„Unter dem Begriff Entspannungsverfahren lassen sich viele Methoden mit unterschiedlichen Traditionen, Techniken und Zielsetzungen zusammenfassen. Alle haben mehr oder minder explizit gemeinsam, dass sie letztlich eine Entspannungsreaktion herbeiführen. Diese kann als spezifischer psychophysiologischer Prozess definiert werden, bei dem es zu einer Absenkung des Arousalniveaus kommt“ (Wittchen, 2011, S. 588).
Das Ziel von Entspannungsverfahren ist es, das körperliche Umschalten von „Stress, Unruhe und Anspannung“ auf „Gelassenheit und Aufnahmefähigkeit, aber auch Erholung“ willentlich zu bewirken, denn für körperliche Gesundheit und psychische Ausgeglichenheit ist ein ungefähres Gleichgewicht zwischen Leistung und Entspannung nötig (vgl. Krowatschek, Theiling, 2009, S. 11).
Umgangssprachlich aufgefasst bezeichnen wir mit Entspannung alle Aktivitäten bzw. Maßnahmen, die zur persönlichen Erholung nützlich sind, oft ist für die Menschen schon Entspannung wenn sie für eine Gewisse Zeit aus den Alltagsleben entfliehen. (z.B. „nichts tun“, „Musik hören“, „ein Nickerchen machen“, „Spazieren gehen“, usw.). Diese Maßnahmen, die der Mensch vollzieht, um sich auszuruhen sind meist unsystematisch und informell und werden als Entspannungsmöglichkeiten bezeichnet (vgl. Esser, 2008, S. 568).
Im Gegensatz dazu gibt es Entspannungsverfahren, diese sind meist spezifisch und systematisch angelegt. Unter Entspannungsverfahren werden verschiedene Techniken zusammengefasst, die teilweise unterschiedliche Ziele verfolgen. Bei diesen Ansätzen soll auf verschiedenen Wegen eine Entspannungsreaktion herbeigeführt werden, die sich als psychophysiologischer Prozess darstellen lässt, bei dem das Erregungsniveau reduziert wird (vgl. Petermann, 2010, S. 41).
Unter diesem Aspekt bestehen die Wirkungen bei Kindern und Jugendlichen darin, dass motorische Unruhe, Anspannung und Erregung, Impulsivität sowie Konzentrationsschwierigkeiten reduziert werden können. Dabei ist es wichtig, dass das Entspannungsverfahren regelmäßig durchgeführt wird, denn nur dann stellen sich mit der Zeit typische psychophysiologische Effekte der Entspannung ein, welche zeigen, ob die Entspannung wirkt (Kühr, 2008, S. 7).
In diesem Zuge wurde in mehreren Studien nachgewiesen, dass Entspannungsverfahren auf physiologischer wie psychischer Ebene positive Effekte bewirken (vgl. Petermann, 2010, S. 41).
3.1 Physiologische und psychische Effekte der Entspannungsreaktionen
Entspannung lässt sich am eindeutigsten über Reaktionen feststellen, mit unterschiedlichen Entspannungsverfahren werden unterschiedliche Reaktionsweisen in Gang gesetzt, die sich auf zwei Ebenen feststellen lassen, auf der physiologischen und der psychischen, die sich aufgrund von körperlichen Vorgängen, Verhaltensweisen, Emotionen und Kognitionen beobachten lassen (vgl. Vaitl, Petermann 2000, S. 30). Neben diesen Veränderungen können auch noch gastrointestinale und endokrine Entspannungsreaktionen auftreten, diese hängen aber von den jeweiligen Entspannungsmethoden ab (vgl. Vaitl, Petermann, 2000, S. 32).
Die körperliche Reaktion kennzeichnet sich durch ein Nachlassen der Muskelanspannung, einer Senkung der Herzfrequenz und des Blutdrucks sowie einer Verlangsamung der Atemfrequenz. Darüber hinaus wird die elektrische Aktivität und kortikale Aktivität des Gehirnes reduziert (vgl. Zimbardo, Hoppe-Graff, 1995, S. 589).
Die emotionale Entspannungsreaktion ist gekennzeichnet durch Gefühle des Wohlbefindens, der inneren Ruhe, Gelassenheit und Gelöstheit. Charakteristisch für die kognitive Entspannungsreaktion ist ein assoziativ gelockerter Denkablauf (an nichts denken), dabei werden Außenreize vermindert aufgenommen und lösen nur noch erschwert eine Reaktion aus (vgl. Petermann, 2010, S. 71 f.).
3.1.1 Physiologische Merkmale der Entspannungsreaktion
Bei der körperlichen Entspannungsreaktion lassen sich fünf Kennzeichen unterscheiden, die aufgrund ihrer Phänomene und ihrer physiologischen Zusammenhänge beschrieben werden. Infolge werde ich kurz auf die Veränderung in diesem Zusammenhang eingehen.
