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Der Querdenker-Faktor

Mit unkonventionellen Ideen zum Erfolg

AutorRobert I. Sutton
VerlagPiper Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl368 Seiten
ISBN9783492977173
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Warum erst unkonventionelle Ideen ein Unternehmen zum Erfolg führen Robert Suttons Vorschläge sind nicht nur schräg, sie klingen verrückt: Seien Sie in Ihrem Unternehmen ein Querdenker, haben Sie Mut zur Eigenwilligkeit - egal, ob Sie Chef oder Angestellter sind! Denn erst unkonventionelle Ideen setzen innovatives Potential frei, generieren neue Projekte und führen langfristig zu Optimierung und Wettbewerbsfähigkeit. Robert I. Sutton erläutert elf Querdenker-Ideen, die ein Unternehmen zum Erfolg führen können. Dazu gehört ganz grundsätzlich, dass Unternehmen experimentieren, einen neuen Typus von Mitarbeiter einstellen und neue Technologien entwickeln müssen. Sie müssen neue Ideen zulassen, um Kundenbedürfnisse zu befriedigen, in neuen Märkten Fuß zu fassen oder Wettbewerber zu überholen. Folgt man Suttons Regeln, werden schlummernde Innovationskräfte freigesetzt.

Robert I. Sutton, geboren 1954 in Chicago, ist Professor für Management Science, Engineering und Organizational Behaviour an der Stanford Business School. Er ist Berater für viele weltweit tätige Unternehmen und lebt in Menlo Park, Kalifornien. Sein Buch »Der Arschloch-Faktor« wurde weltweit zu einem Bestseller.

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Leseprobe

Kapitel 2


Was ist überhaupt Kreativität?

Alle genialen Menschen sind gewissermaßen Blutsauger. Sie ernähren sich alle von demselben Stoff – dem Blut des Lebens … Der Ursprung der Dinge hat nichts Geheimnisvolles an sich. Wir alle sind Teil der Schöpfung, sind Könige, Dichter, Musiker; wir müssen uns nur öffnen, müssen nur entdecken, was schon da ist.[1]

Henry Miller, Schriftsteller

In gewissem Sinne habe ich Elemente, die bereits da waren, miteinander kombiniert, aber das ist genau das, was Erfinder gewöhnlich tun. Normalerweise erfindet man keine neuen Elemente. Das Neue bestand höchstens in der Kombination, in der Weise, wie die Elemente verwendet wurden.[2]

Cary Mullis über seine Vorgehensweise bei der Entwicklung der Polymerasekettenreaktion, für die ihm der Nobelpreis verliehen wurde

Die beste neue Technologie in der Welt ist wertlos, wenn man niemanden dazu bringt, sie zu kaufen, wenn also keine hinreichende Nachfrage danach besteht.

Audrey MacLean, frühere CEO von Adaptive und »Business Angel«, die in viele Start-ups investiert hat

KREATIVITÄT WIRD VIELFACH als eine Fähigkeit dargestellt, die sich nicht definieren, beschreiben oder nachahmen läßt. Dabei ist sie eigentlich gar nicht so unerklärlich. Neuartige Produkte, Dienstleistungen und Theorien fallen nicht vom Himmel: Kreativität ist die Fähigkeit, alte Ideen in neuer Weise oder an neuen Orten zu nutzen beziehungsweise zu kombinieren.

Alle drei Schlüsselkonzepte zur Erkundung (von Neuem), die ich in Kapitel 1 vorgestellt habe, basieren darauf, bekanntes Wissen in neuer Weise zu verwenden. Die Varianz nimmt zu, wenn man Ideen, die in anderen Organisationen altbekannt sind, in ein Unternehmen oder einen Unternehmensbereich einführt, in denen sie bislang unbekannt waren. Vu ja de bedeutet, daß man Altbekanntes innerhalb und außerhalb des Unternehmens in neuer Weise sieht. Und Mit der Vergangenheit brechen bedeutet in der Regel, neue Denk- und Handlungsweisen von anderen Menschen und Firmen zu übernehmen. Neue Ideen gehen aus alten Ideen hervor. Aus diesem Grund brauchte Thomas Alva Edison in seinem Labor einen »Haufen Schrott« – bereits existierende Gegenstände –, um neue Geräte zu erfinden. Wenn Sie jemals das originalgetreu nachgebaute Labor Edisons in Dearborn, Michigan, besuchen, wird Ihnen vielleicht auffallen, daß bei vielen der Erfindungen in den Schaukästen Teile fehlen. Dies geht nicht auf das Konto diebischer Besucher, sondern ist darauf zurückzuführen, daß Edisons Ingenieure und Modellbauer Teile aus ihren älteren Erfindungen herausnahmen, um damit neue Geräte zusammenzubauen.

