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Der Projektgedanke im Geschichtsunterricht

AutorElisabeth Pietsch
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl156 Seiten
ISBN9783640391318
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
Wissenschaftliche Studie aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Pädagogik - Geschichte der Päd., Universität Leipzig, Sprache: Deutsch, Abstract: [...] Deutschland befand sich in einem Schock über das katastrophale Ergebnis der PISA-Studie und man begann einen Ausweg aus der Krise zu suchen. Es wurden Forderungen nach einer Öffnung von Schule und Unterricht laut. Schule sollte nicht mehr ein fremdbestimmtes Lernen und Leben fördern, sondern sich den Bedürfnissen, welche die Veränderungen in der Gesellschaft und der Arbeitswelt mit sich brachten und noch bringen, anpassen und jene befriedigen. Neben verschiedenen Maßnahmen, erinnerte man sich auch wieder an den Projektunterricht, den in den 70ger und 80ger Jahren die Hauptschulen für sich entdeckt hatten. Man entsann sich seiner Vorteile und begann ihn zu nutzen, um die Kluft zwischen Schule und Lebenswelt zu mindern und jene für die SchülerInnen wieder interessant zu machen. Dieser Arbeit, die mit dem Thema 'Der Projektgedanke im Geschichtsunterricht' überschrieben ist, liegen jene Gedanken über das Potenzial, welches dem Projektunterricht zur Veränderung von Schule und Unterricht innewohnt, zugrunde. Aus der Fülle von Konzepten die zum Projektunterricht entwickelt worden sind, möchte ich zwei Ansätze näher vorstellen und anschließend die Besonderheiten, welche den Projektunterricht von traditionellen Lehrformen unterscheidet, in einer Definition zusammenstellen, die für mich in Bezug auf diese Arbeit, aber auch für meine spätere Tätigkeit als Lehrerin handlungsleitend sein soll. Oft wird beklagt, dass mit dem Projektunterricht ein zu großer Zeitaufwand verbunden sei, welcher das Erfüllen des Lehrplanes unmöglich macht. Aus diesen Gründen findet der Projektunterricht in den Schulen, trotz der bekannten positiven Effekte, noch immer selten Anwendung. Im zweiten Teil dieser Arbeit möchte ich daher mit der Konzeption des Projektes 'Ein Ort mit doppelter Geschichte' versuchen darzustellen, dass es Möglichkeiten gibt das Projektlernen für den eigenen Unterricht fruchtbar zu machen. In Bezug auf das Fach Geschichte bietet sich im Projektunterricht eine Methode, um historisches Lernen zu ermöglichen, so dass sich bei den SchülerInnen ein Bewusstsein für Geschichte ausprägen kann. Die für diese Projekteinheit zu nutzenden Dokumente sowie Materialien können Sie dem dritten Abschnitt dieser Arbeit entnehmen.

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Leseprobe

B Konzeption der Projekteinheit „Ein Ort mit doppelter Vergangenheit“[93]


 

In diesem zweiten Teil der Arbeit möchte ich eine Projekteinheit konzipieren. Vorweg ist zu bemerken, dass es nach den theoretischen Ausführungen nur allzu verständlich sein wird, dass eine solche Planung hier nur modulartig geschehen kann. Es wird immer die Möglichkeit geben, dass die SchülerInnen sich für andere Wege entscheiden. Ich werde im Anschluss einen möglichen Weg vorstellen.

 

Wie ich es schon im Theorieteil erläutert habe, sind es oftmals die rechtlichen Bedingungen in Gestalt von Lehrplänen, die den LehrerInnen das Gefühl geben, es wäre nicht möglich projektartigen Unterricht durchzuführen. Auch ich habe bei der Erarbeitung dieser Konzeption vor der Aufgabe der Anbindung des Projektinhalts an den Lehrplan gestanden. Um dieses Problem zu lösen, habe ich mich entschieden die Projekteinheit in Verbindung mit der Gedenkstätte Münchner Platz in Dresden durchzuführen. Um zu zeigen, was diese Gedenkstätte für den Projektunterricht prädestiniert, möchte ich sie zunächst vorstellen.

 

I. Allgemeine Voraussetzungen


 

I.1 Die Gedenkstätte Münchner Platz, Dresden


 

1907 wurde das Königliche Landgericht mit einem angeschlossenen Untersuchungsgefängnis eröffnet und zählte zu den modernsten Justizanstalten des damaligen Sachsen. In diesem Bau wurden künstlerische sowie Forderungen nach einem reformierten Strafvollzug im Sinne rechtsstaatlicher Traditionen vereint.