3.1.1.1 Neuromuskuläre Veränderungen
Bei der Anwendung eines Entspannungsverfahrens wird der Spannungszustand der Skelettmuskulatur reduziert. Das bedeutet, dass die Stützmotorik (Arme, Beine, Rumpfmuskulatur) erschlafft (vgl. Petermann, 2010, S. 52). Dies wird meist mit der Ruhigstellung des Körpers erreicht, dabei muss man sich in einer angenehmen Sitz- oder Liegeposition befinden, da aber dadurch nur der afferente Signaleinstrom der Stützmotorik vermindert wird (Reize einzelner Organe, die zum Zentralnervensystem aufsteigen und dort weiterverarbeitet werden), muss noch weiter dafür gesorgt werden, dass keine externen (z.B. Lärm und Türenschlagen) oder internalen Reize (wie z.B. Blasendruck, Beklemmungsgefühle durch zu enge Kleidung) das Entspannungsverfahren behindern (vgl. Petermann, 2010, S. 52). Wenn dies geschieht, werden die efferenten Signale des Körpers (der Reiz vom Gehirn zu den einzelnen Organen) erheblich gestört und es könnte zu einer zusätzlichen Spannung in der Bein-, Arm-, und Rumpfmuskulatur kommen. Ist dies nicht der Fall, bewirkt es genau das Gegenteil, nämlich das die afferenten Signale (der Reiz von den Organen zu Hirn) erreichen, dass sich Spannung in der Bein–, Arm- und Rumpfmuskulatur weiter reduziert (vgl. Petermann, 2010, S. 52; Petermann, Vaitl, 2009, S. 20 f.).
3.1.1.2 Kardiovaskuläre Veränderungen
„Die periphere Gefäßerweiterung ist eines der sichersten Zeichen, dass sich Entspannung anbahnt oder bereits erreicht ist. Dabei empfindet der Entspannende ein kribbeln und Wärmesensationen, vor allem in den Händen und Armen, sowie in den Füssen und Beinen“ (Petermann, Vaitl, 2009, S. 21). Diese Wahrnehmungen werden entweder durch gezielte Instruktionen ausgelöst, wie bei dem autogenen Training, können aber auch spontan auftreten, wie zum Beispiel bei der progressiven Muskelrelaxation (vgl. Petermann, 2010, S. 56). Diese Wärmeempfindungen kommen durch einen vermehrten Blutzufluss infolge einer lokalen Gefäßerweiterung zustande. Da die natürliche Gefäßerweiterung durch die Umgebungstemperatur reguliert wird, ist bei der Durchführung von Entspannungsverfahren darauf zu achten, dass immer eine Behaglichkeitstemperatur (20-22 Grad Celsius) herrscht, damit es den Kindern und Jugendlichen leichter fällt, Wärmemesssensationen zu erreichen (vgl. Petermann, Vaitl, 2009, S. 21).
Durch Entspannung kann sich der Pulsschlag verlangsamen, dies bedeutet, dass sich die Herzrate erniedrigt. Die Herzrate bildet einen Indikator für Aktivierungsprozesse, diese Aktivierung tritt bei psychischen Belastungen oder bei emotionaler und mentaler Beanspruchung auf. Da durch Entspannung diese Belastungen nicht gegeben sind, sinkt aufgrund dieser Reize die Herzrate, deshalb ist dies auch kein eindeutiger Indikator für Entspannung (vgl. Petermann, Vaitl, 2009, S. 21).
Der arterielle Blutdruck ist wie die Herzrate eng mit Aktivierungsprozessen gekoppelt, körperliche Aktivität sowie emotionale oder kognitive Anforderungen steigern den Blutdruck. Entspannungsverfahren können dem entgegensetzen und den Blutdruck senken. Weil dadurch die Sympathikusaktivität (ist dafür zuständig, dass der Organismus in eine erhöhte Leistungsfähigkeit versetz wird) des autonomen Nervensystems gedämpft wird. Dies wirkt sich in zweierlei Hinsicht aus, zum einen nimmt der periphere Gefäßwiderstand ab, zum anderen sinkt das Herzminutenvolumen (vgl. Petermann, 2010, S. 56). Welches der beiden Systeme sich aber auswirkt, hängt von den angewendeten Entspannungsverfahren ab. Besonders gut ist das autogene Training, wenn das Ziel besteht, den Blutdruck zu senken, aber auch die progressive Muskelentspannung kann bei der Senkung eines erhöhten Blutdruckes hilfreich sein. Eine Blutdrucksenkung durch Entspannungsverfahren kann aber nur dann erreicht werden, wenn das Entspannungstraining über mehrere Monate konsequent und systematisch durchgeführt wird (vgl. Petermann, 2010, S. 55 ff.; Petermann, Vaitl, 2009, S. 20 f.).
3.1.1.3 Respiratorische Veränderungen
Die Veränderungen der Atemtätigkeit bei Entspannungsverfahren treten schon frühzeitig auf, diese Veränderungen bestehen darin, dass sich die Atmung insgesamt flacher und gleichmäßiger vollzieht, dabei wird das Atemzugvolumen geringer und die Atemfrequenz nimmt ab. Des Weiteren verändert sich der Atemzyklus, dies zeigt sich darin, dass relativ lange Pausen zwischen der Ein- und Ausatmung stattfinden. Diese respiratorischen Veränderungen zeigen sich aber auch schon allein durch das Vorhandensein von körperlicher Ruhe und...