Wie die Schönheit und andere erfreuliche Dinge liegt auch die Kreativität im Auge des Betrachters. Eine Idee, die seit langem im Schwange ist, erscheint denjenigen, die sie erstmals kennenlernen, kreativ, sofern sie diese für nützlich erachten.[3] Und eine neue Idee mag einigen Menschen kreativ erscheinen, anderen dagegen nicht. Ich finde ein Spielzeug meiner Kinder, das »Water Talkie«, das ihnen angeblich ermöglicht, sich unter Wasser zu verständigen, nicht besonders nützlich. Ich glaube nicht, daß es besonders gut funktioniert. Und mir will nicht einleuchten, weshalb sie ihre Köpfe nicht einfach aus dem Wasser recken, um sich zu unterhalten. Das Water Talkie war das erste Produkt, das von einer Spielzeugfirma namens Short Stack im kalifornischen Moraga entwickelt wurde. Es war 1996 von dem damals elfjährigen Richie Stachowski und seinem Vater Richard Stachowski sen. erfunden worden. Als Richies Mutter Barbara Stachowski (eine erfahrene Unternehmerin) die Erfindung sah, war sie überzeugt davon, daß sie sich gut verkaufen würde. Sie hatte recht. Im Oktober 1996, nachdem Richie und Barbara in der Konzernzentrale von Toys ’R’ Us in New Jersey ein Verkaufsgespräch geführt hatten, bestellte das Unternehmen umgehend fast 50000 Water Talkies. Es sollte ein sehr erfolgreiches Produkt werden. Die Firma Short Stack (die inzwischen mehrezre Produktentwickler eingestellt hat, die mit Richie arbeiten) hat ein Sortiment weiterer Wasserspielzeuge entwickelt, und das Unternehmen wurde an Wild Planet, einen größeren Spielwarenhersteller, verkauft.[4] Auch wenn mir das Water Talkie nicht besonders gefällt, würde ich es doch als eine kreative Produktidee bezeichnen. Kindern macht es Spaß, Schwimmen und Telefonieren zu verbinden.

Die Water-Talkie-Geschichte und die Erfahrung von Audrey MacLean, die gesagt hat: »Die beste neue Technologie in der Welt ist wertlos, wenn man niemanden dazu bringt, sie zu kaufen, wenn also keine hinreichende Nachfrage danach besteht«, zeigen, daß sich Ideen nur selten von selbst verkaufen. Man muß Menschen davon überzeugen, daß sich eine neue Idee lohnt. Tatsächlich war Edison vor allem ein begnadeter Vermarkter von Erfindungen. Viele der berühmten Erfindungen aus Edisons Labor wurden von seinen Mitarbeitern ersonnen und entwickelt. Sein Assistent Francis Jehl klagte, Edison sei als Trödler geschickter gewesen denn als Erfinder, und sein »Genie« erinnere vor allem an den meisterhaften Marktschreier und Schausteller P.T.Barnum. Aber Erfindungen wie elektrische Beleuchtungssysteme für Städte hätten sich ohne Edisons Geschick, als » DZauberer von Menlo Park« für große öffentliche Resonanz zu sorgen und sich so die finanzielle Unterstützung vermögender Mäzene zu sichern, nie erfolgreich am Markt behauptet.

Wenn man ein Team oder ein Unternehmen aufbauen möchte, das langfristig kreativ ist, muß man daher neue Einsatzmöglichkeiten und Verwendungsweisen für bestehende Ideen finden und andere davon überzeugen, daß diese Ideen neu und nützlich sind.[5] Einzelpersonen, Gruppen oder Unternehmen können diese Ziele dadurch erreichen, daß sie drei eng miteinander zusammenhängende Verhaltensgebote befolgen.

