagung
Während meines Psychologiestudiums kam ich in Kontakt zu einem Kommilitonen, der als Quereinsteiger dasselbe Studiengebiet aufnahm, nachdem er sein Theologiestudium aufgegeben hatte. Wir unterhielten uns über unsere Weltanschauungen, man könnte sagen über Gott und die Welt. Und ich frug ihn, warum er seinen vormaligen Weg nicht nur abgebrochen hatte, sondern auch kein Christ mehr sein wolle. Dabei sagte er, er könne den christlichen Mythen und die aus dem Orient entlehnten Mythemen und den synkretistischen Konstruktionen, die in das Christentum einflossen, keinen Glauben mehr schenken, ja, noch provokanter, er frug mich: „Du glaubst doch auch nicht, daß wir Menschen dadurch sterblich und moralisch verderbt wurden, weil Eva in einen Apfel gebissen hatte und ihr Mann Adam fraglos von diesem kostete?“ Ja, was sollte ich darauf antworten, wurde ich doch religiös erzogen und gehörte dies zur unhinterfragbaren „Wahrheit“, denn wenn es nicht diesen „Abfall“ von der vertrauten Verbindung zu Gott gegeben hätte, gäbe es auch keine Erlösungsnotwendigkeit, gäbe es auch keine Notwendigkeit der Gewissensprüfung, ob ich noch in der Liebe zu Gott wandele oder nicht, gäbe es auch keine Hoffnung auf Unsterblichkeit und einer „Heimkehr ins Paradies“ (vgl. 1. Korinther 15:12-17). Ich konnte nicht mit Fakten aufwaten, wollte auch nicht als „Tor“ oder verblödet gelten, weil ich an sowas glaube. Mit den Worten Dr. Dr. MICHAEL LÜTGEs: „Ob ein Christ auf eine spätere himmlische Heimat oder einen Umbau der Welt zur Heimat hofft – es ist beides gegen das Realitätsprinzip Freuds. Es ist wahnhafte Verkennung der realen Möglichkeiten. Von daher erinnert schon der Satz des Paulus, das Wort vom Kreuz sei Juden Ärgernis und Griechen Torheit (1 Kor 1,18ff), an die damalige Ausgrenzung der Christen und ihrer Gedankenwelten. Die Christen wurden vom Beginn ihrer Ostervisionen und Pfingstbegeisterungen an für Verrückte gehalten. Man versuchte ihre Erzählungen als Märchen oder Lügen zu überführen, zu widerlegen oder machte sich lustig über sie. Der Streit um die Wirklichkeit war ein Streit konkurrierender Sektengruppen des Römerreiches um die richtige Deutung der Welt. Dieser Streit ist ein Diskurs der Macht und das Christentum hat erstaunlicherweise genügend mächtige Verbündete gewinnen können, um ihn für sich zu entscheiden. Die Mythen der Religiösen Gruppen hatten allesamt irre Züge, Anschauungen, die wir heute nur noch als Märchen ohne Anhalt an der Realität bezeichnen können. Selbst Wundergläubigkeit war verbreitet in der späten Antike. Und doch galten die christlichen Vorstellungen als Torheit.“1 Und natürlich erschien des Schöpfers Verhalten (Ausstoß des Urmenschenpaares aus dem Garten Eden, das der Schöpfer für diese geschaffen hatte; Gebundenheit an den irdischen Körper nebst Leiden an demselben und seiner Begrenzungen, Mühsal) an dem kindlichleichtgläubigen Handeln Evas, dem aus Treue zur ihr erfolgten „Fehlgriff“ Adams als unverhältnismäßig streng. Natürlich wurde mit der Frage meines Kommilitonen auch die Frage am Gottesbild angerissen, der seinen „Sohn“ – was ein präexistentes Geistwesen geschlechtlich definiert – opfern muss, damit er durch den „zweiten Adam“ sich mit sich selbst versöhnen kann, weil dieser sündlos blieb – als hätte der allwissende Gott keinen besseren Weg gefunden, Ordnung im Multiversum wiederherzustellen. Und tatsächlich hat das Dogma von der Erbsünde etwas von der Karmavorstellung, denn da ist vor undenkbaren Zeiten etwas geschehen, was uns die Möglichkeit unsterblich zu sein verbaute, ein Schuldgefühl einpflanzt, als ob wir restlos verantwortlich sind für alles was wir sind, denken und tun. Ich antwortete ihm nicht direkt auf seine Frage, sondern sagte, daß unser Ich-Bewußtsein selbst ein transzendenter Akt sei, der über physikalische und biochemische Prozesse hinausginge. Um aus den Sinnesdaten ein Gesamtbild im Geist zu repräsentieren, bedarf es neben den autopoitischen Prozessen noch höherer Leistungen. Schließlich frug ich ihn: „Wie erklärst Du Dir denn, wie Menschen von Instinktprogrammen heraus höhere geistige Fähigkeiten entwickeln konnten, die ein Ich-Bewußtsein ermöglichen?