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Der rote Drache ist kein Schmusetier

Strategien für langfristigen Erfolg in China

AutorHanne Seelmann-Holzmann
VerlagRedline Verlag
Erscheinungsjahr2006
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783864145964
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis21,99 EUR
Markteinstieg oder Expansion: Pflichtlektüre für Unternehmer, die am Standort China Erfolg haben wollen. Mit diesem Managementbuch kann jeder, der im Reich der Mitte Geschäfte machen will, von Expertenwissen profitieren - und aus Fehlern lernen, die andere gemacht haben. Hier wird die chinesische Wirtschafts- und Unternehmenskultur von allen Seiten beleuchtet. Wer sind die Entscheider im sozialistischen Markt, wie kauft und verkauft man dort? Wie macht man erfolgreiche Personalpolitik in China? Wo liegen Fehlerquellen, Fettnäpfchen und Fallstricke? In Interviews und Reports kommen Profis zu Wort. Ob es um Verhandlungen, Zwischenmenschliches oder Krisenmanagement geht: 'Der rote Drache ...' bietet fundiertes Wissen, ist hervorragend geschrieben und von enormem Nutzwert.

Dr. Hanne Seelmann-Holzmann ist Geschäftsführerin der Dialog Unternehmensberatung in Nürnberg. Sie bereitet Mitarbeiter deutscher Firmen (BMW, Degussa, MAN Roland, Siemens u.a.) auf das Asien-Business vor. Sie führte Forschungsprojekte zum Kulturvergleich Asien - Europa durch, veröffentlichte zahlreiche Fachartikel und mehrere Bücher rund um das Thema 'Geschäftserfolg in Asien' und ist heute eine gefragte Rednerin auf vielen nationalen und internationalen Tagungen.

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Leseprobe

Einleitung: Von welchem China sprechen Sie?


Wieder einmal liegt einer jener zahlreichen Berichte über China in einer Zeitschrift vor mir, der die Faszination über dieses Land ausdrückt. Doch stopp! Von welchem China spricht der Autor? Es ist das China der großen Städte Shanghai, Peking, Shenzhen, in denen die Wolkenkratzer in den Himmel schießen, der Transrapid fahren darf, die Nobelmarken der Welt vertreten sind. Es ist das China, in dem es Schönheitswettbewerbe, Schönheitsoperationen, wilde Rockmusiker, avantgardistische Künstler und vor allem eine Menge junger Leute gibt, die entschlossen sind, die Chancen der wirtschaftlichen Öffnung zu nutzen.

Solche Bilder in den Köpfen steuern dann wohl auch die Wahrnehmung bei einer Reise oder einem geschäftlichen Aufenthalt. „Also gibt es überhaupt noch Unterschiede? Ich war mit unserem Mitarbeiter vor Ort in einer Disco. Ich sage Ihnen, die hätte auch in New York stehen können. Und unsere chinesische Mitarbeiterin, westlich angezogen, weiß genau, was sie will, die spricht besser Englisch als ich.“ Und dann die westlich-logische Schlussfolgerung „Die sind doch schon wie wir.“ Klack – die Ähnlichkeitsfalle ist wieder einmal zugeschnappt und deren Geräusch höre ich mehrmals täglich.

Ja: China ist modern, westlich, schrill, rebellisch, hungrig nach Erfolg. Ich schätze, diese Beschreibung trifft auf maximal 10 Prozent der Bevölkerung zu. Aber diese 10 Prozent sind laut und medienpräsent. Es sind die Menschen, mit denen die Westbesucher oder Investoren Kontakt haben. 90 Prozent der Bevölkerung und der Lebensumstände sind jedoch anders.


Ein Land — viele Wirklichkeiten


Um die Wirklichkeiten in China angemessen beschreiben zu können, muss man verschiedene Perspektiven aufzeigen.

Beginnen wir mit der Tatsache, dass China ein kommunistisches Land ist. Westliche Besucher wissen das zwar, vergessen jedoch angesichts der Wolkenkratzer, Luxuslimousinen, Nobelkaufhäuser und der westlich gekleideten Menschen in den großen Städten der Ostküste, was dies für das Leben der chinesischen Bürger und auch für ihre eigenen geschäftlichen Aktivitäten heißt. Die wirtschaftliche Öffnung hat keine politischen Freiheiten gebracht, es gibt keine mit westlichen Vorstellungen vergleichbare Rechtssicherheit. Die Kommunistische Partei begleitet nach wie vor ihre Bürger aufmerksam von der Wiege bis zur Bahre.

1978 hat Deng Xiaoping eine neue Wirtschaftsordnung kreiert, die er „sozialistische Marktwirtschaft“ nannte. Mittlerweile hat sich gezeigt, was man darunter versteht: Eine kommunistische Regierung fördert und schützt marktwirtschaftliche Betriebe. Das Wort „Planwirtschaft“ erhält eine völlig neue Bedeutung. Der Staat tut alles, um seine Betriebe im internationalen Kampf um wirtschaftliche Erfolge zu unterstützten.