 

Heute ist dieser Ort als „Synonym für politischen und juristischen Machtmissbrauch durch zwei totalitäre Systeme des 20. Jahrhunderts“[94] bekannt.

 

Während der Nationalsozialistischen Diktatur wurde die Justiz für die Durchsetzung und Sicherung der nationalsozialistischen Herrschaftsansprüche in Anspruch genommen. Hierfür steht der Münchner Platz exemplarisch.

 

Die im März 1933 eingerichteten Sondergerichte, welche auch schon in der Weimarer Republik in Notstands- und Krisenzeiten ihre Berechtigung hatten, blieben in der NS- Diktatur keine Ausnahmeerscheinung der Phase des politischen Umbruchs, sondern etablierten sich bald zum „Normalzustand der Rechtsprechung“[95]. Ihre Tätigkeit blieb nicht nur auf die Zeit der Machtergreifung sowie der Gleichschaltung beschränkt, sondern wuchs auch nach 1934 stetig an. Den Sondergerichten, die der Realität nach als Spezialstrafkammern der jeweiligen Landgerichtete betrachtet werden müssen, wurde von Anfang an ein politischer Auftrag zu teil. Sie sollten „in Zeiten politischer Hochspannung durch schnelle und nachdrückliche Ausübung der Strafgewalt darauf hin[…]wirken, dass unruhige Geister gewarnt oder beseitigt werden und dass der reibungslose Gang der Staatsmaschinerie nicht gestört wird“[96]. Hierfür bildete die starke Auslegung des Heimtückegesetzes im Dezember 1934 die Grundlage. Die Sondergerichte etablierten sich zu einem dauerhaften Instrument bei der Unterdrückung der öffentlichen Meinung. Sie waren durch prozessuale Vereinfachungen sowie das Tagen am Ort der Straftat gekennzeichnet, die dem Zweck einer Verfahrensbeschleunigung, weitgehend auf Kosten der Angeklagten- und Verteidigungsrechte[97], dienen sollten.

 

Mit Kriegsbeginn erfuhren die Sondergerichte eine Erweiterung ihrer Befugnisse durch die „Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen“ (1. September 1939), „Kriegswirtschaftsverordnung“ (4. September 1939), die „Verordnungen gegen Volksschädlinge“ (5. September 1939) sowie die „Verordnung zum Schutz der Wehrkraft“ (25. November 1939). Im Zuge dieser Kompetenzerweiterung vermehrten sich 1940 die Sondergerichte. Das Sondergericht Dresden entstand im Zusammenhang mit der „Verordnung über die Zuständigkeit der Strafgerichte, der Sondergerichte und sonstige strafverfahrensrechtliche Vorschriften“ vom 21. Februar 1940, welche die „Einrichtung mehrerer Sondergerichte innerhalb eines Oberlandesgerichtsbezirks ermöglichte“[98]. Die Arbeit der Sondergerichte wurde durch regelmäßige Berichterstattungen in die Öffentlichkeit getragen und sollte dort im volkserzieherischen Sinn wirken.

 