Stellen Sie alte Ideen Mitarbeitern vor, denen sie völlig unbekannt sind


Man kann andere davon überzeugen, daß man etwas Originelles erfunden hat, indem man ihnen eine alte Idee präsentiert, die sie nicht kennen. Individuen, Gruppen und Unternehmen, die dies immer wieder – und auf gekonnte Weise – tun, verhalten sich wie neugierige kleine Hamster. Sie graben in einem fort alte Ideen aus und lagern sie dort, wo sie leicht gefunden werden können. So können sie jederzeit »vorrätige« Ideen Personen zeigen, die sie vielleicht neu und nützlich finden.

Wenn Menschen oder Unternehmen Kontakt zu einem breitgefächerten Spektrum von Branchen, Unternehmen oder Standorten haben, sind sie besonders gut dafür gerüstet, andere in dieser Weise zu überraschen. Das gleiche geschieht, wenn Geschäftsbereiche in großen, dezentral organisierten Konzernen wie Hewlett-Packard, IBM oder 3M wie abgeschottete Königreiche geführt werden: Insider, die mit diesen ansonsten voneinander isolierten Bereichen in Verbindung stehen, sind hervorragend positioniert, um alte Ideen – oftmals aus anderen Teilen ihrer Firma – Personen vorzustellen, für die sie vollkommen neu sind. Solche Personen beziehungsweise Teams werden auch »Wissensbroker« genannt. Ihre Aufgabe besteht darin, Ideen aus Bereichen, in denen sie sich bewährt haben, an Orte zu übertragen, in denen sie unbekannt und unerprobt sind.[6]

Walt Conti, der Chef von Edge Innovations, ist ein gutes Beispiel für einen solchen Broker. Edge stellt lebensechte mechanische Tiere für Kinofilme her; so stammen etwa die Schwertwale in Lebensgröße für den Film Free Willy aus der Werkstatt von Edge. Conti arbeitete zunächst für das Unternehmen IDEO, wo er ein breites Spektrum von High-Tech-Firmen beriet und dabei zum ersten Mal von ausgeklügelten Regelungssystemen und elektromechanischen Technologien hörte. Als er später bei Industrial Light and Magic für den Filmemacher George Lucas arbeitete, stellte er fest, daß die Filmindustrie für die Herstellung mechanischer Tiere keine so fortgeschrittenen Technologien verwendete, wie er sie bei IDEO gesehen hatte. Conti gründete Edge, um diese Lücke zu schließen, und beauftragte IDEO, seinen Ingenieuren bei der Herstellung leistungsfähigerer mechanischer Tiere zu helfen. Edge hat technisch anspruchsvolle »animatronische« Geschöpfe hergestellt, indem seine Mitarbeiter das Wissen von High-Tech-Firmen auf das Filmgeschäft übertrugen. Der 8000 Pfund schwere mechanische Schwertwal in Free Willy I beispielsweise wirkte so lebensecht, daß Zuschauer nicht sagen konnten, wann Keiko (der echte Wal) und wann das Geschöpf von Edge auf der Leinwand zu sehen war. Dieser künstliche Wal sah einem natürlichen Wal so zum Verwechseln ähnlich, daß Keiko sogar versuchte, sich mit ihm zu paaren. Edge stellte weitere mechanische Tiere her, darunter die Schwertwale für die nächsten drei Free Willy-Filme, den Großen Tümmler für Flipper und für den Horrorfilm Anaconda eine zwölf Meter lange und 5500 Pfund schwere Schlange, die über 60 Kilometer Kabel und mehr als 70 Mikroprozessoren enthielt.[7]

IDEOs eigene Innovationsstrategie sieht ganz ähnlich aus, und das Unternehmen nutzt geschickt seine Position als Broker zwischen verschiedenen Branchen. IDEO-Entwickler, die bislang über 4000 Produkte entwarfen, haben mit Hunderten verschiedener Firmen in Dutzenden von Wirtschaftszweigen zusammengearbeitet. Sie haben so viele verschiedene Technologien, Produkte und konstruktive Kniffe gesehen, daß sie Klienten ständig Lösungen präsentieren können, die neu für ihre Unternehmen oder Branchen sind, aber sich...

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