Kommunistische Partei und privatwirtschaftliche Unternehmen bilden zudem enge persönliche Allianzen. Denn die Politkader sind oft gleichzeitig wirtschaftliche Akteure, die ihre eigenen finanziellen Interessen als Unternehmer oder Kontaktvermittler verfolgen. Das Wirtschaftsleben Chinas – und damit die Rolle, die ausländische Unternehmen hier spielen dürfen – wird beherrscht und kontrolliert von den „roten Prinzen und Prinzessinnen“. Das sind Söhne und Töchter aus den einflussreichen Politikerfamilien, und sie regieren heute auch in der sozialistischen Marktwirtschaft. Pragmatisch formulierte diesen Anspruch bereits Deng Xiaoping, der Vater des Projektes: „Es ist egal, ob die Katze schwarz oder weiß ist – Hauptsache sie fängt Mäuse.“ Oder: Es ist doch völlig unwichtig, unter welchem politischen System wir Geld verdienen. Dass die wuchernde Korruption mittlerweile 10 Prozent des Bruttoinlandsproduktes auffrisst, wird auch offiziell von der Regierung missbilligt und bekämpft. Bis jetzt ist es ein aussichtsloser Kampf, der zuweilen skurrile Blüten treibt. So wird auch schon einmal der Leiter einer Antikorruptionsbehörde selbst aufgrund von Bestechlichkeit hingerichtet.

Die Worte Maos „Lasst hundert Blumen blühen“, mit denen er in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts die Kulturrevolution einläutete, erhalten heute in der gesellschaftlichen Wirklichkeit Chinas ebenfalls eine neue Bedeutung. Trotz kommunistischer Einheitslinie entstanden höchst unterschiedliche „Blumen“ oder Lebenschancen.

So nimmt das Einkommensgefälle zwischen den Regionen täglich zu. In den Großstädten der Ostküste des Landes, der „Goldküste“, wie sie wohl aufgrund der dort herrschenden Goldgräberstimmung und der Regentschaft des schnellen Geldes genannt wird, fängt man die Mäuse, die Deng anpries. Ganz anders sieht es in den westlichen Provinzen und damit im Großteil des Landes aus.

Die Kluft, die sich in China auftut, ist aber nicht nur eine Kluft zwischen Regionen, sondern auch zwischen Generationen. Die Sieger der wirtschaftlichen Neuorientierung sind jung, gut ausgebildet, haben Fremdsprachenkenntnisse und leben in den großen Städten der Goldküste. Die wirtschaftlichen Chancen der über 45-Jährigen beschreibt hingegen folgende Aussage: „Mao schickte uns aufs Land, Deng schickte uns in die Marktwirtschaft, und unsere jetzige Regierung schickt uns in die Arbeitslosigkeit.“

Und damit stellt sich die Frage, ob alle Chinesen das Gefühl haben, im gleichen Jahrhundert und im gleichen Land zu leben.

  • Was haben die 800 Millionen Bauern Chinas, die über ein durchschnittliches Einkommen von 1 Euro am Tag verfügen, zu tun mit einem Stadtbewohner in Shenzhen, der ein monatliches Gehalt von 2000 Euro bekommt?
  • Was haben die gut ausgebildeten jungen Frauen mit Universitätsstudium, die ihre Kenntnisse in ausländischen Firmen einsetzen können, gemeinsam mit der großen Masse der chinesischen Frauen? Diese leben weiterhin unterprivilegiert in traditionellen Rollen – wenn sie denn überhaupt zur Welt kommen und nicht als Fötus abgetrieben werden. Oder aber als Kind vernachlässigt werden, weil man sich – im Korsett der Ein-Kind-Politik und in einer konfuzianischen Tradition verhaftet – nichts mehr als einen Sohn wünscht.
  • Was hat ein entlassener 50-jähriger Arbeiter aus einem ehemaligen Staatsbetrieb gemeinsam mit einem 35-Jährigen, der als Facharbeiter in der Produktionsstätte eines westlichen Betriebs angelernt wurde?

Die Gleichzeitigkeit der Gegensätze


„Reich der Risse“ nannte deshalb der frühere SZ-Korrespondent Kai Strittmatter China. Und natürlich gibt es auch Stimmen, die fragen, wann die politische Stabilität und der wirtschaftliche Boom von diesen zunehmenden sozialen Unterschieden erschüttert werden. Westliche Beobachter gehen häufig ebenso selbstverständlich davon aus, dass immer mehr Chinesen politische Freiheit fordern werden, die sich dann letztlich im politischen System des Westens, der Demokratie, verwirklichen soll.

Wer Geschäfte in China machen will, muss seinen Blick schärfen, und er sollte sich viele Fragen stellen:

  • Was heißt „sozialistische Marktwirtschaft“ für meine geschäftlichen Ziele? Wer trifft die Entscheidungen? Kann ich mich auf Gesetze verlassen? Wie sind die realistischen Rahmenbedingungen? Nicht die, die mir von den Vertretern chinesischer Delegationen genannt werden, die in Deutschland um Investitionen werben. Der erste Schritt im Chinageschäft heißt also: Entwicklung einer Chinastrategie, in der Möglichkeiten, Ziele und die Konsequenzen für das Vorgehen aufgelistet werden. Ich kenne wenige Firmen, die diesen Schritt gewissenhaft tun.
  • Welche infrastrukturellen Bedingungen finde ich vor? Wie sieht es mit der Qualifikation der chinesischen Arbeitnehmer aus? Welchen Bildungshintergrund haben diese Menschen? Welche Lebensziele haben sie? Decken sich ihre Erwartungen mit meinen? In welchem Umfang muss ich erst einmal „Vorinvestitionen“ tätigen – zum Beispiel Qualifikationen durchführen? Wie binde ich meine Mitarbeiter?

Von den Erfolgreichen lernen


Die geschäftliche Realität zeigt leider, dass viele Betriebe überstürzt und blauäugig gen Osten ziehen. Sie lassen sich blenden von westlich-modernen Äußerlichkeiten der Architektur und bei den Menschen. Auch in der deutschen Presse werden Versuche, zum Beispiel in Publikationen...

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