Des Weiteren fanden in den Jahren 1943 und 1944 im Dresdner Landgerichtsgebäude Verfahren des Volksgerichtshofes statt. Der Volksgerichtshof war ursprünglich als eine Spezialstrafkammer des Leipziger Reichsgerichts im Frühjahr 1934 zur „Aburteilung von Hoch- und Landesverratssachen“[99] mit dem Status eines Sondergerichts eingerichtet worden. Im April 1936 wurde jene Spezialstrafkammer per Gesetz in den Rang eines „ordentlichen Gerichts im Sinne des Gerichtsverfassungsgesetzes“[100] erhoben. Obwohl als Sitz des Volksgerichtshofes Berlin vereinbart wurde, konnten die Senatsvorsitzenden, „Sitzungen ihrer Senate außerhalb der Reichshauptstadt an[…]beraumen“[101] und hierbei auch den Schwurgerichtssaal des Dresdner Landgerichtes als Ort des Volksgerichtshofes nutzen. So wie die Sondergerichte erfuhr auch der Volksgerichtshof durch den Krieg eine Ausweitung seiner Zuständigkeit. Er urteilte „Hoch- und Landesverrat, Angriffe gegen den Führer und Reichskanzler sowie schwere Fälle der Wehrmittelbeschädigung und Gefährdung der Streitkräfte befreundeter Staaten gemäß der „Wehrkraftschutzverordnung“ vom November 1939“[102] ab. Auch bezüglich Verbrechen, die außerhalb seines Zuständigkeitsbereiches lagen, konnte er richten. Vor allem durch die militärische Besetzung der Tschechoslowakei und die Bildung des Protektorats Böhmen und Mähren, erfuhr der Volksgerichtshof eine Erweiterung seiner territorialen Zuständigkeit, indem „das deutsche Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung des Reiches“[103] auch auf nichtdeutsche Protektoratsbewohner ausgedehnt wurde. Aufgrund der geographischen Nähe war hier die Dresdner Tätigkeit des Volksgerichtshofes von besonderer Bedeutung. Hierbei stand vor allem der tschechoslowakische Widerstand im Mittelpunkt. Bei den deutschen Angeklagten dominierten „neben dem organisierten politischen Widerstand fast durchweg kommunistische Provenienz […] Defätismus und Wehrkraftzersetzungsdelikte“[104]. Sowie die Sondergerichte erfüllte auch der Volksgerichtshof den Auftrag, den Reichsjustizminister Otto Thierack der deutschen Justiz zugewiesen hatte: „die volkshygienische Aufgabe einer fortgesetzten Reinigung des Volkskörpers“[105], um so den Durchhaltewillen der deutschen Gesellschaft aufrechtzuerhalten. Mit der Zerstörung großer Teile des Gebäudekomplexes durch die alliierten Luftangriffe im Februar 1945 und die Eroberung Dresdens durch das sowjetische Militär im April 1945 fand die Ära der nationalsozialistischen Rechtssprechung im Dresdner Landgericht ein Ende. An diesem Ende stand die Bilanz von „über 1300“[106] Hinrichtungen, die im Hinrichtungshof ausgeführt wurden.

 

Bis 1950 wurden die unzerstörten Teile des Gebäudekomplexes am Münchner Platz von den Sowjetischen Militärtribunalen für justitielle Zwecke genutzt. Hierbei fanden neben den alliierten Rechtsgrundlagen zur Bestrafung von Kriegsverbrechern sowie NS- Verbrechen, die das Kontrollratsgesetz Nr. 10 vom 20.12.1945 darstellte, hauptsächlich sowjetische Gesetze und Befehle Anwendung, wie beispielsweise die „Verordnung des Obersten Sowjets vom 19. April 1943 (Ukaz 43) oder der Artikel 58 des sowjetischen Strafgesetzbuches“[107], der seit 1927 die alleinige Grundlage für die „Ahndung von ‚konterrevolutionären’ Verbrechen“[108] bildete. Ein Drittel der Verfahren, die gegen Deutsche geführt wurden, beschäftigten sich mit „angeblicher oder tatsächlicher Spionage, illegaler Gruppenbildung, antisowjetischer Propaganda, Sabotage oder zum kleinen Teil [mit] kriminellen Delikten“[109]. Die damit zusammenhängenden Verbrechen sind als Reaktionen der Opposition und des Widerstandes gegen die politische Entwicklung in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und der frühen DDR anzusehen. Durch den Befehl Nr. 00315 hatte auch der Gerichts- und Haftanstaltskomplex am Münchner Platz die Funktion eines Durchgangs- und Untersuchungsgefängnisses erhalten. Die zumeist ohne Angabe von Gründen Verhafteten bildeten für das Jahr 1945 das Hauptkontingent der Häftlinge im Gefängnis Münchner Platz und sind hier ersten Verhören unterzogen worden, bevor entschieden wurde, ob sie an die Speziallager Mühlberg oder Bautzen überstellt oder ein förmliches Ermittlungsverfahren mit dem Ziel eines Gerichtsurteils eingeleitet werden sollte. Von den Speziallagern aus, ging es dann oftmals in die Arbeitslager in der Sowjetunion.

 

Das sowjetische Militärtribunal, welches am Münchner Platz seine Tätigkeit aufnahm, verurteilte zum einen wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit und zum anderen aufgrund antisowjetischer Haltungen. Die Verfahren wegen der erstgenannten Verbrechen fanden vor allem gegen leitendes Anstaltspersonal der Heilanstalt Pirna- Sonnenstein, gegen Richter und Staatsanwälte des Dresdner Landgerichtes sowie gegen Angehörige der SA und Wachpersonal statt.

 

Mit der Zeit nahmen jedoch die Verfahren bezüglich antisowjetischer Einstellungen rapide zu. Die Verhandlungen über solche Verbrechen dauerten oft nicht...

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