“ Nun wusste er keine Antwort. Wenn sich das wahrnehmende individuelle Bewußtsein von seinem physischen Korrelat, dem Gehirn, lösen kann, stellt sich die Frage, warum es in dessen „Frequenzfeld“ wie Eisenspäne an ein Magnet gebunden und nur in Grenzerlebnissen heraustreten kann. Schließlich bezeugt diese Möglichkeit zu außerkörperlichem Erleben, daß aus der Sicht der Quantenphysik das menschliche Bewußtsein einen nichtlokalen Charakter besitzt, wie es später der holländische Kardiologie PIM VAN LOMMEL behauptet und das Universum geistig aufgebaut ist, wie der amerikanische Wissenschaftler AMIT GOSWAMI behauptet. Die Antwort meines Kollegen zu dem klassischen Leib-Seele-Problem mußte reduktionistisch sein, folglich mußte er sein Ich-Bewusstsien als ein neuronales Selbstsimulat, wie es der Bewußtseinsforscher THOMAS METZINGER postuliert, als Illusion halluzinierender und autopoitisch feuernder Synapsen verstehen. Intentionale und volitionale Steuerungen würden nicht teleologisch erfolgen können, sondern reflexhaft und das „Gehirn würde sich ein Ich-Bewußtsein und Selbstkonzepte einbilden“, das überraschenderweise lange Zeit konstant bleibt. Wenn wir aber prinzipiell unabhängig von unserem Gehirn existieren, wie es der Nobelpreisträger und Hirnforscher JOHN C. ECCLES behauptet, stellt sich die Frage erneut, weshalb wir in dieser materiellen Form „erscheinen“ und an sie und die „physischen Sinne“ gebunden sind. Sollte es also doch ein einstiger Sturz oder Abfall in die Materie gegeben haben, wie ihn dann christlichen Vorstellungen nach der Erzengel Michael in Gestalt des irdischen Jesus ben Joshua dem Christos freiwillig vornahm (Phil. 2,5-8)? Und sollte er tatsächlich uns die Erlösung ermöglichen?
Nach dem Gespräch spürte ich eine laue Unzufriedenheit, hatte ich doch keine Argumente für meinen Glauben. So machte ich mich auf die Suche, den altorientalischen, sumerischen, altbabylonischen Erzählungen und ihren Vorläufern, ihren mythischen Komponenten, den Mythemen und Memen auf die Spur zu kommen. Was im Telegrammstil in der Genesis berichtet wird, musste doch schon vorher mündlich oder schriftlich weitergetragen worden sein. Die Themen im ersten Teil der Genesis sind schon zuvor ungefähr 4500 v.Chr. in einer semitischen Sprache verfasst, in denen die Gottheit im zeit- und formlosen Chaos herrschte, das spätere Urgewässer Nun der Ägypter, das die Gottheit Atum oder Re beherrschte, der antike Sonnengott der im Osten des Nildeltas gelegenen Stadt Heliopolis. Und schon der gutherzige Gott der Schöpfung, Re, besaß einen gefährlichen Feind, eine Schlange, die von den Ägyptern Aapep genannt wurde und den Bösen verkörperte, der die göttliche Ordnung des Universums zu zerstören versuchte. Ist diese Kosmogonie, die Ähnlichkeit mit der Babylonischen aufweist und schließlich in der Genesis wiederzufinden ist, ein archetypisches Mythem eines „spirituellen Urdramas“?
Das Hauptthema dieses Bandes II der Trilogie dreht sich um folgende Kernfragen:
- Gibt es ein (spirituelles) Leben nach dem Tod und welche Hinweise geben paranormale Grenzerfahrungen und neue wissenschaftliche Erkenntnisse dazu?
- Welche Rolle spielen die Erkenntnisse der Neurotheologie auf das Selbstverständnis, der ethischen Haltung und welche Relevanz haben diese für die therapeutische Praxis?
- Wie teilte sich Gott den Propheten mit? Welche Formen von Inspiration gibt es? Was sahen die Visionäre/Propheten und was folgerten sie aus dem Gesehenen/Gehörten? Welche Konsequenzen für das eigene Welt- und Menschenbild, für den Glauben und das Gottvertrauen haben die Gesichte von Propheten, Sehern, NDErn, Schamanen etc.?
Mir wurde deutlich, dass die Theologie, die sich meist auf die kanonischen Schriften bezieht, alleine diese Folgefragen und die Hintergründe (Mytheme, Symbole, Archetypen etc.) von christlichen Glaubenssätzen nicht beantworten kann, sondern dass nur eine multidisziplinäre Betrachtung der biblischen Ursprungs- und Erlösungsgeschichte Glaubensgewissheiten festigen könnte. Darum wurde ein Austausch mit anerkannten Wissenschaftlern unterschiedlichster Disziplinen nötig, um mehr „zu wissen, was man glaubt“, statt sich nur den Traditionen verpflichtet zu fühlen, die den Ursprüngen gegenüber oft unbewusst bleiben oder diese, wie es moderne Theologen tun, soweit zerpflücken oder „entmythologisieren“, dass deren Aussagekraft verlorengeht. In meiner Korrespondenz mit den unterschiedlichsten Forschern fand ich zu einem akzeptablen Fazit über die multimodalen Ursachen für Halluzinationen und Visionen, Gotteserfahrungen und ihren vielschichtigen Interpretationsebenen. Mein...