Was ist Ordnung?
Eine persönliche Angelegenheit
Die „perfekte“ Ordnung, die immer und überall als Maßstab gelten könnte, gibt es schlicht nicht. Wie viel Aufgeräumtheit wir brauchen, um uns in unseren eigenen vier Wänden wohlzufühlen, ist abhängig von unseren individuellen Bedürfnissen, Ansprüchen und Vorlieben. Während der eine es nüchtern mag und alles in Schränken und Schubladen verschwinden lässt, schätzt der andere eine Umgebung, in der auch Spuren des Alltagslebens zu erkennen sind. Ziel des Aufräumens ist es, eine Umgebung zu schaffen, in der man gern lebt, wohnt, isst, arbeitet und schläft.
EIGENE MASSSTÄBE SETZEN Wer sich vorgenommen hat, die Ordnung in seinem Haushalt zu optimieren oder dem ewigen Durcheinander den Kampf anzusagen, sollte sich zunächst einmal fragen, welche konkreten Ziele er eigentlich anstrebt. Die Chaostoleranz des gemeinen Teenagers ist vermutlich deutlich höher als die professioneller Hauswirtschafterinnen, und wer viel Zeit im eigenen Heim verbringt und dort sein Geld verdient, verfolgt aller Wahrscheinlichkeit andere Organisationsprinzipien als jemand, der zu Hause „nur“ seine Freizeit genießt. Die Crux dabei ist allerdings, dass im durchschnittlichen Mehrpersonenhaushalt meist die verschiedensten Ordnungstypen zusammenfinden, und deren unterschiedliche Bedürfnisse und Gewohnheiten müssen erst mal ermittelt und dann auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden.
UNORDNUNG ODER CHAOS? Am Anfang des Großprojekts „dauerhaft Ordnung schaffen“ sollte eine ehrliche Analyse des Zustands in Ihrem Haushalt stehen. Hand aufs Herz: Ist es bei Ihnen schlicht ziemlich unaufgeräumt, oder herrscht ein haltloses Chaos? Sie fragen sich, wo der Unterschied zwischen beidem liegt? Ganz einfach: Bei Unordnung ist nichts an seinem Platz, bei Chaos hat nichts einen Platz. Oberflächlich betrachtet können sich eine unaufgeräumte und eine chaotische Wohnung sehr ähnlich sein. Wo der Unterschied liegt, wird klar, wenn man sich an die Arbeit macht: Unordnung lässt sich beseitigen, indem man einfach alles, was herrenlos herumliegt, wieder dorthin trägt, wo es hingehört – und im Idealfall kennen alle Mitglieder des Haushalts diesen Platz.
Wer versucht, des Chaos Herr zu werden, steht im Juli mit den Wintermänteln in der Hand im Wohnzimmer und fragt sich, wo er die verschwinden lassen soll – und wirft sie bis zur nächsten Aufräumaktion erst mal im Gästezimmer aufs Bett, bis sich Besuch ankündigt und er wieder vor dem gleichen Problem steht.
SCHLECHTE ORDNUNGSHÜTER Viele Menschen kämpfen gegen eine chronische Dauerunordnung, die permanenter Gast im eigenen Heim ist: Kaum hat man etwas an seinen angestammten Platz geräumt, liegt es am nächsten Tag schon wieder herum. Das kann daran liegen, dass die Infrastrukturen, die zum „Parken“ der verschiedensten Gegenstände vorgesehen sind – Schränke, Regalsysteme, Schubladen, Kisten und dergleichen mehr – einfach unpraktisch oder schlecht organisiert sind und darum von den meisten Haushaltsmitgliedern nur widerwillig oder auch gar nicht genutzt werden. Oft braucht es nur ein paar Handgriffe oder eine kleinere Umräumaktion, damit die typischen „Streuner“ regelmäßig wieder an ihrem Platz landen.
CHAOSKÖNIGE Chaos, so erklärt es der Duden, bedeutet „Abwesenheit, Auflösung aller Ordnung“. Wer sich mit diesem Problem konfrontiert sieht, hat einen etwas längeren Weg vor sich. Hat man einmal den Entschluss gefasst, dem großen Durcheinander ein Ende zu machen, muss man die Dinge nicht einfach nur „nach Hause“ tragen, sondern ihnen erst einmal ein Zuhause geben. Mit anderen Worten: Sie müssen Ordnungsstrukturen schaffen. Das braucht seine Zeit – aber nicht Ihre gesamte. Rom wurde schließlich auch nicht an einem Tag erbaut. Ist der Anfang einmal gemacht, werden Sie sehen, wie schnell sich erste Erfolge einstellen. Trotzdem lohnt es sich, sich auch einmal zu fragen, warum man eigentlich so chaotisch ist.
Wie sieht’s denn bei Ihnen aus?
Sie führen seit Jahr und Tag einen zähen Kampf gegen das Chaos und ein Ende der Schlacht ist noch immer nicht absehbar? Dann kennen Sie Ihren Feind wahrscheinlich einfach nicht gut genug. Halten Sie innere Einkehr und forschen Sie nach den Ursachen des Chaos-Problems. Höchstwahrscheinlich werden Sie in sich eines der im Folgenden beschriebenen Merkmale entdecken – oder auch eine Kombination der verschiedenen Charakteristika. Wenn Sie diesen Schritt getan haben, wird Ihnen die Problemlösung sicher leichter fallen.
SAMMLERNATUREN Diesen Chaos-Typus erkennt man daran, dass er einfach alles zusammenträgt und aufbewahrt, was man unter Umständen eines Tages noch einmal brauchen könnte – von alten Drahtkleiderbügeln vom Sperrmüll bis zu unübersichtlichen Knäueln von Haushaltsgummi, die einmal Kräuter und Blumen vom Markt zusammengehalten haben und im jahrelangen Warten auf ihre weitere Verwendung schon ganz mürbe geworden sind. Im Keller türmen sich defekte Haushaltsgeräte vom Toaster bis zum Fernseher, die auf Reparatur warten, auf dem Speicher stapeln sich ganze Jahrgänge der verschiedensten Zeitschriften. Hinter diesem Drang zum Anhäufen steckt nicht selten die Angst, genau das wegzuwerfen, was man im nächsten Augenblick gut gebrauchen könnte – und was es dann nicht mehr gibt oder vielleicht auch unbezahlbar geworden ist. Für den Sammler ist der erste Schritt in ein chaosfreies Leben, sich klarzumachen, dass man fast alles wiederbeschaffen kann, ohne dabei arm zu werden: Bei Haushaltsauflösungen gibt es intakte Küchengeräte zu kleinen Preisen, alte Zeitungsberichte sind in den Archiven der Verlage heute kostenlos oder gegen ein geringes Entgelt online einzusehen oder auch in der Bibliothek zu haben, und Haushaltsgummis sind ein echter Centartikel …
BEWAHRER Bewahrer sind den Sammlern eng verwandt. Sie werfen nichts weg, was auch nur im Entferntesten von nostalgischem Wert sein könnte. In ihren Schränken finden sich bergeweise alte Schulhefte, Kinderzeichnungen, Sammeltassen, alte Ansichtskarten, entwertete Eintrittskarten, Trockenblumensträuße und Reiseandenken – und meist sogar so viele, dass sie gar nicht mehr wissen, wo eigentlich was ist und woran es sie erinnern soll. Genau darum empfiehlt sich hier die Strategie „Klasse statt Masse“ – bewahren Sie nur die schönsten Kinderkunstwerke auf, kleben Sie die besten Fotos in ein Album und sortieren Sie den Rest aus, verschenken Sie Geschirr, dass zwar Ihrer Tante gefallen hat, aber zu Ihnen so gar nicht passt, und trennen Sie sich von Briefen, die Sie nie wieder lesen werden. Sie werden sich befreit fühlen.
PERFEKTIONISTEN Diese Spezies fängt erst gar nicht an aufzuräumen, wenn die Gefahr besteht, dass das Ergebnis nicht 100-prozentig gelingen könnte. Perfektionisten verabscheuen halbe Sachen. Der Gedanke, in einem chaotischen Schrank nur eine Schublade aufzuräumen, statt Ordnung in allen Fächern zu machen, ist ihnen ein Gräuel – und so lassen sie es lieber gleich bleiben und leben in Erwartung des fernen Tages X, an dem sie Zeit finden werden, sich dem Gesamtprojekt ausführlich zu widmen. Über dieses Warten schlägt das Chaos weiter erbarmungslos zu. Perfektionisten müssen lernen, dass man schon mit vergleichsweise geringem Aufwand Ergebnisse erzielen kann, mit denen es sich gut leben lässt. Verfeinerungen können durchaus warten – notfalls probieren Sie’s aus.
AUFSCHIEBER Dieser Chaos-Typ hat es gelernt, die von ihm eröffneten Baustellen in seinem Haushalt mehr oder weniger elegant zu umschiffen. Aufschieber legen unbezahlte Rechnungen und unbeantwortete oder ungeöffnete Korrespondenz häufig irgendwo mit dem vagen Plan ab, sich darum zu kümmern – um von diesem Moment an konsequent darüber hinwegzublicken. Ihre angefangenen Bastel- und Reparaturarbeiten finden sich auf dem Wohnzimmertisch, im Hobbykeller und auf dem Speicher. Spricht man sie darauf an, versichern sie, so bald wie möglich daran weiterzuarbeiten – wenn sie mehr Zeit, Energie oder Muße haben (woran sie zumindest einen winzigen Augenblick lang fest glauben). In dieser Hinsicht sind sie den Perfektionisten nicht ganz unähnlich, doch haben sie sich einmal aufgerafft, sind sie in der Lage, ihre Projekte relativ schnell zu einem guten Ende zu bringen. Sollten Sie sich in dieser Gruppe wiedererkennen, wird es Ihnen helfen, sich für Ihre angefangenen Arbeiten Fristen zu setzen. Verstreicht der Termin, wird das Projekt mit allen Konsequenzen gestrichen.
Nur keine Trennungsängste
Wer einmal angefangen hat, im großen Stil aufzuräumen und das Übel an der Wurzel zu bekämpfen, wird sich wundern, was er dabei alles findet. Kein Wunder, denn der moderne Mensch besitzt nach Expertenschätzungen rund 10.000 Gegenstände – und...